Das Stellenprofil ist schnell formuliert. „Es muss ein Fußballspieler sein, Position: Stürmer“, sagt Viktor Skripnik. Und Thomas Eichin ergänzt: „Im Grunde erwarte ich nur eines: Er muss Tore schießen.“ Der Werder-Trainer und Werders Geschäftsführer Sport reden über den neuen Angreifer, der noch nicht da ist, aber möglichst bald in Bremen aufschlagen soll. Der neue Angreifer soll Franco di Santo ersetzen, der sich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion dem FC Schalke 04 angeschlossen hat.
Die Suche nach dem Ersatz für den erfolgreichsten Stürmer der vergangenen Saison läuft auf Hochtouren. Sie hat für Eichin in dem Moment begonnen, als von di Santos Beratern der Hinweis kam: di Santo werde von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch machen. Also sucht Eichin seit Samstagvormittag intensiver, als er es zuvor tun konnte.
Der Weggang von di Santo, 13 Bundesliga-Tore im Vorjahr, ist sportlich ein herber Verlust. Aber jetzt, da die Entscheidung gefallen ist, weiß Eichin wenigstens, mit wie viel Geld er auf dem Transfermarkt agieren kann. Sechs Millionen Euro kommen aus Gelsenkirchen an Ablöse, dazu spart Werder rund drei Millionen Euro an Gehalt für die anstehende Saison, soviel hätte di Santo bei einer vorzeitigen Vertragsverlängerung bekommen sollen.
Werder legt Geld zurück
Das macht in der Summe neun Millionen Euro. Das hört sich nach viel an, ist aber längst nicht so viel, wie man denkt, denn Werder wird, das hat Eichin vor dem Sevilla-Spiel erklärt, nur einen Teil des Geldes für einen di-Santo-Nachfolger ausgeben. Wie beim Verkauf von Davie Selke, der für acht Millionen Euro nach Leipzig ging, verwendet Werder einen Teil der Ablöse, um das drohende Minus in der Bilanz zu reduzieren, ein zweiter Teil wird auf die hohe Kante gelegt. Werder will seine Rücklagen, die seit Jahren aufgezehrt werden und womöglich schon bald komplett aufgebraucht sind, wieder aufpolstern.
Klar ist, dass Werder einen neuen Mann braucht. Das Sturmduo Selke/di Santo war in der abgelaufenen Spielzeit für 22 Treffer gut. Selkes neun Tore hat Werder auf dem Papier mit Anthony Ujahs zehn Treffern für Köln kompensiert. „Also müssen wir uns noch zwölf Tore besorgen“, sagt Eichin. Wie soll das gehen?
Arbeitslose und ungeliebte Profis
Werder hat im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: Entweder kommt ein junger Stürmer mit großem Entwicklungspotenzial. Oder Werder holt einen erfahrenen Mann, der die Bundesliga kennt. Beide Varianten sind mit Risiken verbunden. Ein Perspektivspieler benötigt mit ziemlicher Sicherheit Zeit. Zeit, die Werder aber unter Umständen gar nicht hat. Davie Selke hat eine Bundesliga-Karriere im Schnelldurchgang gemacht. Aber das ist eher die Ausnahme als die Regel.
Deshalb liebäugelt Eichin mit der anderen Variante. Er sagt: „Es passt auch ein Stürmer in unser Konzept, der ein Jahr überbrückt.“ Kandidaten gibt der Spielermarkt für diese Rolle durchaus her. Jimmy Briand (29, zuletzt Hannover 96), Nelson Valdez (31, Eintracht Frankfurt), Chinedu Obasi (29, FC Schalke 04) oder Dimitar Berbatov (34, AS Monaco) sind aktuell arbeitslos, andere wie Artjoms Rudnevs (27) und Jacques Zoua (23, beide HSV) oder Vedad Ibisevic (30, VfB Stuttgart) sind bei ihren Klubs nicht mehr erwünscht beziehungsweise werden als entbehrlich eingeschätzt.
Allerdings hat jeder dieser Spieler einen mehr oder weniger großen Nachteil: Entweder liegen die guten Jahre schon länger zurück (Valdez, Berbatov, Ibisevic), oder aber diese Spieler haben keine Torgarantie, erst recht nicht für die geforderten zehn bis zwölf Treffer (Rudnevs, Briand, Zoua). Obasi muss überdies nach einer Schienbeinverletzung erstmal wieder fit werden. Und dass Claudio Pizarro, der Wunschspieler fast aller Werder-Fans mit 36 noch einmal tatsächlich Lust hat, im Bundesliga-Mittelfeld oder schlimmstenfalls sogar gegen den Abstieg zu spielen, darf mehr als bezweifelt werden.
So oder so muss Eichin ein kleines Kunststück vollbringen, wenn er kurzfristig eine Soforthilfe finden will. Wahrscheinlich wird er auch diesmal nicht drumherum kommen, im Zweifel mit einer Ausstiegsklausel zu arbeiten. „Kein Manager macht das gern“, sagt Eichin, „aber es wird für einen Klub unserer Größenordnung immer das letzte Mittel sein, um einen umworbenen Spieler am Ende doch zu bekommen.“ Das geht dann mal gut aus und auch mal schlecht. Werder hat das mit di Santo im Negativen und Ujah im Positiven gerade erst selbst erlebt.