Auch wenn die Bildungsbehörde eine Offensive gestartet hat, reicht die Zahl der Kitaplätze nach wie vor nicht aus. In allen Nordbremer Stadtteilen gibt es Kinder, die auf Wartelisten stehen statt betreut zu werden. Dabei setzt die Stadt seit Jahren auf Partner, um Lücken zu schließen – auf private Investoren, die Tagesstätten bauen, und freie Träger, die sie betreiben. Manche von ihnen sehen inzwischen so großen Bedarf, dass sie ein befristetes Angebot immer noch besser finden als gar keines.
Wie in Blumenthal, wo eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung jetzt schnell handeln will. Gibt die Bildungsbehörde ihr Okay, soll es ab nächsten Monat im Zentrum des Stadtteils quasi einen Ersatz zum regulären Kita-Alltag geben. In der alten Post sollen fünfjährige Mädchen und Jungen zumindest an zwei Tagen in der Woche auf den späteren Unterricht in Klassenverbänden vorbereitet werden und lernen, von den Eltern getrennt zu sein. Der Quartiersrat unterstützt das Projekt. Es soll nur vorübergehend angeboten werden. Bis zum Sommer, wenn die Kinder in die Schule wechseln.
Dass Betreuungsplätze im Blumenthaler Zentrum fehlen, obwohl dort vor einem Jahr eine Kita plus Hort eröffnet worden ist, kommt nicht von ungefähr. Dem Kinder- und Familienzentrum an der Kapitän-Dallmann-Straße geht es so, wie es momentan diversen Tagesstätten geht: Es gibt viele Gruppenräume, aber zu wenig Personal, um alle Gruppenräume auch nutzen zu können. Das mehrgeschossige Gebäude im alten Ortskern ist trotzdem eine Ausnahme. Die Einrichtung gehört zu den wenigen Neubauprojekten in Blumenthal, die von Kita Bremen, also der Stadt, betrieben wird.
Für gewöhnlich hat es Oliver Fröhlich bei Plänen für zusätzliche Plätze mit anderen zu tun. Der Blumenthaler Ortsamtsleiter spricht von privaten Investoren, die ihn anrufen, um Kita-Vorhaben vorzustellen. Und von freien Trägern, die diese Kitas später übernehmen wollen. Fröhlich zählt mehrere städtische Tagesstätten und Krippen auf, die es im Stadtteil gibt, aber vor allem Einrichtungen, die von gemeinnützigen Gesellschaften, Vereinen und Elterngruppen gemanagt werden. Fröhlich geht davon aus, dass sie mittlerweile in der Mehrheit sind. Und dass es ohne sie längst nicht mehr geht.
Verzögerung bei Bauprojekten
Auch Heiko Dornstedt und Florian Boehlke glauben das. Der Vegesacker und der Burglesumer Ortsamtsleiter sagen, dass die Stadt auf Partner angewiesen ist, wenn sie die Platzkapazität weiter erhöhen will. Oder muss: Nach den Zahlen von Annette Kemp fehlen in Burglesum weniger Plätze als vor einem Jahr, in Vegesack dagegen mehr. Die Sprecherin von Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) kommt im ersten Fall auf ein Minus von 21, im zweiten von 182. Damit ist inzwischen Vegesack und nicht mehr Blumenthal (60) der Stadtteil im Norden mit dem größten Betreuungsdefizit.
Dass jetzt in Vegesack die Platzsituation quasi dreimal so angespannt ist wie in Blumenthal, erklärt Senatorensprecherin Kemp nicht etwa mit weniger Kita- und Hortprojekten in dem einen Stadtteil beziehungsweise mehr Vorhaben in dem anderen – sondern mit Verzögerungen auf mehreren Baustellen. Ihr zufolge haben die Arbeiten an zwei Vegesacker Kindergärten länger gedauert, als es der Bildungsbehörde lieb war: an den Tagesstätten Dobbheide und Friedrich-Humbert-Straße. Statt noch in diesem Jahr, wie ursprünglich geplant, sollen sie jetzt Anfang des nächsten Jahres fertig werden.
Für Ortsamtsleiter Dornstedt gibt es noch einen Grund, warum in Vegesack mehr Plätze fehlen als in den beiden benachbarten Stadtteilen zusammen. Nach seinen Angaben ist nirgendwo sonst im Norden die Zahl der Einwohner so deutlich gestiegen wie in Vegesack. Aber auch nirgendwo sonst die Zahl der Elternvereine, die wie die Arbeiterwohlfahrt, die Diakonie, das Deutsche Rote Kreuz oder die Caritas für zusätzliche Kitaplätze sorgen, so hoch wie dort. Vegesack kommt inzwischen auf sieben Elternbündnisse, die von der Behörde unterstützt werden, Blumenthal und Burglesum auf jeweils vier.
Wie häufig mittlerweile private Unternehmen neue Plätze schaffen und wie oft die Stadt zur Bauherrin wird, hält sich laut Behördenmitarbeiterin Kemp die Waage: Von den rund 30 Krippen und Kindergärten, die seit 2016 in Bremen entstanden sind, wurde die Hälfte von Investoren realisiert. Dass Firmen und Vereine unterstützen müssen, damit die Stadt auf mehr Angebote kommt, liegt Kemp zufolge am Tempo, mit dem das Plus an Plätzen erreicht werden muss. Für sie ist die Kooperation ein Erfolg – auch wenn trotzdem die Nachfrage größer bleibt als das Angebot. Im Sommer fehlten stadtweit 1000 Plätze.