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Zurück auf den Platz Ex-Augsburg-Profi Hahn verrät im Interview, warum er Werder absagte

Der gebürtige Otterndorfer erklärt, warum er einst nicht zu Werder, sondern zu Borussia Mönchengladbach gewechselt ist und welche Pläne er nach der Karriere verfolgt.
08.12.2023, 15:19 Uhr
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Von mwi

Sechseinhalb Jahre lang hat André Hahn in der Bundesliga für den FC Augsburg gespielt (von 2013 bis 2014 und von 2018 bis 2023), doch im Sommer ist sein Vertrag bei den Fuggerstädtern wegen einer Knieverletzung nicht verlängert worden. Seitdem kämpft der aktuell vereinslose Stürmer täglich für sein Profi-Comeback. Vor dem Augsburger Gastspiel an der Weser (Sonnabend, 15.30 Uhr) spricht der 33-Jährige mit unserer Deichstube im Interview über das enttäuschende Aus beim FCA, Rückschläge in der Reha und seine Bremer Vergangenheit. Zudem verrät der gebürtige Otterndorfer, warum er einst nicht zu Werder, sondern zu Borussia Mönchengladbach gewechselt ist und welche Pläne er nach der Karriere verfolgt.

André Hahn, das Wichtigste zuerst: Wie geht es Ihnen?

Mir geht es gut. Ich bin in der Reha und arbeite weiter an meinem Knie, soweit ist alles in Ordnung.

Sie haben sich im Oktober 2022 im Spiel gegen Schalke einen Knorpelschaden zugezogen und seitdem eine lange Leidenszeit mit drei Operationen hinter sich. Wann sehen wir Sie wieder auf dem Rasen?

Das ist eine sehr gute Frage, die ich leider noch nicht beantworten kann. Ich hoffe bald, aber es zieht sich, es ist eine schwerwiegende Verletzung, und ich hatte leider immer wieder kleine Rückschläge. Von daher kann ich noch kein genaues Datum sagen, an dem ich wieder auf dem Platz stehen werde.

Wie muss man sich aktuell einen typischen Tagesablauf im Leben von André Hahn vorstellen?

Ich bin in der Regel am Tag vier bis sechs Stunden in der Reha. Ich trainiere meist vormittags, habe dann Behandlung und trainiere danach noch mal. Das Ganze mache ich fünf Tage die Woche. Ich arbeite hart an meinem Comeback.

Sie sind jetzt 33 Jahre alt, haben in Ihrer Karriere 250 Bundesliga-Spiele bestritten. Haben Sie bei all den Strapazen in der Reha nicht auch mal über ein sofortiges Karriereende nachgedacht?

Natürlich ist es alles nicht so einfach in meinem Alter mit so einer Verletzung. Da durchspielt man gedanklich schon viele Szenarien. Aber ich will definitiv wieder auf den Platz zurückkehren und mein Comeback geben – das ist mein Ziel. Dafür schufte ich täglich.

Als Fußballer auf dem Platz stehen, ist der schönste Beruf, den es gibt.

Muss ihr neuer Verein zwingend in der Bundesliga spielen oder sind Sie auch offen für „kleinere Ligen“ oder das Ausland?

Klar, kann ich mir das vorstellen. Ich bin da offen. Als Fußballer auf dem Platz zu stehen, ist der schönste Beruf, den es gibt. Da spielt die Liga gar nicht unbedingt die größte Rolle.

Als Bundesliga-Profi hatten Sie insgesamt sechseinhalb sehr erfolgreiche Jahre in Augsburg, wurden 2014 sogar zum Nationalspieler. Im Sommer ist Ihr auslaufender Vertrag wegen der Verletzung dennoch nicht verlängert worden. Wie groß war die persönliche Enttäuschung darüber?

Die Enttäuschung war natürlich riesengroß, auch wenn ich mit ein bisschen Abstand aufgrund meines Alters und der Situation schon Verständnis für den Verein habe. Aber in den letzten fünf Jahren in Augsburg habe ich ganz viel miterlebt und mitgemacht und eine sehr tiefe Verbindung dahin aufgebaut. Als dann klar war, dass es nicht mehr weitergeht, ist für mich schon eine kleine Welt zusammengebrochen. Dennoch sind wir im Guten auseinandergegangen und ich habe auch heute noch einen guten Draht zum Verein.

