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Inklusion bei Friedehorst in Lesum Es geht um den Menschen

Schon seit der Gründung werden auf dem Gelände von Friedehorst Menschen mit Behinderung betreut. Die Angebote wurden im Laufe der Jahrzehnte immer weiter ausgebaut. Und sie wandeln sich gerade wieder...
01.10.2018, 20:56 Uhr
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Es geht um den Menschen
Von Julia Ladebeck

Lesum. Schon seit der Gründung der diakonischen Einrichtung Friedehorst vor mehr als 70 Jahren werden auf dem Gelände in Lesum auch Menschen mit Behinderung betreut. Die Angebote wurden im Laufe der Jahrzehnte immer weiter ausgebaut und erweitert. Nach und nach setzte sich – parallel zu neuen Perspektiven, die sich in der Gesellschaft zu diesem Thema entwickelten, und Gesetzesänderungen, die Menschen mit Behinderung mehr Rechte einräumen – eine andere Sichtweise durch. Während es früher vor allem darum ging, Hilfebedürftige zu versorgen, steht heute die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im Mittelpunkt.

Das Ziel ist Inklusion auf Augenhöhe. Auch um das auszudrücken, hat sich die Gesellschaft „Dienste für Menschen mit Behinderung“ der Stiftung Friedehorst zum 1. September einen neuen Namen gegeben: Aus ihr wurde die gemeinnützige Gesellschaft „Friedehorst Teilhabe Leben“.

Der veränderte Umgang zeigt sich auch in der neuen Ausrichtung der Angebote. In den vergangenen Jahren ist der ambulante Bereich verstärkt ausgebaut worden. „Begonnen haben wir damit schon im Jahr 2010. Seit 2014 haben wir dann 30 zusätzliche ambulante Angebote innerhalb von vier Jahren neu geschaffen“, sagt Robert Bau, Geschäftsführer der Gesellschaft „Friedehorst Teilhabe Leben“.

Insgesamt seien es rund 500 Angebote, die Friedehorst für Menschen mit Behinderung bereithalte. Sie reichen von diversen Wohnformen bis zu Arbeits-, Beschäftigungs-, Förder- und Freizeitangeboten. In diesem Jahr ist noch die Schulassistenz für Kinder mit seelischen und geistigen Beeinträchtigungen dazugekommen. 430 Mitarbeiter und insgesamt 275 Vollzeitstellen hat die Gesellschaft „Friedehorst Teilhabe Leben“. Dazu engagieren sich derzeit neun ehrenamtliche Mitarbeiter, unter anderem im Freizeithaus und in den Wohngruppen, weitere werden gesucht.

Genutzt werden die Angebote von etwa 300 Menschen, die nach Angaben von Robert Bau zum Teil gleich mehrere Angebote in Anspruch nehmen. „Beispielsweise gibt es Menschen, die unser Wohnangebot nutzen, die Tagesförderstätte und das Freizeithaus besuchen“, nennt er ein Beispiel. Sieben Monate alt ist das jüngste Kind, das im Kinderhaus „Mara“ betreut wird, der älteste Bewohner ist bereits 84 Jahre.

Noch recht neu ist das ambulant betreute Wohntraining, das es seit 2016 in mehreren Stadtteilen gibt. Sechs Plätze sind geschaffen worden für Menschen, die langfristig mehr Eigenverantwortung und Selbstständigkeit in den eigenen vier Wänden übernehmen wollen. Die Bewohner trainieren unter Anleitung alltägliche Dinge wie waschen, einkaufen, kochen und putzen. Außerdem bekommen sie auf Wunsch Beratung und Unterstützung bei der Zukunftsplanung, unter anderem zu Themen wie Wohnen, Arbeit, Freizeitgestaltung, Freundschaft und Partnerschaft.

Auch die Plätze in den diversen ambulanten Wohngruppen wurden ausgebaut, auf mittlerweile 30. Die Bewohner werden ausschließlich tagsüber ambulant in ihren eigenen Wohnungen in den Stadtteilen Lesum, Vegesack, Grohn, Walle, Neustadt und Gröpelingen betreut. Ebenfalls neu ist das Projekt Apartmenthaus Färberstraße in Grohn, das von einem Investor gebaut und von Friedehorst angemietet worden ist. „Dort leben Menschen mit und ohne Behinderung in eigenen Wohnungen unter einem Dach“, beschreibt Robert Bau das Konzept.

