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Das Porträt Hart im Nehmen

Phil Szczesny ist Teil der deutschen Rugby-Nationalmannschaft und will mit dem Team Großes erreichen. Wenn er in Sachen Rugby nicht unterwegs ist, lebt der Sportsoldat in Verden.
02.04.2019, 18:00 Uhr
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Hart im Nehmen
Von Florian Cordes

Der Kaffee steht auf dem Tisch und duftet köstlich. Aus den Lautsprecherboxen ertönt Musik von Queen. Phil Szczesny macht es sich auf seinem großen Sofa gemütlich. Es ist ein ruhiger Nachmittag in seiner Wohnung inmitten der Verdener Innenstadt. Diese Ruhe ist aber das krasse Gegenteil zu dem, wenn Szczesny seinen Sport betreibt. Dann ist es vorbei mit Gemütlichkeit. Dann geht es zur Sache – und zwar so richtig. Der in Verden lebende Phil Szczesny ist Rugbyspieler. Sogar ein sehr erfolgreicher: Er ist Teil der deutschen 7er-Rugby-Nationalmannschaft. Mit diesem Team will Szczesny schon bald seinen größten Erfolg feiern.

Eines darf ein Sportler wahrlich nicht sein, wenn er Rugby spielt – zimperlich. „Ja, man muss schon hart im Nehmen sein“, sagt Phil Szczesny schmunzelnd. Seine Sportart ist rau. Körperlich geht es bei dem Spiel, das im 19. Jahrhundert in England entstanden ist, hart zu. Intensive Zweikämpfe und das Ringen um den Ball gehören beim Rugby schließlich zur Tagesordnung. Doch darüber, dass er das Spielfeld nach einer Partie nicht selten mit Blessuren verlässt, macht sich der 26-jährige Berufssoldat schon lange keine Gedanken mehr. Und Rugby sei nicht nur hart, sondern auch fair. Schauspielerische Einlagen – wie es in so manch anderen Sportarten zu bestaunen gibt – sind bei dem Spiel mit dem eiförmigen Ball nie zu sehen. Auch das mache den Reiz am Rugby aus, findet Szczesny: „Auf dem Feld geht es immer ordentlich zur Sache. Während des Spiels kannst du deinen Gegner noch so sehr hassen – nach der Partie ist wieder alles vergessen. Ich denke zudem, dass es unter Rubgyspielern ein größeres Gemeinschaftsgefühl gibt als zum Beispiel im Fußball.“

Dass sich der Verdener nicht mehr an der Härte seines Sports – den er als kräftig und schnell beschreibt – stört, liegt auch daran, dass er ihn schon sehr lange ausübt: Er hat in einem Alter angefangen, in dem andere Kinder Bauklötze aufeinanderstapeln oder im Sandkasten spielen. „Mit dreieinhalb Jahren habe ich mit dem Rugby begonnen. Wobei man da noch gar nicht von Rugby reden kann“, sagt Szczesny. „Da geht es viel mehr drum, dass man das richtige Fallen lernt. Es geht darum, sich zu bewegen. Das Training mit kleinen Kindern ähnelt eher Fangen spielen.“ Wobei damit schon von klein auf eine Grundlage des Rugbysports erlernt werde. „Schließlich geht es auch bei den Erwachsenen darum, dass man den Ballträger schnappt.“

Den Weg zum Rugby hat Phil Szczesny, der in der Nähe von Hannover aufgewachsen ist, durch seine Familie gefunden. Ein Teil von ihr ist quasi schuld daran, dass er seine sportliche Leidenschaft gefunden hat. „Mein Opa hat bereits Rugby gespielt. Genauso wie mein Onkel und mein Cousin. Ich wurde dann als Kind einfach mal mit zum Training genommen“, erinnert er sich.

Training ist auch heute noch ein wichtiger Bestandteil seines Alltags. Pro Tag absolviert der Sportsoldat im Olympiastützpunkt Hannover mehrere Einheiten. Rubgy spielen ist zu seinem Beruf geworden. Und der große Einsatz zahlt sich aus: Phil Szczesny hat es in Deutschland weit geschafft. Seit mehreren Jahren gehört er zum Kader des Bundesligisten Hannover 78. Für den Klub aus der niedersächsischen Landeshauptstadt spielt er das populärere 15er-Rugby. „Allerdings laufe ich für 78 nicht mehr so häufig in der Saison auf. Die Spiele kann man an einer Hand abzählen“, sagt der Verdener. Der Grund ist ein simpler: Szczesny konzentriert sich seit mehreren Jahren auf das 7er-Rugby.

Allzu viele Unterschiede gebe es zwischen den Varianten eigentlich nicht, erklärt er. Am auffälligsten sei, dass bei der einen 15 Spieler pro Team auf dem Feld stehen, bei der anderen eben nur sieben. „Ansonsten sind die Regeln gleich. Und auch die Spielfläche. Deshalb ist die Spielzeit im 7er auch wesentlich kürzer. Dafür trägt man bei einem Turnier mehrere Spiele an einem Tag aus.“ Das Hauptziel ist in beiden Varianten jedoch dasselbe: Die Teams versuchen, so oft wie möglich den Ball ins gegnerische Malfeld – im American Football würde man Endzone sagen – zu bringen. Schafft eine Mannschaft dies, wurde ein Versuch gelegt.

