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Bremer treffen auf Köln „Werder hat nichts zu verlieren“: Experte Jonas Hummels im Interview

Wenn der SV Werder Bremen am Freitagabend beim 1. FC Köln antritt, werden Fans das Spiel live beim Pay-TV-Sender Dazn verfolgen – und dann auch die Stimme von Jonas Hummels hören.
15.02.2024, 12:16 Uhr
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„Werder hat nichts zu verlieren“: Experte Jonas Hummels im Interview
Von Mario Nagel

Jonas Hummels, Sie haben den SV Werder in dieser Saison schon mehrfach kommentiert. Wie schätzen Sie die Bremer ein?

Jonas Hummels: Sie stehen in der Tabelle wesentlich besser da, als ich das erwartet habe. Ich habe vor der Saison damit gerechnet, dass es eher ein schwieriges Jahr für Werder wird und dass sie vielmehr gegen den Abstieg spielen. Von daher bin ich positiv überrascht.

Werder war sieben Spiele ungeschlagen. Nun gab es ausgerechnet im Heimspiel gegen Heidenheim, das im Zeichen des 125-jährigen Jubiläums stand, eine Niederlage. Wie haben Sie die Partie gesehen?

Es war nicht das beste Spiel, so ehrlich muss ich sein. Es war erstaunlich, dass sich Werder den Schneid hat abkaufen lassen. Heidenheim hat aktuell aber auch eine gute Serie. Als Außenstehender fand ich das Drumherum sehr cool, weil viele Werder-Legenden wie Diego da waren. Für die Werder-Fans war die Niederlage natürlich schade.

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Jetzt wartet das Auswärtsspiel beim 1. FC Köln – glauben Sie, dass Werder die richtige Reaktion zeigen kann?

Der Druck auf Werder ist doch gar nicht so hoch, weil die Saison bisher gut gelaufen ist. Sie stehen weit weg von den Abstiegsplätzen, deshalb ist das Spiel in Köln jetzt super praktisch, weil Werder nichts zu verlieren hat. Im Gegensatz zum 1. FC Köln, der schon ziemlich unter Druck steht.

Erst spielt Werder in Köln, dann wartet das Heimspiel gegen Darmstadt. Es gibt Fans, die befürchten, dass die Bremer doch nochmal in den Abstiegskampf rutschen…

Also erstens sind die Fans meistens etwas pessimistischer, weil man eher geneigt ist zu sagen: ,Die Mannschaft ist schlecht´ oder ,Typisch, Werder´. Die Sicht ist also etwas verzerrt. Und zweitens hat Werder zuletzt doch viele Punkte geholt und teilweise guten Fußball gezeigt. Dementsprechend finde ich die Gefahr nicht so gegeben. Bremen hat ja schließlich gezeigt, dass man über die Saison gesehen besser ist als die Vereine, die unten stehen. Werder hat 14 Punkte Vorsprung auf die direkten Abstiegsplätze, das ist ja Wahnsinn. Die anderen Teams müssen erstmal die Punkte holen, deshalb hat Werder eigentlich weniger Druck.

Köln gegen Werder, das ist auch ein Duell zweier Traditionsteams, in einem großen Stadion mit vielen Fans – es werden etwa 7000 Bremer Anhänger vor Ort sein. Was bedeutet es Ihnen, so ein Spiel zu kommentieren?

Ich mag guten Fußball. Das heißt nicht, dass das Niveau der Spieler sehr hoch sein muss, sondern guter Fußball kann auch Spannung und Emotionen sein. Aber deshalb ist es mir völlig egal, ob da ein Verein spielt, der 2009 gegründet wurde oder 1899. Ich kann mich für Spiele begeistern, wenn die Teams ein gutes Fußballspiel zeigen. Vor allem, weil ich während des Spiels im Tunnel bin. Man ist hochkonzentriert und bekommt teilweise gar nicht so viel von der Stimmung mit. Deswegen ist es für mich unerheblich, ob da Traditionsvereine spielen, oder nicht.