Am Samstag trifft Ihr Ex-Club in Bremen auf den SV Werder. Der FCA steht in der Tabelle aktuell deutlich besser da, hat sechs Punkte mehr auf dem Konto. Was erwarten Sie für ein Spiel?

In Bremen haben wir uns mit Augsburg immer schwergetan, das war immer ein ekliges Spiel. Werder hat ein echt schönes Stadion, wo alle immer gerne hinfahren. Sie haben coole Fans. Für Bremen ist es enorm wichtig, jetzt vor der Winterpause noch Punkte zu sammeln. Sie haben nur zwei Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone. Deswegen glaube ich, dass sie kämpfen und alles in die Waagschale werfen werden und dass sie dabei wieder eine riesige Unterstützung von den Fans haben werden, um es Augsburg so schwer wie möglich zu machen. Augsburg ist aufgrund der letzten Spiele und der Tabellensituation gut in Fahrt. Sie haben die letzten sechs Spiele nicht verloren mit dem neuen Trainer und machen einen stabilen Eindruck.

Was denken Sie: Warum verliert Augsburg seit dem Trainerwechsel von Enrico Maaßen zu Jess Thorup plötzlich nicht mehr?

Die Mannschaft hat sich total stabilisiert, steht hinten deutlich sicherer, ist nach vorne wieder gefährlich und spielt wieder besseren Fußball. Zudem kämpfen sie den Gegner nieder – sie bringen im Moment die Augsburger Tugenden, die uns jahrelang ausgezeichnet haben, wieder auf den Platz und haben dazu diesen Lauf und das nötige Quäntchen Glück. Es macht Spaß, ihnen zuzugucken.

Durch unsere gemeinsame Heimat im Norden haben wir eine gute Verbindung und gute Gesprächsthemen gehabt.

Unter Maaßen haben Sie selbst noch gespielt. Wie haben Sie persönlich den Trainerwechsel erlebt?

Mit „Enno“ kam ich sehr gut zurecht, er ist ein ganz feiner Mensch. Ich mochte ihn total gerne, leider hatte ich nicht so viel Zeit unter ihm, nur die Vorbereitung und die ersten neun Spiele bis zu meiner Verletzung. Durch unsere gemeinsame Heimat im Norden haben wir eine gute Verbindung und gute Gesprächsthemen gehabt. Ich fand ihn super als Trainer, aber anscheinend konnte er mit der Mannschaft nicht das umsetzen, was er sich vorgenommen hatte. Für ihn war es aber auch die erste Bundesliga-Station als Trainer, das darf man nicht vergessen. Ich ziehe meinen Hut davor, wie er es gemacht hat. Jetzt hat Augsburg mit Thorup einen erfahrenen Trainer geholt, der das Geschäft kennt, auch schon Titel gewonnen hat und weiß, wie es läuft. Vielleicht kommt er durch seine Erfahrung noch einmal anders an die Mannschaft ran. Was er genau anders macht, kann ich nicht sagen.

In den vergangenen beiden Jahren gab es für den FCA jeweils eine Zitter-Saison mit Platz 15 und 14 und der Rettung kurz vor Schluss. Wird in dieser Spielzeit der Klassenerhalt früher gesichert?

Wenn sie das Pensum der letzten sechs Spiele ansatzweise so beibehalten können, dann landen sie am Ende im gesicherten Mittelfeld. Ich denke nicht, dass sie dieses Jahr so viel mit dem Abstieg zu tun haben werden und wünsche mir natürlich, dass Augsburg die Klasse hält.

Der SV Werder steckt auch dieses Jahr mittendrin im Abstiegskampf. Sind Sie überrascht, dass die Bremer wieder ein Kellerkind sind?

Ich hätte zumindest nicht gedacht, dass Werder so nah an der Abstiegszone ist. Ich habe sie auf einem gesicherten Mittelfeldplatz erwartet, weil sie aus meiner Sicht eine gute Qualität im Kader haben. Aber so, wie man es liest und mitbekommt, ist die finanzielle Situation in Bremen nicht so einfach. Ich bin aber dennoch überzeugt davon, dass sie da unten wieder rauskommen werden.

Als Nordlicht haben Sie für den HSV und den FC Oberneuland gespielt. Warum sind Sie eigentlich nie bei Werder gelandet?

Ich hatte mit 13 oder 14 Jahren mal ein Probetraining bei Werder. Da bin ich nicht genommen worden, aber da war ich auch noch nicht ganz so weit. Dann hatte ich zu Bremen eigentlich nie wieder Kontakt, nur während meiner ersten Zeit in Augsburg, als ich einen starken Lauf hatte und am Ende auch in die Nationalmannschaft berufen wurde. Bevor ich nach Gladbach gegangen bin, hat Bremen auch angefragt.

