Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Made in Bremen Wie die Bremer Firma Aydin International Bestattungen organisiert

Das Bestattungsinstitut Aydin International bietet nicht nur Bestattungen an, sondern auch Überführungen ins Ausland. Der Service für Menschen unterschiedlichster Religionen erfordert viel Mitgefühl.
22.06.2025, 13:42 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von York Schäfer

Das Wort Nein soll möglichst nicht vorkommen im Wortschatz von Ibrahim Aydin. Auch von Arbeit und Kunden spricht der 46-Jährige nicht ein einziges Mal während des Interviews über sein Unternehmen. Stattdessen geht es um die Erfüllung letzter Wünsche, um Anteilnahme und Vertrauen, um ein gutes Gefühl trotz schweren Abschieds.

Seit 2011 führt Ibrahim Aydin das Bestattungsinstitut Aydin International, das sein Vater Musa 1990 ursprünglich für muslimische Beerdigungen und für Überführungen ins Ausland gegründet hat. Heute betreut man dort Angehörige aller Religionen und auch Menschen ohne religiöse Zugehörigkeit. "Für mich ist diese Aufgabe etwas sehr Persönliches. Wenn jemand meine Hilfe braucht, ist das so, als ob ich jemanden aus meiner eigenen Familie bestatte", erklärt der gelernte Schlosser Aydin die dienstleistungsorientierte Philosophie seines Unternehmens, in dem er schon in jungen Jahren mitgeholfen hat. "Bei mir war nach der Arbeit vor der Arbeit", erinnert er sich an die Zeit als junger Mann, als die Mitarbeiter zum Beispiel die Särge noch selber angemalt haben.

Gegründet von Vater Musa Aydin

Gegründet hatte sein Vater Musa das Bestattungsinstitut noch in Gröpelingen, wo die Familie damals lebte. Als ein Freund des Vaters starb, dauerte es einen Monat für die Überführung des Leichnams in die Türkei. Zu lange, gerade für die Anforderungen an muslimische Bestattungen. Aber auf solche internationalen Transporte spezialisierte Unternehmen gab es Anfang der 1990er-Jahre noch nicht in Norddeutschland. "Das wollte mein Vater so nicht akzeptieren. Also hat er seinen Job bei einem großen Hersteller von Kochzubehör gekündigt und sich als Bestatter selbstständig gemacht", erzählt Aydin Junior.

Der Firmenchef und seine Frau Seyhan führen durch die Räumlichkeiten des Gebäudekomplexes zwischen Utbremer Ring und Waller Bahnhof, mit freiem Blick auf den Fernsehturm. In einem kleineren und einem größeren Besprechungsraum mit dunklen, dezenten Holzmöbeln werden die Angehörigen des Verstorbenen empfangen. An der Wand hängt ein Bildschirm, auf dem sie sich Fotos vom Grabschmuck und der Deko anschauen können.

Das Schreien der Mütter, wenn ihr Kind gestorben ist, das vergisst man nie.
Ibrahim Aydin

"In dieser emotionalen Situation von Verlust wollen wir die Angehörigen auffangen und möglichst alle ihre Wünsche so gut wie möglich umsetzen", sagt Seyhan Aydin über die auch für sie und ihren Mann immer wieder herausfordernde Trauerarbeit. "Das Schreien der Mütter, wenn ihr Kind gestorben ist, das vergisst man nie", sagt Ibrahim Aydin. Man bekommt eine Idee von diesem Leiden, wenn man die weißen Kindersärge in einem Werkstattraum des Unternehmens sieht.

Im Keller des großen Hauses, in dem die Familie mit ihren neun Kindern im Obergeschoss lebt, kommt man in den Waschraum für die Verstorbenen. Weiße Fliesen, die Kühlung rattert, in der Mitte steht ein Waschtisch mit Wasseranschluss für die rituelle Reinigung der Toten. Danach wird der Verstorbene in weiße Leinentücher gewickelt und das Totengebet gesprochen. "Für mich ist das der wichtigste Platz, hier geht es nur um den Verstorbenen", sagt Ibrahim Aydin über diesen Ort, an dem menschliche Zuwendung und die notwendige Sterilität aufeinanderprallen.

Überführungen in alle Welt

Für die Überführung von Verstorbenen arbeitet Aydin International mit über 500 Subunternehmern zusammen. Viele davon sitzen in der Türkei, aber auch in Syrien, Aserbaidschan und westafrikanischen Ländern. Auch in den Iran und den Irak, auf den Balkan, nach Afghanistan, Russland, Japan und in die USA organisiert das Unternehmen Überführungen. "Das sind Beziehungen, die wir über fast vier Jahrzehnte aufgebaut haben. Uns ist es wichtig, dass unsere Werte für eine Bestattung dort auch vertreten werden."

Trotzdem wird der Tod hier bei aller Anteilnahme auch zum Geschäft und zu einem bürokratischen Verwaltungsakt. Seyhan Aydin und fünf weitere Mitarbeiter des Bestattungsinstituts kümmern sich für die internationalen Transporte um die notwendigen Dokumente von den deutschen Behörden, um Einfuhrgenehmigungen von den Konsulaten und Flugbestätigungen für die Kontaktleute vor Ort. Sogar eine Sendungsverfolgung wie bei einem normalen Paket ist möglich.

Mit diesen Dokumenten muss der Subunternehmer im jeweiligen Zielland die Zolleinfuhr vorbereiten. "Man betrachtet den Transport eines Verstorbenen als Fracht. Im gewissen Sinne bin ich also auch Spediteur", sagt Ibrahim Aydin in diesem Fall ganz unemotional.

Preise richten sich nach Gewicht

3000 bis 6000 Euro kostet so eine internationale Überführung. Die Preise werden tatsächlich nach dem Gewicht des Leichnams berechnet; die liegen laut Aydin zwischen 21 und 29 Euro. Das Waller Unternehmen organisiert die Transporte der Verstorbenen in einem hermetisch abgeschlossenen, speziellen Zinksarg überwiegend vom Flughafen Hannover aus.

Inzwischen werden viele Muslime auch in Bremen beerdigt, da die Verbindungen in ihr Herkunftsland längst gekappt sind. Aber hier würden die Grabstellen mit den speziellen Anforderungen für muslimische Bestattungen auf den Friedhöfen langsam knapp, sagt Ibrahim Aydin. Die Gräber müssen dafür Richtung Mekka ausgerichtet sein und die Bestattung sollte möglichst kurzfristig erfolgen. Feuerbestattungen sind nicht erlaubt.

Bis zu 1000 Familien betreuen Aydin und sein Team heute im Jahr, er selber ist pro Jahr 180.000 Kilometer unterwegs. "Man opfert viel für diese Aufgabe", sagt der neunfache Vater. Mit seinen Kindern war er in den vergangenen 18 Jahren nur zweimal im Urlaub. Auch beim Interview piept ständig sein Handy.

Es sei viel Psychologie notwendig bei der Betreuung von Angehörigen. "Fehler sind nicht verzeihbar. Wir verkaufen keine Pullover", sagt Bestatter Ibrahim Aydin, der den Menschen vieles in ihrer Trauer abnehmen kann. "Nur nicht den Schmerz".

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)