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Wie bereiten Sie sich auf die Spiele vor, die Sie kommentieren?

Ich schaue in der Regel immer die vorherigen Spiele der Teams an, was manchmal wirklich zäh ist, weil man das Ergebnis ja schon kennt (lacht). Das ist also gar nicht so einfach, auch wenn ich die Spiele vor allem aus analytischen Gründen schaue. Ich gucke mir dann an, wie die jeweilige Mannschaft spielt und was mich für ein Spiel erwarten könnte. Bremen ist zum Beispiel schlecht im Verteidigen von Kontern, Köln kontert dagegen sehr gut. Das könnte also etwas sein, das Köln im Spiel umsetzen will. Meine Aufgabe als Experte ist ja der erklärende Part, weshalb ich mir Fragen stelle wie: Wie ist Werder die letzten Auswärtsspiele angegangen? Stellen sie sich hinten rein oder gehen sie vorne drauf? Und dann kann ich während des Spiels erklären, was Werder vielleicht anders macht oder welche wiederkehrenden Muster es in den Abläufen gibt. Darüber hinaus schaue ich mir viele Daten und natürlich auch die Pressekonferenzen an.

Wo hat Werder denn noch Verbesserungsbedarf?

Bremen verteidigt eher schlecht im Eins-gegen-Eins. Sie spielen mit fünf Verteidigern – und das nicht ohne Grund, weil sie es zu viert einfach nicht können. Generell gibt es bei Werder oft verantwortungsdiffuse Situationen, nach dem Motto: Nominell sind es fünf Verteidiger, also muss der Einzelne gar nicht unbedingt den Zweikampf gewinnen. Ich habe das zweite Tor von Heidenheim noch genau im Kopf – das Tor darf niemals fallen. Das ist eigentlich nicht mal eine Torchance, aber Werders Verteidiger sehen da ganz schlecht aus.

Und was macht Werder ganz gut?

Werder hat eine relativ pragmatische Spielweise: Sie spielen ziemlich viele lange Bälle, schlagen viele Flanken, haben viele Spieler im gegnerischen Strafraum und hoffen, dass so etwas passiert – was ich aber grundsätzlich gar nicht schlecht finde. Ich mag das Pragmatische. Ole Werner weiß genau, was er für Spieler hat und was die können. Dann gefällt mir die Strafraumbesetzung: Der kleine Romano Schmid macht gegen Heidenheim aus dem Spiel heraus ein Kopfballtor, was aber vor allem daran liegt, dass noch vier andere Werder-Spieler im gegnerischen Strafraum waren. Das finde ich geil, denn das ist super mutig, und es macht Spaß, sich das anzuschauen.

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Ole Werner wird teilweise vorgeworfen, taktisch nicht so variabel zu sein. Wie sehen Sie das?

Urs Fischer hat bei Union Berlin fünf Jahre lang denselben Fußball spielen lassen. Die haben auch immer das gleiche gemacht - und du hattest trotzdem keine Chance, das zu verteidigen. Das ist doch auch völlig legitim, wenn man ein Mittel hat, das gut funktioniert. Viele, vor allem junge und ambitionierte Trainer, verkünsteln sich und wollen unbedingt der ausschlaggebende Faktor für den Erfolg sein, um sagen zu können: Es lag am Coach. Und Ole Werner ist eben nicht so, er will nicht der Star sein und er nimmt sich nicht so wichtig. Deshalb finde ich es gar nicht so schlimm, wenn man nicht unbedingt Plan B, C und D hat. Ich kann lieber eine Sache richtig gut, als drei mittelmäßig.

Wo liegen die Stärken und Schwächen beim 1. FC Köln?