Das ist Phil Szczesny während seiner Laufbahn schon so einige Male gelungen. Ein Grund dafür, dass er Nationalspieler wurde. Mit der deutschen 7er-Rugby-Nationalmannschaft, die sich selbst als „Wolfpack“ bezeichnet, hat Szczesny in den vergangenen Jahren eine gute Entwicklung genommen. Das zeigen auch die Erfolge, die in der jüngeren Vergangenheit eingefahren worden sind. Im Jahr 2018 wurden Phil Szczesny und Co. Vize-Europameister hinter Irland. Auf diesen Erfolg ist der Sportsoldat besonders stolz.

Es gibt da aber auch einen zweiten Platz, der in ihm Trauer ausgelöst hat. Diesen hat Szczesny mit Deutschland 2017 bei den Hong Kong Sevens Qualifiers belegt. Bei diesem Turnier wird Jahr für Jahr ein Platz für die Weltserie – die World Rugby Sevens Series – vergeben. In der Weltserie treten die 15 besten 7er-Nationalmannschaften der Welt gegeneinander an. Und genau dort will Szczesny hin. Bislang ist Deutschland ein Platz in der Weltserie aber verwehrt geblieben: Vor zwei Jahren scheiterte das Team im Endspiel an Spanien. Die Iberer gewannen mit 12:7 und stiegen in die Weltserie auf. Auch 2016 stand Phil Szczesny in Hong Kong auf dem Feld. Damals schied Deutschland im Semifinale gegen Hong Kong aus.

In diesem Jahr ist Szczesny von Bundestrainer Vuyo Zangqa erneut für die Hong Kong Qualifiers nominiert worden. Das Turnier steht an diesem Wochenende an. In der Vorrunde geht es gegen Uganda, Chile und die Cookinseln. Diese drei Spiele sollen aber nur den Auftakt in Richtung World Series bilden. „Die Chancen, dass wir das Qualiturnier diesmal gewinnen, stehen gut“, schätzt Szczesny die Lage ein. „Ich freue mich auch schon auf die Atmosphäre. Es ist ein wahnsinniges Gefühl in einem Stadion zu spielen, in das mehr als 40 000 Zuschauer passen.“ Gelingt dem „Wolfpack“ der Sprung in die World Series, stünde für Szczesny eine Weltreise an. „Die Serie besteht aus zehn Turnieren, die von Dezember bis Juni ausgetragen werden. Ich wäre dann sechs Monate lang nur unterwegs“, sagt er. Auch wenn er seine Frau Anina, die beim TSV Morsum Handball spielt, derzeit aber eine Schwangerschaftspause einlegt, nicht häufig sehen würde, ist die Weltserie sein großes Ziel.

Während seiner Laufbahn musste Phil Szczesny aber auch so einige Rückschläge verkraften – aufgrund von Verletzungen. Eine ist ihm besonders im Gedächtnis geblieben. Im Jahr 2014 zog er sich während eines Spiels einen Leberriss zu. „Das war bei einem unglücklichen Zusammenstoß passiert. Zunächst gab es den Verdacht, dass ich mir eine Rippe gebrochen habe“, erinnert sich Szczesny. „Im Krankenhaus bin ich dann in Ohnmacht gefallen.“ Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Lage ernst war. Zweimal musste Szczesny operiert werden und verlor viel Blut. „Zudem wurde ich in ein künstliches Koma versetzt. Heute bin ich froh, dass ich noch hier sitze“, sagt Szczesny und tätschelt leicht sein Sofa. Er kehrte aber recht schnell wieder auf das Feld zurück. „Ein halbes Jahr nach dem Unfall habe ich wieder gespielt“, erzählt er und zeigt, dass Rugbyspieler ein anderes Schmerzempfinden haben: „Bei meiner Rückkehr habe ich mich anfangs schon ein bisschen unsicher gefühlt. Da war ein mulmiges Gefühl. Nach zwei, drei Spielen war das aber auch wieder weg.“ Seine jüngste Verletzung, die ihn für eine längere Zeit zum Pausieren zwang, war eine Meniskusverletzung. Daher verpasste er auch das Hong Kong Sevens 2018, bei dem Deutschland wieder erst im Finale gestoppt wurde. Durch eine 14:19-Niederlage gegen Japan wurde der Aufstieg in die World Series knapp verpasst.

Es ist Szczesnys großer Wunsch, dass er und sein Team in diesem Jahr das Turnier in Hong Kong gewinnen. Doch das ist nicht der einzige: Seit 2016 ist 7er-Rugby olympisch. Es sei das Ziel des gesamten „Wolfpacks“, im kommenden Jahr nach Tokio zu fliegen, um dort bei den Olympischen Spielen zu starten. In der Qualifikation zu den Spielen 2016 in Rio waren Szczesny und Co. an Samoa gescheitert. Doch diesmal soll es klappen. Und für Deutschland gibt es mehrere Wege nach Tokio. Entweder wird das „Wolfpack“ Europameister oder schnappt sich einen freien Platz, der in einer Qualifikationsrunde ausgespielt wird. Szczesny: „Bei Olympia zu spielen, ist natürlich der ganz große Traum.“ Doch zunächst steht die Erfüllung des anderen Traums oben auf der Prioritätenliste – ein Turniersieg in Hong Kong.

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