Leicht war die Regierungsbildung in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nicht. Dennoch steht wohl in allen drei Bundesländern noch vor Weihnachten die Wahl eines Ministerpräsidenten an. Aber in Dresden, Erfurt und Potsdam ist eine Regierungsbildung ohne die Zustimmung oder Mitarbeit der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) nicht möglich.
Am schwierigsten gestaltet sich die Lage offenbar in Sachsen. Dort will Ministerpräsident Michael Kretschmer gemeinsam mit der SPD eine Minderheitsregierung bilden, die nur über 51 Stimmen im 120-köpfigen sächsischen Landtag verfügt. Die schwarz-rote Koalition braucht also zehn Stimmen aus anderen Parteien. Als mögliche Partner stehen theoretisch sowohl AfD, BSW, Linke und Grüne als auch der Abgeordnete der Freien Wähler zur Verfügung.
Das BSW hatte Mitte November zwar die Sondierungen für eine Koalition abgebrochen, aber angekündigt, unter bestimmten Umständen – „keine Kürzungen im Sozialbereich“ – Kretschmer mit zu wählen. Auf der anderen Seite stimmte die Partei bereits zweimal zusammen mit der AfD ab. Sowohl beim Thema Corona-Untersuchungsausschuss als auch bei der Frage nach einer Bundesratsinitiative zu einer möglichen Raketenstationierung in Deutschland machte die Wagenknecht-Partei gemeinsame Sache mit dem als gesichert rechtsextrem geltenden Landesverband der Partei.
Nicht alle Mitglieder der BSW-Fraktion sind vom Abbruch der Sondierungsgespräche begeistert. Das plötzliche Aus für eine sogenannte Brombeer-Koalition, wie sie auch in Thüringen geplant ist, soll angeblich von dem Chefberater der Landespartei, dem Leipziger Journalistik-Professor Marcel Machill, in Absprache mit Parteigründerin Sahra Wagenknecht inszeniert worden sein. Die Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann verfügt offenbar nicht über ausreichenden Rückhalt in der Fraktion, um sich durchsetzen zu können. Schon bei der Wahl zur Vorsitzenden blieb es für sie denkbar knapp – mit 6:4 Stimmen gegen ihren Konkurrenten Jörg Scheibe. Dabei hielten es fünf Mitglieder der Fraktion gar nicht für nötig, zur Sitzung zu erscheinen. Ohne das Wohlwollen der Parteigründerin im fernen Saarland geht bei der BSW in Sachsen nichts.
Von solcher Unterwürfigkeit ist das BSW in Thüringen weit entfernt. Der Zwist mit der Bundespartei im Vorfeld über die Formulierungen in der Präambel des Koalitionsvertrages hatte eine Solidarisierung der Fraktion mit Spitzenkandidatin Katja Wolf zur Folge. Deshalb geht der CDU-Vorsitzende Mario Voigt relativ tiefenentspannt in die Wahl zum Ministerpräsidenten, wohl wissend, dass er neben den Stimmen der SPD und des BSW entweder noch eine Stimme von den Linken benötigt oder auf eine relative Mehrheit im dritten Wahlgang angewiesen ist. Fest steht, dass die Linke alles daran setzen wird, um der Höcke-AfD nicht erneut einen Triumph wie 2020 zu gönnen, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Interims-Ministerpräsidenten gewählt wurde.
Auch in Brandenburg ist man mittlerweile weit vorangekommen und hat einen Koalitionsvertrag auf den Weg gebracht, der sich in einigen Punkten vom Thüringer Modell unterscheidet. Während man in Erfurt beim Thema Friedenspolitik offen und ehrlich die unterschiedlichen Standpunkte in dieser Frage dokumentierte, lässt sich Ministerpräsident Dietmar Woidke tatsächlich darauf ein, die geplante Stationierung von Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden – von der Brandenburg nicht betroffen sein wird – kritisch zu sehen. Damit kommt er den kremlnahen Positionen der Wagenknecht-Partei weit entgegen. Viel zu weit, weil er damit seinen Kanzler und seinen Verteidigungsminister in den Senkel stellt.
Dass Woidke keine bundespolitischen Skrupel kennt, hatte er schon vergangenen Freitag bewiesen, als er während der Bundesratssitzung seine Gesundheitsministerin entließ, um eine Zustimmung zur Krankenhausreform zu verhindern. Damit hat sich der Brandenburger Regierungschef endgültig als erpressbar erwiesen. Welche Folgen das hat, werden die Ministerpräsidentenwahlen zeigen. Ein erster Abweichler hat sich bereits zu Wort gemeldet.