Nach Spielschluss flossen auf Seiten der SGS Essen bei der untröstlichen Natasha Kowalski die Tränen. Beim SV Werder dagegen strahlte die jüngste Spielerin im Stadion an der Hafenstraße, Hannah Etzold, wie nach einem großen Sieg. Die 17-jährige Torhüterin der Bremerinnen war wohl die einzige gefühlte Siegerin in dieser Partie, denn sie hielt bei ihrem Debüt in der Fußball-Bundesliga der Frauen ihr Tor sauber. Ein bisschen Glück hatte sie auch, dass Kowalski in der 87. Minute einen umstrittenen Handelfmeter an die Latte schoss und es im Duell zweier Abstiegskandidaten beim 0:0 blieb.
Allerdings hilft das Remis dem SV Werder am Tabellenende nicht weiter. Mit jetzt drei Punkten ist er weiter erfolglos. Das Team von Trainer Thomas Horsch liegt als Vorletzter weiterhin vier Punkte hinter dem rettenden zehnten Platz, den die Essenerinnen einnehmen. "Ich bin enttäuscht", resümierte Horsch, "eigentlich muss ich noch froh sein über das Unentschieden." Dabei dachte der 54-Jährige natürlich an den Elfmeter, den nicht nur er für fragwürdig hielt.
Auch für Stürmerin Maja Sternad war der Strafstoß unberechtigt. Aus nächster Nähe war Kapitänin Lina Hausicke von Maike Berentzen angeschossen worden, Schiedsrichterin Riem Hussein zeigte aber sofort auf den Punkt. Die erst fünf Minuten zuvor eingewechselte Natasha Kowalski schnappte sich den Ball, touchierte mit dem Schuss jedoch die Latte und bewahrte Werder so vor dem schlechtesten Szenario des Tages. Statt sieben Punkten Rückstand auf das rettende Ufer blieb es wenigstens bei vier.
Wenn die Gäste endlich ihren ersten Sieg eingefahren hätten, was mit etwas mehr Glück durchaus möglich war, wäre das Debüt von Hannah Etzold eine traumhafte Geschichte geworden. "Für müssen uns bei ihr bedanken", sagte Thomas Horsch. Weil nach Lena Pauels mit Anneke Borbe, die sich im Training an der Hand verletzt hatte, auch die zweite Torhüterin ausgefallen war, schlug die Stunde von Hannah Etzold. Sie hatte als dritte Torhüterin mit der deutschen Nationalmannschaft vor einigen Wochen an der U17-WM teilgenommen und bewies in Essen einmal mehr ihr großes Talent. Ein paar Mal riskierte sie Kopf und Kragen, um ein Gegentor zu verhindern. Fast alle Flanken fing sie sicher ab, nur einmal hielt sie in Bedrängnis den Ball nicht fest, doch den folgenden Schuss von Annalena Rieke (81.) wehrte Hannah Nemeth gerade noch zur Ecke ab.
Insgesamt hatten die Essenerinnen mehr vom Spiel und auch die gefährlicheren Torszenen. "Wir haben es nicht geschafft, uns entscheidend durchzusetzen", sagte Thomas Horsch. Es ist in dieser Saison das große Problem seiner Mannschaft: Magere fünf Treffer in neun Spielen belegen die Angriffsschwäche des SV Werder, dem in kämpferischer Hinsicht auch an der Hafenstraße nichts vorzuwerfen war. Doch vorne fehlte es erneut an der Effizienz. Schon in der siebten Minute bot sich Maja Sternad nach tollem Steilpass von Rieke Dieckmann die Chance zur Führung, doch der angedachte Heber über Torfrau Sophia Winkler hinweg missriet der Angreiferin komplett. Kurz darauf verzettelte sich Reena Wichmann nach Pass von Lina Hausicke in aussichtsreicher Position im Strafraum.
Lina Hausicke gegen Hoffenheim gesperrt
Das war es aber auch weitgehend mit der Herrlichkeit der Gäste im Angriff. Anders die SGS Essen, die dem zweiten Sieg gegen Werder innerhalb von 15 Tagen deutlich näher war. Im Pokal hatte das Team einen Elfmeter zum 1:0 genutzt, diesmal nicht. Bitter für Werder allerdings: Lina Hausicke kassierte vor dem Strafstoß ihre fünfte Gelbe Karte in dieser Saison, sodass sie am kommenden Sonntag um 16 Uhr im Heimspiel gegen Hoffenheim gesperrt fehlen wird.
Doch bei aller Enttäuschung über den verpassten ersten Saisonerfolg war nicht alles schlecht bei Werder. Die Mannschaft, das bewies sie mit ihrem großartigen Einsatz, glaubt weiter an ihre Chance. Dass sie vor allem in der Offensive derzeit sehr limitiert ist, zieht sich wie ein roter Faden durch die bisherigen neun Spieltage. Diese Schwäche auf Knopfdruck abzustellen, geht nun mal nicht.
Es spricht auch für Mannschaft und Trainer, dass sie nicht über ihre Personalprobleme klagen. Vor der Partie gegen Essen war neben Anneke Borbe auch Katharina Schiechtl ausgefallen, deren Sehnenverletzung aus der Vorwoche gegen Freiburg auch im letzten Auftritt des Jahres gegen Hoffenheim ihren Einsatz nicht zulassen wird. Dass mit Agata Tarczynska seit Wochen eine wichtige Stürmerin fehlt, erwähnt im Lager des SVW schon niemand mehr.
Die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus dem 0:0 in Essen sollte jedoch sein, dass nach neun von 22 Spieltagen noch nichts Entscheidendes passiert ist. "Der Punkt ist auf jeden Fall wichtig für uns", bilanzierte Hannah Etzold. Vier Zähler Rückstand lassen sich noch aufholen, wovon auch Maja Sternad überzeugt ist. "Wir geben immer 100 Prozent, aber vorne fehlt uns auch das Glück." Das muss aber ja nicht immer so bleiben.