Warum wurde es Gladbach und nicht Werder?

Zu der Zeit hatte ich sehr viele Angebote – auch von sehr namhaften Clubs. Gladbach hat damals international gespielt, ich habe mich mit Trainer Lucien Favre und Max Eberl getroffen, wir hatten ein gutes Gespräch, und ich hatte bei Gladbach ein gutes Gefühl. Es hat einfach gepasst, und deswegen habe ich mich für sie entschieden. Das war definitiv die richtige Wahl. Es war eine sehr schöne Zeit. Aber es war keine Entscheidung gegen Bremen, sondern eine Entscheidung für Gladbach.

Dabei hatte man Ihnen in der U 23 des HSV einst mitgeteilt, dass Sie es nie in die Bundesliga schaffen würden. Nur Ihr Vater und Sie selbst haben daran geglaubt. Über den Umweg FC Oberneuland haben Sie es dann geschafft. Dabei hätten Sie damals fast die Flinte ins Korn geworfen. Denken Sie noch oft an diese Zeit zurück?

Ja, das kommt schon immer wieder mal hoch, weil es mich sehr geerdet hat und bodenständig hält. Wenn man mal realisiert, dass ich in Oberneuland eigentlich mit Fußball aufhören wollte – ich hatte ja schon meine Kündigung eingereicht. Dann musste ich beim FCO zum Präsidenten zum Rapport und der hat mich richtig rundgemacht, wie ich es wagen könne, zu kündigen. Mein Trainer Mike Barten hat mich damals noch in Schutz genommen. Das war sechs Spiele vor der Winterpause, und ich hatte bis dahin ein Saisontor und kein Angebot. Für mich war da klar: Ich mache jetzt Schluss mit Fußball und fange im Versicherungsbüro meines Vaters an. Ab da war das sportlich für mich wie eine Befreiung, und ich habe plötzlich noch sechs Tore geschossen. Dann hat mich die TuS Koblenz im Winter angerufen, und dann bin ich dorthin in die 3. Liga gewechselt. Eigentlich war es schon das Ende meiner Laufbahn. Wenn man sieht, was am Ende noch rausgekommen ist, denkt man: „Krass, so schnell kann es gehen!“

Damals mussten Sie mit ein paar Hundert Euro im Monat über die Runden kommen, weil der Club klamm war. Inwieweit helfen Ihnen solche Erfahrungen heute dabei, mit schwierigen Situationen besser umzugehen?

Definitiv hilft das. Es war eine ganz schwierige Zeit beim FC Oberneuland, das Geld kam nie, wir haben mit vielen Spielern in einer WG gewohnt. Zum Glück hatte ich von zu Hause ein bisschen finanzielle Unterstützung. Aber wenn man diese Zeit übersteht, seinen Traum weiterlebt und sich durchbeißt, dann hilft das extrem fürs weitere Leben.

Wie groß ist heute noch Ihre Verbindung zu Bremen?

Direkte Verbindungen habe ich nicht mehr, aber ich komme ja aus Cuxhaven, das ist nur eine Stunde von Bremen entfernt. Also fahre ich immer wieder an der Stadt vorbei und verfolge die Werder-Spiele. Viele Freunde von mir sind Werder-Fans, dementsprechend habe ich da immer ein Auge drauf, weil ich den Verein cool und sympathisch finde. Es hat mir immer riesig Spaß gemacht, in Bremen zu spielen – vor der Kulisse. Das waren immer geile Duelle.

Sie leben mittlerweile mit Ihrer Familie in der Nähe von Offenbach, der Heimat Ihrer Frau. Warum hat es Sie nicht zurück in den Norden nach Cuxhaven und an den Deich gezogen?

Wir haben uns gegen Cuxhaven entschieden, weil uns da ein bisschen zu wenig los ist. Ich bin aber ein paar Mal im Jahr super gerne da, genieße es auch jedes Mal und mag die Luft. Ich habe da auch ein Haus. Als mein Papa 2017 verstorben ist, habe ich unseren Hof geerbt, das habe ich alles noch. Da habe ich einen Rückzugsort und kann vom Wohnzimmer aus aufs Meer gucken. Es ist wunderschön da, aber so nach fünf Tagen reicht es mir dann meist. Hier leben wir in einem Dreieck zwischen Offenbach, Frankfurt und Darmstadt – da ist immer was los, wir haben immer Action. Wir haben hier familiäre Unterstützung für die Kinder von meinen Schwiegereltern, und weil meine Frau von hier kommt, hatten wir vorher schon einen gemeinsamen Freundeskreis. Auch, weil ich ja für Offenbach gespielt habe.

