Seit Monaten versucht die Stadt mit zahlreichen Maßnahmen die offene Drogenszene vom Bremer Hauptbahnhof zu verdrängen. Während einige Abhängige die neuen und alten Unterstützungsangebote in der nahe gelegenen Friedrich-Rauers-Straße annehmen, hat sich ein anderer Teil der Szene in die Stadtteile verlagert. Einige sind vereinzelt oder in Kleingruppen etwa in den Wallanlagen oder der Innenstadt anzutreffen, andere Gruppen halten sich an bekannten Szenetreffs in den Stadtteilen auf, beispielsweise in der Neustadt, in Gröpelingen oder Vegesack. Das führt mehr und mehr zu Unmut, denn dezentrale Hilfsangebote wurden bisher kaum erweitert.
Deutlich wird das etwa am Lucie-Flechtmann-Platz in der Neustadt. Zum Stadtgarten-Projekt des Vereins „Kulturpflanzen“ zählte von Anfang an ein Szenetreff, denn bevor die Mitglieder vor zehn Jahren dort ihre Beete pflanzten, diente der Ort einem Teil der ansässigen Wohnungslosen- und Trinkerszene als Aufenthaltsfläche. Sie sollten weiter einen Platz haben. Seit einiger Zeit gibt es rund um den Container, der den Treff der Szene markiert, jedoch massive Probleme, die sich bis in den dahinter gelagerten Garten erstrecken.
Benutztes Drogenbesteck in den Beeten
Waren es früher etwa 30-40 Menschen, die sich dort täglich aufhielten, seien es inzwischen mehr als 100 Personen – darunter häufig Crackkonsumenten, die meist nur schwer zugänglich für Streetworker vor sind. Benutztes Drogenbesteck und Müll landen in den Beeten, Süchtige verrichten ihre Notdurft, und es kommt immer wieder zu lautstarken Auseinandersetzungen, die Streetworker und Polizei schlichten müssen.
Vor einigen Tagen haben die Stadtgärtner deshalb einen Brandbrief an mehrere senatorische Behörden geschickt und um Soforthilfe gebeten. Zeitgleich haben sie auf ihrer Homepage einen Hilferuf veröffentlicht. Darin schreiben sie unter anderem: „Wir können die von uns übernommene Verantwortung für den öffentlichen Raum unter diesen Bedingungen nicht wahrnehmen. Wir fühlen uns unsicher, bedroht und überfordert.“ Der Ort sei nicht mehr als Aufenthaltsfläche für den Stadtteil und als Ort für Klimabildung mit dem angegliederten Szenetreff zu vereinbaren. „Der offene Drogenkonsum auf dem Platz dominiert und macht jegliche andere Nutzung, insbesondere Umweltbildungsangebote für Kinder und Jugendliche unmöglich“, heißt es weiter.
Innere Mission: "Aktuell ist es oft mehr Mediation"
Der Verein fordert unter anderem einen Umzug des Szenetreffs an einen blickgeschützteren Ort im Stadtteil. Außerdem verlangen sie, dass die Stadt weitere Szenetreffs in der Neustadt, Gröpelingen und in Bremen-Nord errichtet, denn auch dort gebe es zunehmend Probleme.
Das bestätigt die Innere Mission, die mit ihren Streetworkern vier bekannte Szenetreffs für Wohnungslose und Suchtkranke in der Stadt betreut. Für die Fachkräfte sei es schwerer geworden, ihrer eigentlichen Arbeit nachzukommen, sagt Axel Brase-Wentzell, stellvertretender Bereichsleiter der Wohnungslosenhilfe. „Früher ging es darum, Menschen in ihrem Alltag zu unterstützen, vielleicht mit ihnen zum Arbeitsamt zu gehen. Aktuell ist es oft mehr Mediation.“
Mit den Forderungen knüpft der Gärtner-Verein an die Versprechen der rot-grün-roten Regierung im neuen Koalitionsvertrag an. Darin gibt es einen eigenen Abschnitt zum Bremer Hauptbahnhof, in dem die Koalition aufführt, weitere Akzeptanzorte und Szenetreffs sowohl in der Nähe des Bahnhofes als auch dezentral errichten zu wollen.
Forderung nach besserer Ausstattung für Szenetreffs
Die Wünsche der Gärtner reichen weiter: Sie verlangen für bestehende und neue Szenetreffs eine umfassendere Ausstattung als bisher. „Für wirksame Drogenhilfe benötigt es an jedem dezentralen Szenetreff eine Infrastruktur aus dauerhaft geöffnetem Drogenkonsumraum, angegliederten Aufenthaltsräumen und Akzeptanzflächen. Dies alles muss angemessen betreut und gereinigt werden“, schreiben sie.
Auf Nachfrage bei den zuständigen Senatsressorts der Innen-, Gesundheits- und Sozialbehörde wird die Verlagerung eines Teils der Drogenszene in die Stadtteile bestätigt. Man nehme Beschwerden wie aus der Neustadt ernst und habe die Stellen für Streetwork bereits ausgeweitet. Ein Runder Tisch unter der Leitung des Ortsamtes sei eingerichtet worden. Polizei und Ordnungsamt behielten die Lage im Blick.
Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen der Gärtner seien in den Vorhaben des Senats bereits enthalten. Man befürworte eine Dezentralisierung und den Ausbau der Hilfsangebote, so die Ressorts. „Die Maßnahmen sind zum Teil umfangreich und kostenintensiv und müssen deswegen in die Aufstellung des kommenden Haushalts einfließen“, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher der Gesundheitsbehörde.