Köln ist insgesamt limitiert. Ich habe das Spiel in Hoffenheim am Sonntag angeschaut, das war wirklich eins der schwächsten Spiele, die ich in dieser Saison gesehen habe. Da hat man schon extrem gemerkt, wie limitiert sie nach vorne sind und warum sie die schwächste Offensive der Liga haben. Sie sind defensiv darauf bedacht, tief zu stehen - gegen Hoffenheim standen die Innenverteidiger teilweise im eigenen Strafraum. Sie spielen eine Mischung aus Mittelfeld- und Abwehrpressing und sind sehr zögerlich, weil sie wenig Selbstvertrauen haben. Sie verteidigen nicht schlecht, aber offensiv sind sie total harmlos.

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Wie könnte Werder Köln also knacken?

In dem sie viele Bälle nach vorne spielen und es schnell machen, wenn Köln noch nicht geordnet steht. Vor allem nach Kölner Angriffen könnten sie die mögliche Unordnung nutzen.

Bei Werder ist vor Kurzem ein regionaler Zusammenschluss von Investoren als Strategischer Partner eingestiegen, doch große Fan-Proteste gibt es nicht – im Gegenteil: Viele Fans sind damit zufrieden, vor allem, weil Werder ein Vorkaufsrecht hat, sollten die Investoren ihre Anteile abgeben wollen. Wie bewerten Sie den Einstieg?

Werder hat zwar ein Vorkaufsrecht, aber wenn irgendwann alle acht Personen ihre Anteile abstoßen wollen, hat Werder dann 38 Millionen Euro, um sie zurückzukaufen? Genau weiß ich das nicht, aber wohl eher nicht. Deshalb ist dieser Deal, den ich im Detail nicht kenne, trotzdem mit Vorsicht zu genießen, auch wenn alle Investoren eine Verbundenheit zum Verein haben. Es wurde zwar gesagt, dass die Investoren kein Interesse an Rendite haben, aber niemand wirft sein Geld freiwillig zum Fenster raus. Zudem: Aus diesem Konsortium werden zwei Personen in den Aufsichtsrat entsandt - und das ist ein Kontrollorgan. Das heißt: Diese Personen haben sehr wohl ein Interesse daran, dass es Werder wirtschaftlich besser geht. Die Voraussetzungen sind jetzt da und auch gut, aber es gibt viele offene Themen: Was passiert, wenn Werder das Geld ausgeht? Was passiert, wenn zwei oder drei Investoren ihre Anteile abgeben wollen? Es ist also nicht in Stein gemeißelt, dass sich dieser Weg für Werder am Ende auszahlt.

In der Bundesliga protestieren die Fans seit Wochen gegen einen Investoreneinstieg bei der DFL – wie stehen Sie dazu?

Das ist ein megakomplexes Thema. Ich verstehe die Proteste und ich finde die Art, zum Beispiel Goldtaler zu werfen, auch ganz kreativ. Ich finde auch den Zweck nicht verkehrt. Bei der DFL gab es eine Abstimmung, die aus irgendwelchen Gründen geheim wiederholt wurde, sodass am Ende das richtige Ergebnis rausspringt – dieser Eindruck ist bei einem gewissen Teil der Fans entstanden. Meiner Meinung nach hätte man sich von Anfang an viel mehr mit den Fans und den Fanvertretern auseinandersetzen sollen und besser erklären müssen, was die DFL damit eigentlich bezwecken will. Alle Seiten sollten sich also mal zusammensetzen. Den Protest finde ich daher gut, aber am Ende müssen daraus Handlungen folgen.

Wo landet Werder am Saisonende?

Zwischen Platz neun und Platz elf.

Und gibt es in diesem Jahr einen anderen Deutschen Meister als den FC Bayern München?

Ich hoffe es, einfach, weil es so langweilig ist. Die Bayern spielen ja nicht mal eine schlechte Saison, aber die Stimmung ist so schlecht, intern gibt es so viele Querelen… Deshalb ja: Leverkusen macht das!

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