Er wird es so nicht geplant haben, aber es passt in seine Strategie. Daher mag Friedrich Merz insgeheim darüber geschmunzelt haben, dass er ausgerechnet an dem Tag seine Warschau-Reise begann, als sich Olaf Scholz bei der Kabinettssitzung von Robert Habeck vertreten ließ. Während der Bundeskanzler nämlich gerade Urlaub macht und im Allgäu wandert, hat sich der CDU-Chef einmal mehr staatsmännisch-selbstbewusst auf der außenpolitischen Bühne präsentiert.
Das war schon Anfang Mai so, als er – weil der Kanzler zögerte – seine Aufwartung bei Präsident Selenskyj in Kiew machte. Und es wiederholte sich jetzt, weil Scholz seinem schärfsten Kritiker mit dem Schweigen zum Ärger über den geplanten Panzer-Ringtausch mit Polen erneut eine Steilvorlage bietet. Friedrich Merz wäre nicht Friedrich Merz, wenn er sich diese Chance entgehen ließe. Mal wieder ist er einen Schritt schneller als der Bundeskanzler. Und er versteht es, das zu nutzen. Als „führungsunwillig“ tadelt er Scholz und als jemanden, der „die deutsche Öffentlichkeit und das Parlament täuscht“. Merz gefällt sich in der Rolle des Provokateurs.
Gratwanderung mit Methode
Von Franz Josef Strauß stammt der Satz: „Wer unter mir Kanzler wird, ist mir egal.“ Gemeint war Helmut Kohl. Zu Merz passt diese Attitüde ebenfalls. Er geht bis an die Grenzen dessen, was ihm als Oppositionsführer zusteht. Und gerne auch darüber hinaus. So schrieb er es sich in Kiew auf die Fahne, den Weg für eine Reise des Bundespräsidenten in die Ukraine freigemacht zu haben. Und in Warschau ging er zur Freude polnischer Kommentatoren auf Distanz zur Bundesregierung. Eine Gratwanderung mit Methode, weil Merz ein Ziel hat: die Union so stark zu machen, dass an ihm als Kanzler kein Weg vorbeiführt.
Laut einer Forsa-Umfrage wünscht sich jeder Dritte der Befragten Robert Habeck als Kanzler – mehr als Olaf Scholz und Friedrich Merz. Den Weg an die Spitze der CDU hat der Sauerländer im dritten Versuch geschafft. Bis ins Kanzleramt aber ist es noch weit. Dennoch: Es ist ihm mehr Geschick zuzutrauen als damals Franz Josef Strauß.