Bremen-Nord. Weihnachten allein zu Hause: Für viele Menschen ist dieses Szenario erstmals eine Option oder gar Realität. Sei es, weil die Angst vor der Ansteckung zu groß ist, Verwandte in Quarantäne sind, die Anzahl der Feiernden limitiert ist oder Flugzeuge nicht abheben. Ein anderer Grund: Die meisten Weihnachtsfeiern entfallen.
„Aufgrund der Corona-Pandemie finden alle Veranstaltungen im Kahnschifferhaus bis auf Weiteres nicht statt.“ Dies teilt der „Schifferverein Rekum und Umgegend von 1919“ mit. An sich war ein Beisammensein geplant. Das sei in den vergangenen Jahren ein Highlight für die Mitglieder im Alter zwischen 20 und 85 Jahren, betont der Vorsitzende Heino Bauer. Aber in diesem Jahr seien die 90 Vereinsmitglieder postalisch über die Absage informiert worden. „Ich finde das in Ordnung“, betont der 75-Jährige.„Man muss sich an die Regeln halten. Wir hoffen mal, dass Mitte 2021 alles wieder beim Alten ist.“
Rosemarie Dietrich geht fest davon aus. „Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr“, sagt die Vorsitzende des Heimatvereins Farge-Rekum. Dabei bezieht sie sich vor allem auch auf die Weihnachtsfeier am Heiligabend, zu der für gewöhnlich einsame Menschen jeden Alters aus ganz Bremen-Nord ins Kahnschifferhaus kommen. „Das geht vom feinsten Zwirn bis zur Jogginghose, vom Marßeler Feld bis Neuenkirchen“, betont die 68-Jährige, die den Abend seit vier Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Bernhard Dietrich organisiert. Rosemarie Dietrich: „Sonst sitzen wir selbst ja auch allein zu Hause.“
Gegenwärtig entfallen sämtliche Veranstaltungen des Heimatvereins. Um die Mitglieder ein wenig zu trösten, steuern acht Männer und Frauen in diesen Tagen 105 Haushalte an, um den Vereinsmitgliedern jenseits der 75 Jahre Tütchen mit selbst gebackenen Herzkuchen zu überreichen. „Wir waren auch schon im Frühling unterwegs. Damals haben wir den alten Menschen Moosrosen-Sträuße vorbeigebracht, weil wir das Kahnschifferhaus nicht öffnen durften. Da haben Leute an der Tür geweint vor Freude“, erzählt Rosi Dietrich gerührt. Gerade in diesen strapaziösen Zeiten sei es wichtig, aufeinander zu achten.
"Niemand soll in Bremen an Weihnachten allein sein" – unter diesem Motto unterstützt und organisiert die Anneliese Loose-Hartke Stiftung seit 2008 in vielen Stadtteilen besondere Weihnachtsfeiern, darunter auch im Haus der Zukunft in Lüssum. Im kleinen Kreis feiern hier zehn bereits angemeldete Senioren gemeinsam Weihnachten. Wo sonst 20 Männer und Frauen beisammensitzen, treffen sich in diesem Jahr gemäß der Corona-Verordnung nur halb so viele Teilnehmer, die einen Bezug zum Haus haben. "Wir haben uns fachlich sehr intensiv mit dem Thema Einsamkeit beschäftigt. Wenn man die Menschen besucht oder sie kommen mal hier vorbei, tut ihnen das gut", erklärt Quartiersmanagerin Heike Binne. Finanziell unterstützt werde das Weihnachtsfest durch die Anneliese Loose-Hartke Stiftung."
Gennady Kuznetsov ist im Vorstand der Stiftung, die in den Bremer Stadtteilen mit zehn Partnern kooperiert. „Weihnachten war dabei immer unser Hauptprojekt, denn am Heiligabend fühlen sich die Menschen besonders einsam“, weiß der 57-Jährige. „An sich feiern wir Weihnachten bei Zusammenkünften in einzelnen Stadtteilen immer gemeinsam, aber in diesem Jahr findet in Lüssum die einzige Präsenzfeier im Verbund der Stiftung statt“, so Gennady Kusnetsov.
Als kleinen Trost für alle anderen hat die Anneliese Loose-Hartke Stiftung die Aktion „Weihnachten to go“ ins Leben gerufen. Ehrenamtliche verteilen während der Adventszeit Weihnachtsgeschenke an Menschen, die für die Weihnachtsfeiern angemeldet waren. „Und auf unserer Homepage finden die Menschen außerdem Filme, Musik, Gedichte, Fotos und Bremisches“, so Kuznetsov.
Das Sozialwerk der Freien Christengemeinde ist Träger der psychiatrischen Tagesstätte Nord an der Kirchheide. Seit 1988 kümmern sich die Mitarbeiter um psychisch kranke Menschen, die allein wohnen, in stationären Einrichtungen untergebracht sind oder ambulant betreut werden. „Das klassische Weihnachtsfest mit 70 Leuten entfällt natürlich“, betont Peter Toboll, Leiter der Tagesstätte. An Heiligabend und Silvester gäbe es anstelle des üblichen Buffets jeweils in zwei Schichten ein gemeinsames Frühstück mit wunschgemäß befüllten Tellern.
Vor Corona hatten wir hier täglich 50 bis 60 Besucher im Alter zwischen 20 und 75 Jahren", sagt Peter Toboll. "Aber dann kam der erste Lockdown, und wir haben im Frühjahr komplett geschlossen. Unser Haus ist für sie wie ein Zuhause. Deshalb sind wir froh, dass wir wieder aufmachen konnten." Seit Mitte Mai sei die Tagesstätte für die Stammgäste wieder geöffnet – mit einem speziellen Hygiene-Konzept.
Jeweils 15 Besucher können vormittags und nachmittags mit vorheriger Anmeldung in die Tagesstätte kommen, darunter auch Kinder und Jugendliche. "Seit Mai gibt es auch wieder Mittagessen im Haus. Wir kochen selbst, und manche Besucher helfen dabei. Die Masken werden gut akzeptiert", erzählt der 53-Jährige. "Viele Besucher haben Sorge, dass wir wieder ganz zumachen müssen", weiß Peter Toboll." Nun sei der Impfstoff für alle ein Hoffnungsschimmer.
Die Anneliese Loose-Hartke Stiftung unterstützt ambitionierte Zeitgenossen, die Weihnachtsfeiern für einsame und ältere Menschen organisieren möchten. Die Konzepte müssen den Corona-Auflagen entsprechen. Überzeugt das Konzept, gibt es Zuschüsse, damit Menschen gemeinsam feiern können. Infos unter: www.anneliese-loose-hartke-stiftung.de/kontakt