Die Demokraten haben Angst, bei den Präsidentschaftswahlen 2020 einen falschen Herausforderer gegen Donald Trump ins Rennen zu schicken. Das ist die tiefere Wahrheit hinter dem dichten Gedränge im Kandidatenfeld. Statt eines Favoriten oder eines Spitzenduos gibt es diesmal ein Führungsquartett, weil selbst in den traditionellen Lagern von Moderaten und Progressiven noch um die Führung gerungen wird. Dort treten jeweils ein Newcomer gegen ein Urgestein an. Auf der Linken fordert Senatorin Elizabeth Warren den demokratischen Sozialisten Bernie Sanders heraus. Bei den Zentristen ringen der Bürgermeister von South Bend im US-Bundesstaat Indiana, Pete Buttigieg, und der ehemalige Vize-Präsident Joe Biden um die Führung.
Selbst langjährige Beobachter der Präsidentschaftswahlen tun sich schwer, wenige Wochen vor den ersten Vorwahlen in Iowa (3.2) und in New Hampshire (11.2) viel mehr als große Unentschiedenheit zu diagnostizieren. Neben dem klassischen Streit, ob der Partei die reine Lehre oder die Wahlaussichten eines Kandidaten wichtiger sind, geht es diesmal um ganz fundamentale Fragen.
Warum zum Beispiel findet sich nicht ein einziger farbiger Kandidat im Spitzenfeld der Demokraten? Bedeutet der Ausstieg der einst mit großen Erwartungen gestarteten Senatorin Kamala Harris, dass es in Trumps Amerika politisch zu riskant geworden ist, mit einem nicht-weißen Herausforderer in den Wahlkampf zu ziehen? Besteht mit Blick auf Harris und mehr noch auf Elizabeth Warren, gar die Furcht, dass der allerorts anzutreffende Sexismus keinen Raum für eine aussichtsreiche Präsidentschaftskandidatin lässt? Die Erfahrung mit Hillary Clinton hinterließ mindestens in Teilen der Partei Unbehagen über die Bereitschaft der Amerikaner, eine US-Präsidentin zu wählen.
Mindestens so ungewiss scheint, wie groß die Toleranz für den ersten offen schwulen Präsidentschaftskandidaten außerhalb der urbanen Zentren ist. Denn genau da, wo „Mayor Pete” punkten müsste, in den ländlichen Hochburgen Trumps im Süden und Mittleren Westen, aber auch im Rostgürtel der USA, ticken die gesellschaftlichen Uhren anders.
Demokraten ringen mit Altersfrage
Zudem ringen die Demokraten mit einem scheinbar banalen Thema wie dem Alter der Kandidaten. Seit seinem Herzinfarkt gilt der 78-jährige Sanders als verwundbar. Bidens Fahrigkeit zeugt ebenso von seinen 77 Jahren, wie seine gelegentlichen Aussetzer. Welches Signal sendet die Aufstellung eines Kandidaten dieses Alters an die Nation? Buttigieg stünde zwar für den Aufbruch der nächsten Generation, wirft aber die Frage auf, ob er mit seinen 38 Jahren bei der Vereidigung genügend Würde ins Amt bringt.
Als wäre all das nicht genug, hängt noch das Impeachment Donald Trumps wie eine düstere Wolke über dem Kandidatenfeld. Falls Speakerin Nancy Pelosi im Repräsentantenhaus zu sehr auf die Tube drückt und schon vor Weihnachten abstimmen lässt, hielten die Republikaner im neuen Jahr das Heft des Handelns in der Hand. Senatsführer Mitch McConnell könnte den Impeachment-Prozess so terminieren, dass Sanders und Warren – statt Wahlkampf machen – zu können in Washington festsitzen.
Die Demokraten erleben schon jetzt, wie die Propaganda-Maschine Donald Trumps auf Hochtouren läuft. Und – Orwell lässt grüßen – eine Lüge nach der anderen über Joe Biden, dessen Sohn Hunter und die Ukraine ausspuckt. Droht Pete Buttigieg am Ende dasselbe Schicksal wie Hillary Clinton, die Trump mit einer Schmierkampagne zu einer Karikatur machte?
Wer sich an der Basis der Demokraten umhört, spürt die große Verunsicherung. Unabhängig von ihrer Präferenz für Sachthemen oder für die Kandidaten wissen die Wähler intuitiv, welche Konsequenzen eine Wiederwahl des Präsidenten hätte. Die Angst vor einer zweiten Amtszeit Trumps kristallisiert sich als die treibende Kraft bei diesen Vorwahlen heraus.
Diese Unsicherheit hat den Milliardär Michael Bloomberg dazu verleitet, seinen Hut noch spät in den Ring zu werfen. Doch wer, wie Bloomberg, die ersten Vorwahlen in Iowa und Primaries in New Hampshire auslässt, hat kaum eine Chance. Kein Geld dieser Welt kann gegen die Eigendynamik bestehen, die sich dort entwickelt.
Die Wahlergebnisse des ersten Vorwahlen werden den US-Demokraten helfen, das Feld zu verkleinern und klarer zu sehen. Bis dahin werden noch Wetten angenommen, wer die Partei im November 2020 gegen Donald Trump ins Rennen führen wird.