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Landgericht: Prozess wegen Fahrerflucht Anklage wegen versuchten Totschlags

Vor dem Landgericht hat am Dienstagmorgen der Prozess gegen einem 27-Jährigen begonnen, der im Juni Fahrerflucht begangen hatte. Die Staatsanwaltschaft hat ihn nun wegen versuchten Totschlags angeklagt.
22.11.2016, 09:44 Uhr
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Anklage wegen versuchten Totschlags
Von Ralf Michel

Vor dem Landgericht hat am Dienstagmorgen der Prozess gegen einem 27-Jährigen begonnen, der im Juni Fahrerflucht begangen hatte. Die Staatsanwaltschaft hat ihn nun wegen versuchten Totschlags angeklagt.

Ein Verkehrsunfall, der mit einer Anklage wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht endet, ist nicht nur ungewöhnlich, sondern auch ein äußerst schwieriges juristisches Terrain. Dies wurde am Dienstag schon beim Auftakt des Verfahrens gegen einen 27-jährigen Bremer mehr als deutlich. Der Verteidiger beantragte, den Prozess sofort wieder einzustellen. Von einem hinreichenden Tatverdacht gegen seinen Mandanten könne keine Rede sein. Dies hat das Gericht nach Aktenlage anders bewertet, erklärte der Vorsitzende Richter Manfred Kelle. Räumte zugleich aber ein, dass die Strafkammer tatsächlich sehr intensiv geprüft habe, ob man diese Anklage überhaupt zur Hauptverhandlung zulasse.

Der Angeklagte soll am 10. Juni dieses Jahres auf der Kreuzung Julius-Brecht-Allee/Konrad-Adenauer-Allee einen 13-jährigen Radfahrer angefahren und lebensgefährlich verletzt haben. Damit nicht genug, so die Staatsanwaltschaft: Anschließend habe der 27-Jährige gebremst und sei aus dem Wagen gestiegen, um zu dem Jungen zu gehen, der 15 Meter entfernt auf der Fahrbahn lag. Er habe sich dann aber nicht um den stark aus einer Kopfwunde blutenden Jugendlichen gekümmert, sondern sei zu seinem Wagen zurückgelaufen und weggefahren.

13-Jähriger hat den Unfall überlebt

Für die Staatsanwaltschaft steht fest, dass der Angeklagte versucht hat, einen Menschen zu töten – vorsätzlich, grob verkehrswidrig und rücksichtslos. Er sei gegen 12.30 Uhr auf der Linksabbiegespur an einer wartenden Pkw-Schlange vorbeigefahren und dann mit 40 bis 50 Stundenkilometern bei Rot geradeaus über die um diese Zeit von stark frequentierte Kreuzung gefahren, heißt es in der Anklageschrift. Dabei habe er den Tod anderer Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf genommen.

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Der 13-Jährige überlebte den Unfall, ihm soll es dem Vernehmen nach sogar überraschend gut gehen. Dies hatte unmittelbar nach dem Unfall ganz anders ausgesehen. Der Junge wurde durch den Aufprall 15 Meter weit durch die Luft geschleudert und schlug mit dem Kopf auf die Fahrbahn auf. Er erlitt ein Schädelhirntrauma und starke Blutungen im Schädelinneren, musste notoperiert werden und schwebte auch danach noch in Lebensgefahr. Zehn Tage lang wurde er stationär behandelt, anschließend verbrachte der Junge fast drei Monate in einem neurologischen Reha-Zentrum.

Bei Verkehrsunfällen, so schrecklich und unfassbar sie auch sein mögen, geht es in der Regel um Fahrlässigkeit am Steuer. Nicht so in diesem Fall. Die Staatsanwaltschaft geht von bedingtem Tötungsvorsatz aus, das heißt, der Täter muss den Tod eines Menschen billigend in Kauf genommen haben. Dabei geht es um eine „innere Haltung“ des Fahrers, erläuterte Richter Kelle im Verhandlungssaal. Und da es hierzu keinerlei Aussagen gebe, müsse diese Haltung aus äußeren Indizien geschlossen werden. Die Aktenlage lege dies nahe, aber nun gelte es, diesen Sachverhalt zu klären.

Fahrzeug war Mietwagen

Und natürlich vor allem die Frage, ob es tatsächlich der 27-jährige Beschuldigte war, der an diesem Tag am Steuer des Unfallfahrzeuges saß. Auch dies ist kein einfaches Unterfangen: Bei dem Fahrzeug handelte es sich um einen Mietwagen, auf den auch andere aus der Familie des Angeklagten Zugriff hatten. Der Wagen konnte fünf Tage nach dem Unfall von der Polizei auf dem Gelände eines Import/Export-Unternehmens sichergestellt werden. Es besteht der Verdacht, dass das Fahrzeug entsorgt werden sollte.

Der Angeklagte, der seit dem 15. Juni in Untersuchungshaft sitzt, hat sich beim Prozessauftakt nicht geäußert. Sein Anwalt forderte, das Verfahren einzustellen und den Haftbefehl aufzuheben. Er hält den Eröffnungsbeschluss des Verfahrens für unbegründet. Ein hinreichender Tatverdacht wegen versuchten Totschlags sei offensichtlich nicht gegeben, der Anklagesatz erkläre dies auch nur rudimentär. „Worauf die Anklage ihre Auffassung stützt, dass mein Mandant mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat, lässt sich nur erahnen.“

Für den Prozess sind zunächst 15 Verhandlungstage angesetzt, der nächste findet am Freitag, 25. November, ab 9 Uhr statt.

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