Grundsätzlich, erläutert der Geschäftsführer, gliedern sich die Angebote in drei Bereiche: „In einen für Kinder- und Jugendliche, in einen stationären und einen ambulanten Bereich, der auch die Tagesförderstätte beinhaltet.“ Die Tagesförderstätte hält Angebote für 70 schwerst- und mehrfachbehinderte Erwachsene bereit, die weder auf dem freien Arbeitsmarkt noch in einer Werkstatt für behinderte Menschen eine Betätigung finden konnten. Dazu kommt das sogenannte Therapeutikum, in dem Bewohner, aber auch Menschen aus der Nachbarschaft, Ergo- und Physiotherapie bekommen können. In Zukunft soll nicht mehr zwischen ambulanten und stationären Wohnangeboten unterschieden werden. Stattdessen können die Nutzer dann nach ihrem individuellen Bedarf zwischen verschiedenen Wohnformen wählen.

Das sei, erläutert Robert Bau, im Bundesteilhabegesetz festgeschrieben worden. Ebenso wie die sogenannte Personenzentrierung. Der Geschäftsführer beschreibt, was dieser sperrige Begriff meint: „Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderung sollen sich nicht mehr an institutionellen Erfordernissen, sondern an den individuellen Bedürfnissen der Menschen orientieren.“ Im Zuge dieser Neuorientierung habe sich Friedehorst mit seinen Angeboten für Menschen mit Behinderung „bereits um 180 Grad gedreht.“

Einige Wohnangebote befinden sich direkt auf dem parkähnlichen Friedehorst-Gelände zwischen Rotdornallee, Louis-Seegelken-Straße und Holthorster Weg, andere an verschiedenen Stellen in den Stadtteilen. Das Haus „Mara“ bietet auf dem Friedehorst-Gelände beispielsweise 55 Plätze in mehreren Wohngruppen für Kinder mit hohem intensivpädagogischem oder pflegerischem Bedarf sowie auf Anfrage Kurzzeitpflege-Plätze für Kinder und Jugendliche. Zwei weitere kleinere Kinderhäuser mit acht und sieben Plätzen befinden sich in Lesum und St. Magnus.

Friedehorst geht mit seinen Angeboten allerdings nicht nur in die Stadtteile hinein, sondern möchte auch, das betont Robert Bau, dass die Nachbarn das Friedehorst-Gelände als Teil des Stadtteils begreifen und nutzen. „Auch auf diese Weise soll Inklusion verwirklicht werden“, sagt Bau. Ein Beispiel seien die Angebote des Freizeithauses, die nicht nur von Friedehorst-Bewohnern, sondern auch von Menschen aus dem Stadtteil genutzt werden können. Der Treffpunkt für Freizeit und Bildung hat unter anderem zahlreiche Sportangebote im Programm, zum Beispiel in den Disziplinen der Special Olympics. So gibt es eine Fahrradsportgruppe, Boccia-Training, eine Laufgruppe, Basketballtraining der „Be Magics“, Drachenbootfahren eine Schwimmgruppe und Sportspiele. Auch hier stehe im Mittelpunkt, dass Menschen mit Behinderung Inklusion immer selbstverständlicher erleben können.

Info

Zur Sache

Freiwilliges Engagement

Die Gesellschaft „Friedehorst Teilhabe Leben „ sucht Menschen, die sich ehrenamtlich im Freizeithaus oder in den Wohngruppen engagieren möchten – beispielsweise mit Bastel- oder Spielangeboten, bei der Begleitung bei Spaziergängen oder anderen Freizeitgestaltungen. Weitere Informationen gibt Jessika Norden unter der Telefonnummer 04 21 / 6 38 12 65 oder per E-Mail: jessika.norden.dmb@fridehorst.de.

Der Förderverein „frie“ sucht ebenfalls Menschen, die Interesse an sozialen Projekten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben, die von der Gesellschaft „Friedehorst Teilhabe Leben“ betreut werden. Der Förderverein „frie“ bietet finanzielle Hilfe für bestimmte Projekte, die ohne staatliche Hilfe auskommen und trotzdem umgesetzt werden sollen. Dafür sucht der Verein Ehrenamtliche, einmalige Spender oder auch langfristige Fördermitglieder. Weitere Informationen gibt es im Sekretariat unter der Telefonnummer 04 21 / 6 38 12 19 oder bei Alfred Garbade, zweiter Vorsitzender des Vereins „frie“, unter der Nummer 0 42 98 / 33 45.

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