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Fast 20.000 Mitglieder Meinungen prallen in Delmenhorster Facebook-Gruppe aufeinander

Die größte Delmenhorster Facebook-Gruppe zählt fast 20.000 Mitglieder. Die Inhalte gehen über die Stadtgrenzen hinaus und Meinungen treffen aufeinander. Dabei geht es oftmals verbal hart zur Sache.
19.01.2024, 17:44 Uhr
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Meinungen prallen in Delmenhorster Facebook-Gruppe aufeinander
Von Desiree Bertram

Welche Bäckereien an Feiertagen geöffnet haben, wie sich manch eine Baustelle geschickt umfahren lässt oder wann Veranstaltungen in der Stadt geplant sind – die Anliegen, über die Menschen in Facebook-Gruppen austauschen, sind vielfältig. Sucht man spezifisch unter dem Stichwort "Delmenhorst" nach Gruppen in dem sozialen Netzwerk, werden nach wenigen Sekunden mehr als 100 Ergebnisse angezeigt. Vertreten sind digitale Versammlungen zu verschiedensten Themen, jeweils mit sehr variierenden Teilnehmerzahlen. Die größte auf Delmenhorst bezogene Ortsgruppe "Delmenhorst Unsere Stadt" zählt fast 20.000 Mitglieder. Täglich tauschen sich zahlreiche Facebook-Nutzer über dieses Forum aus – die Inhalte gehen dabei regelmäßig über die Stadtgrenzen hinaus und unterschiedliche Meinungen treffen aufeinander. Dadurch geht es oftmals verbal hart zur Sache.

Neben hilfreichen Beiträgen zu alltäglichen Belangen in Delmenhorst werden seit einigen Wochen vermehrt Postings zu politischen Debatten oder über das weltweite Kriegsgeschehen geteilt. Auch in Zusammenhang zu den Bauernprotesten der vergangenen Woche entfachten hitzige Diskussionen unter einigen Gruppenmitgliedern. Es scheint, als würden manche Menschen das Portal nicht nur zum Informationsaustausch nutzen – sondern, um gezielt bestimmte politische Meinungen kundzutun. Dies geht nach Informationen unserer Redaktion so weit, dass in der Gruppe "Delmenhorst Unsere Stadt." jeweils anderen Ansichten teils kein Raum geboten wird. So forderte etwa ein Admin, also die Person, die diese Gruppe betreut und verwaltet, dass nichts mehr pro Bauern-Demo veröffentlicht werden solle. Der Gegenwind einiger Gruppenmitglieder war daraufhin gewaltig. Während manch ein Nutzer versuchte, zu erklären, warum jeder Mensch von der Arbeit der Bauern profitiere, kritisierten andere das Fehlverhalten des Gruppenchefs. In den dazugehörigen Kommentaren schrieben Delmenhorster vom fehlenden Recht der freien Meinungsäußerung und ärgerten sich darüber, dass er "offensichtlich Landwirte negativ darstellen" wolle. "Warum sollte das Thema hier nicht geduldet werden, aber andere und durchaus weitreichendere politische Beiträge sind in Ordnung?", fragte ein Mitglied.

Meinungsfreiheit hat eine Grenze

Egal, ob im echten Leben oder in der digitalen Welt, wo viele Menschen zusammenkommen, prallen auch viele Meinungen aufeinander. Und gerade im Internet können mit nur einem Mausklick Hassbotschaften und Verunglimpfungen in die Welt gelangen und sich schnell und unkontrolliert verbreiten, sagt Delmenhorsts Polizeisprecher Albert Seegers: "Umso wichtiger ist es, aktiv gegen Hass im Netz vorzugehen." Persönliche und politische Ansichten sowie persönliche Wertungen von Tatsachen fallen unter die Meinungsfreiheit und dürfen frei geäußert werden, erklärt er: "Wird damit aber die Würde eines Menschen angegriffen, ist die Grenze der Meinungsfreiheit erreicht." Das gelte im Internet wie auch im echten Leben. Diffamierende, diskriminierende und hasserfüllte Beiträge im Internet verstoßen gegen die Rechte und Würde eines jeden Menschen. "Betroffene haben mehrere juristische Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren, etwa durch eine Strafanzeige", sagt Seegers. Wenn Inhalte volksverhetzend sind und die Allgemeinheit betreffen, könne jede Person diese zur Anzeige bringen – egal ob sie selbst betroffen ist oder diese Äußerungen beobachtet hat.

Zudem haben Mitlesende die Möglichkeit zur „Counterspeech“. Die Gegenrede kann laut Seegers in vielen Fällen eine gute Möglichkeit sein, um auf Hass im Netz zu reagieren. Denn dabei wird auf die Hassnachrichten eingegangen, anstatt sie zu melden oder zu ignorieren. Abwertende Kommentare, Falschaussagen, Beleidigungen oder Drohungen bleiben so nicht unwidersprochen im Netz stehen, sagt der Polizeisprecher: "Sie werden gezielt mit guten Argumenten entkräftet." Gleichzeitig werde Solidarität mit der angegriffenen Person gezeigt.

Gefühlte Anonymität im Netz

Verantwortlich für die Inhalte in den sozialen Medien sind der Dienstanbieter, wie etwa Facebook, und der Verfasser der Inhalte. Den Dienstanbietern könne aber nicht zugemutet werden, gepostete Inhalte stets zu überprüfen und zu überwachen. Aufgrund der Unmengen an Inhalten ist das vermutlich auch gar nicht möglich, sagt Seegers: "Gleiches gilt für die Strafverfolgungsbehörden, in ihrem Fall für uns als Polizei Delmenhorst." Werden durch Polizeibeamte Straftaten im Internet festgestellt, werden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Jeder Nutzer kann zudem strafbare Inhalte per Bildschirmaufnahme sichern und zur Anzeige zu bringen. In Niedersachsen ist dafür die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet – Niedersachsen (ZHIN) zuständig. Strafbare Inhalte müssen gelöscht werden. "Alles, was im echten Leben strafbar ist, stellt auch im Internet eine Straftat dar", mahnt Seegers. Möglicherweise werde das in Verbindung mit der gefühlten Anonymität im Internet unterschätzt.

Zudem tun Menschen in der Gruppe "Delmenhorst Unsere Stadt." ihren Unmut zu städtischen Belangen kund. Bei Facebook ist die Stadtverwaltung nicht mit einem eigenen Kanal vertreten, sagt Stadtsprecher Timo Frers: "Fragen beantworten wir unter anderem über Instagram." Die Anliegen der Menschen haben eine große Bandbreite – von Öffnungszeiten bis Ansprechpartnern für Wohngeld oder andere Leistungen. Dass in Facebook-Gruppen oft nicht positiv über die Stadtverwaltung geschrieben wird, ist ihm bewusst. Die Frage sei, welches Ziel der jeweilige Beitragsersteller verfolgt. Also ob es darum geht, ein mögliches Problem anzusprechen, um es wirklich lösen zu wollen. Frers empfiehlt den Menschen, selbst aktiv zu werden und verweist auf das über verschiedenste Kanäle zugängliche Kontaktformular der Stadt Delmenhorst, in dem Bürger ihre Kritik loswerden können: "Die Anliegen werden weitergeleitet und ernst genommen."

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