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Bremen Anwohner des Lucie-Flechtmann-Platzes fordern Hilfe gegen Drogenszene

Kot in den Hauseingängen, herumliegende Spritzen, nächtliches Geschrei und Beschaffungskriminalität: Solche Zustände wollen Anwohner und Unternehmen rings um den Lucie-Flechtmann-Platz nicht länger hinnehmen.
28.08.2023, 05:00 Uhr
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Anwohner des Lucie-Flechtmann-Platzes fordern Hilfe gegen Drogenszene
Von Karin Mörtel

Sie wollen endlich wieder sorglos einkaufen und zur Arbeit gehen oder den grünen Platz mit ihren Kindern genießen. Das alles – so schildern es etliche Menschen aus der Nachbarschaft – ist derzeit auf dem Lucie-Flechtmann-Platz nicht mehr möglich. Seit etwa März breitet sich die Crack-Szene auf dem Platz aus, wodurch das Sicherheitsgefühl der Menschen vor Ort immer schlechter wird. "Ich habe dort Angst", sagt dazu eine Anwohnerin, die erst im Oktober nebenan in die neuen Häuser des Bauprojekts "Weserhöfe" gezogen ist.

Nachbarschaft will sich Gehör verschaffen

Mit diesem Gefühl ist sie nicht alleine. "Die Menschen trauen sich zum Teil abends nicht mehr vor die Tür oder überlegen, wie sie nach der Arbeit sicher nach Hause kommen, das muss man unbedingt ernst nehmen", appellierte der Inhaber des Rewe-Marktes vor Ort, Florian Gerke, an die zuständigen Behörden. 

Er war am Donnerstagabend gemeinsam mit etwa 100 weiteren betroffenen Menschen aus dem Ortsteil Alte Neustadt zur Sozialausschusssitzung des Beirates gekommen, um sich öffentlich Gehör zu verschaffen und von den Fachleuten zu erfahren, was geplant ist, um die Probleme in den Griff zu bekommen.

Geschäftsführer von Unternehmen aus der Umgebung des Platzes schilderten ihre Sorge um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter und Kunden sowie der Touristen, die im Hotel Westfalia übernachten. "Neben den sozialen Aspekten geht es hier auch um einen Wirtschaftsstandort in der Neustadt", sagte Stadtteilmanagerin Astrid-Verena Dietze.

Müll und offener Drogenkonsum

Von ersten Fällen von Prostitution, versuchten und erfolgreichen Einbrüchen in Garagen, Wohnungen und Autos berichteten die Anwesenden ebenso wie von nächtlichem Geschrei und viel Müll und Drogenbesteck auf dem Platz bis hin zu offenem Drogenkonsum und Kot in den Hauseingängen der umliegenden Straßen.

Alexander Sartoris, Leiter des Polizeikommissariats Süd, bestätigte, dass die Beschaffungskriminalität im Quartier seit März im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sei. "Wenn es um körperliche Auseinandersetzungen geht, spielt sich das aber hauptsächlich zwischen den einzelnen Gruppen der Suchtkranken auf dem Platz ab", erklärte Sartoris.

Die Polizei nehme das schlechte Sicherheitsgefühl der Anwohnerschaft sehr ernst, beteuerte er. "Wir wollen nicht, dass Sie Angst haben, und tun angesichts unserer angespannten Personalsituation alles, was wir können, um vor Ort präsent zu sein", so Sartoris. Für den Bremer Süden sei der Platz mittlerweile im Hauptfokus der Polizei.

Polizei erhält Zuspruch

Viel Zuspruch bekam die Polizei tatsächlich an diesem Abend für ihre Bemühungen, um die Sicherheit auf dem Platz zu gewährleisten. "Aber ordnungsrechtliche Maßnahmen lösen das Grundproblem nicht, es müssen konkrete Hilfsangebote für die Cracksüchtigen her", forderte Eva Kirschenmann von den Stadtgärtnerinnen des Vereins Kulturpflanzen.

Die vom Beirat eingeladenen Fachleute aus den Ressorts Inneres, Gesundheit und Soziales haben während der Sitzung ihre gute Zusammenarbeit betont und auf den Bremer Senat verwiesen, der derzeit an einer bremenweiten Lösung für die Problematik mit der wachsenden Crack-Szene arbeite. Und sie schilderten die prekäre Lage der Crack-Abhängigen, für die es bisher noch keine medizinische Hilfe wie Möglichkeiten der Substitution gibt.

Schnelle Lösung nicht in Sicht

Was sich im Vergleich zum Anfang des Jahres geändert hat: Mittlerweile wird von der Stadt nicht nur eine halbe, sondern eine ganze Sozialarbeiter-Stelle für den Szenetreff auf dem Platz finanziert, die die Innere Mission auf zwei Mitarbeiter aufgeteilt hat.

"Die eine schnelle Lösung haben wir nicht, das muss man ganz offen sagen", sagte Petra Kodré aus der Sozialbehörde. Genau das ist aber die Erwartung der anwesenden Neustädterinnen und Neustädter nach sechs Monaten gewesen, die das Problem bereits auf dem Platz existiert.

Entsprechend wütend und enttäuscht waren die Reaktionen. Besonders die Verdrängung der Szene vom Hauptbahnhof durch die Sicherheitskräfte ohne Konzept für die Auswirkungen auf die Stadtteile als Ausweichorte stieß auf harsche Kritik.

Wunsch nach Verlagerung der Szene

Angesichts der aus den Fugen geratenen Lage plädiert der Verein Kulturpflanzen nun für eine Verlagerung der veränderten Szene an einen weniger dicht besiedelten Ort, sagte Eva Kirschenmann. Und dort müsse es dann auch konkrete Hilfsangebote wie einen rund um die Uhr geöffneten Drogenkonsumraum und Ruheplätze für die Drogenkranken geben.

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Eine Forderung, die auch der Beirat Neustadt mit einem einstimmigen Beschluss des Sozialausschusses bekräftigte. Gemeinsam mit einem Haushaltsantrag an Senat und Bürgerschaft, das notwendige Geld für diese Hilfsangebote sowie eine häufigere Reinigung des Platzes bereitzustellen.

Außerdem forderte der Beirat zusätzlich zum bereits bestehenden Runden Tisch die Einsetzung einer Taskforce der Behörden, um möglichst schnell konkrete Lösungsvorschläge für den Lucie-Flechtmann-Platz zu erarbeiten. Bis ein alternativer Ort gefunden sei, solle ein mobiles Hilfsangebot die Lage auf dem Platz entspannen, so die Forderung des Beirates.

Rewe-Inhaber Florian Gerke fasste die Erwartungshaltung aus der Nachbarschaft an Behörden und Politik so zusammen: "Finden Sie endlich das Gaspedal."

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