Bei Eintracht Frankfurt soll es damals ziemlich gekracht haben, als Sie vom Nachbarn aus Offenbach nach Augsburg gewechselt sind und von der SGE übersehen wurden…

Ja, das habe ich auch gehört. Ich wäre zu der Zeit beinahe in der 2. Liga gelandet. Ich war schon fast mit dem FSV Frankfurt einig. Damals habe ich mich mit Trainer Benno Möhlmann zum Essen getroffen und ihm danach im Grunde schon mündlich zugesagt, dass ich im nächsten Sommer komme. Ich konnte mir das gut vorstellen, den Schritt von der 3. in die 2. Liga. Ich hätte nicht umziehen müssen, und es wäre trotzdem ein Riesensprung gewesen. Aber dann hat Augsburg im Winter angerufen und wollte mich direkt für die Bundesliga.

Während Ihrer ersten Zeit beim HSV haben Sie eine Ausbildung zum Autolackierer absolviert. Ihr Vater war Versicherungskaufmann und lange Jahre Ihr Berater. Wäre das nach der Karriere auch ein Job für Sie, oder welche Pläne verfolgen Sie nach der aktiven Laufbahn?

Ich habe schon darüber nachgedacht, ob das mal etwas für mich sein könnte. Aber ich glaube, ich bin einfach nicht der Typ, der den ganzen Tag im Büro sitzt und telefoniert. Ich brauche einfach den Rasen, den Fußballplatz, den Geruch, die Bälle und gar nicht so sehr das ganze Drumherum, auch wenn das super interessant ist. Aber wenn ich sehe, was mein Berater (Volker Struth, d. Red.) alles macht, wie oft der am Telefon hängt und hier und dort hinfliegt. Da arbeite ich lieber täglich auf dem Platz und sehe, wie sich die Spieler entwickeln.

Sie wollen also definitiv weiter im Fußball arbeiten?

Eigentlich habe ich immer gesagt, dass ich nach meiner Karriere gar nicht unbedingt im Fußball bleiben will. Nachdem ich jetzt aber so lange nicht auf dem Platz stand, habe ich gemerkt, wie sehr es mir fehlt und dass ich gar nicht anders kann. Parallel zur Reha habe ich gerade meinen ersten Trainerschein gemacht – meine B-Lizenz. Ich könnte also alles bis einschließlich Oberliga trainieren. Da will ich auch in Zukunft dranbleiben und nach der Karriere meine Lizenzen weitermachen. Meine Erfahrungen eines Tages mal als Trainer oder Co-Trainer weiterzugeben, könnte ich mir gut vorstellen.

Sie haben ein Länderspiel für Deutschland absolviert und mit Gladbach in der Champions League gespielt. Was war Ihr persönliches Karriere-Highlight?

Mein größtes Highlight war tatsächlich mein allererstes Bundesliga-Spiel mit Augsburg. Ich bin damals aus der 3. Liga aus Offenbach im Winter zum FCA gewechselt. Augsburg war mit neun Punkten zur Winterpause schon abgeschrieben. Die haben mich verpflichtet, und ich dachte, die holen mich, wenn sie absteigen, für die 2. Liga. Deswegen habe ich mir zu Anfang gar nicht so viel Hoffnung gemacht und gedacht: „Okay, geil. Du bist jetzt ein halbes Jahr in der ersten Liga, nimmst das alles mit, kannst mit den Jungs trainieren und in der 2. Liga greifst du dann richtig an!“ So war der Plan.

Und dann?

Habe ich am Mittwoch das erste Mal trainiert mit den Jungs. Am Freitag stand ich auf einmal im Kader, damit hatte ich schon überhaupt nicht gerechnet. Und am Samstag habe ich dann gleich meinen ersten Einsatz bekommen. In dem Moment habe ich realisiert: Mein Traum ist wahr geworden! Es waren nur drei, vier Minuten, aber die nimmt mir nie wieder jemand. Die werden ewig in meiner Vita stehen. Das war für mich der krasseste Moment, als abgepfiffen wurde und ich gecheckt habe: Jetzt bist du Bundesliga-Spieler.

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