Pause machen vom Alltagsstress, durchatmen in aller Stille, eine Auszeit nehmen. Immer mehr Menschen suchen nach einem Weg, wieder zu sich selbst zu finden und zur Ruhe zu kommen. Und für viele führt dieser Weg ins Kloster. Eine Einkehr auf Zeit. Wir haben einige Theologen in Bremen-Nord gefragt, was sie davon halten.
Klosterleben als VHS-Kurs? Gibt es. An zwei Wochenenden in diesem Semester bietet die Volkshochschule Bremen-Nord Wochenendseminare an und lädt zu „Meditation im Kloster – Stille und Tanz“ ein. Wer sich heute entscheidet, ins Kloster zu gehen, der muss dies nicht für ein ganzes Leben tun. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht vom oben genannten Wochenendkurs bis hin zur zeitlich befristeten Aufnahme in die Klostergemeinschaft über Wochen.
„Klöster sind ideale Rückzugsorte für alle, die eine Pause vom Alltag brauchen. Um Körper und Geist in Einklang zu bringen, hilft ein spirituelles Umfeld aber auch ein gewisses Maß an Komfort“, wirbt zum Beispiel das Kloster der „Barmherzige Schwestern vom Heiligen Kreuz“ in Hegne in Baden-Württemberg. Im Internet werden all diejenigen fündig, die sich für eine derartige Auszeit interessieren. Aber auch vor Ort gibt es Angebote.
Seit 20 Jahren lädt zum Beispiel der Pastor der evangelischen Kirchengemeinde Vegesack, Volker Keller, zu Wochenendseminaren unter der Überschrift „Meditation und Yoga im Kloster“ ein. Mit den Teilnehmern zieht er sich dann in die Stille des Birgittenklosters in Bremen zurück. Um sich „in Gleichmut anzunehmen“ und „die innere Unruhe zu verlieren“, wendet Keller Methoden aus der christlichen und der Zen-Meditation sowie Yoga aus dem Buddhismus an.
„Christen müssen offen sein gegenüber anderen Religionen, weil sie nur so die Schwächen des eigenen Glaubens erkennen können“, begründet er seine Haltung. „Ich habe von diesen Religionen gelernt, ohne deren Glaube zu übernehmen.“ Das hat er auch in seinem Buch „Buddha, Krishna und Allah – Orientierung in fremde religiöse Welten“ dargestellt. Keller sucht den Dialog mit anderen Religionen und nutzt deren Praktiken, „die mit dem Christentum kompatibel sind“. So möchte er seinen Seminarteilnehmern helfen, ihren Geist zu schulen, ihn frei und leer zu machen für das intensive Gebet.
Zu den Übungen werde jedoch keiner gezwungen. Das habe dazu geführt, dass auch Leute zu den Seminaren kämen, die der Kirche fernstehen. Aber sie vertrauten ihm, wüssten sich in guten Händen. „Es wird viel geübt. Und es wird viel geschwiegen.“ Dabei kommen die Teilnehmer laut Keller zur Ruhe und besinnen sich auf das Wesentliche. Ein „Freizeithappening“ sei das jedenfalls nicht.
Auch Ute Schmidt-Theilmann von der Kirchengemeinde St. Martini in Lesum kann das Bedürfnis von belasteten Menschen nachempfinden, sich für eine bestimmte Zeit in die Stille zurückzuziehen. „Da möchte ich besondere Räume aufsuchen, die mir den Rahmen dafür schaffen“, sagt die Pastorin. Sie selbst bietet zweimal im Jahr in der Gemeinde Meditationen an. Zusätzlich reist sie mit Teilnehmern gern in das Kloster Bursfelde, eine ehemalige Benediktiner-Abtei an der Weser. „In dieser Oase der Einkehr praktizieren wir eine Schweigemeditation.“
Pastor Wilfried Schröder von der Martin-Luther-Kirche in Blumenthal kann den Wunsch vieler Menschen nachvollziehen, dass sie an einen Punkt kommen, an dem sie sagen: Ich brauche eine Auszeit! Hinter den Klostermauern gelten eigene Regeln und ein Lebensrhythmus, der von Arbeit und Gebet, Gespräch und Schweigen bestimmt sei, so Schröder. Denn die Mönche und Nonnen in alten Zeiten hätten das traditionell Christliche gesucht, um für sich selbst Ruhe zu finden. Wer sich auf diese christliche Tradition auch nur für eine kurze Zeit einlasse, könne seine eigene Mitte wiederfinden, meint Schröder. Viele, die es gemacht haben, hätten ihm berichtet: „Ich würde es jederzeit wieder tun, um zu mir selbst zu kommen.“ Der Theologe legt jedoch Wert auf die christliche Tendenz eines solchen Klosteraufenthaltes und sieht „eine religiöse Multi-Kulti-Veranstaltung“ eher kritisch.
Jan Lammert ist Pastor an der Alt-Aumunder Kirche. Er sieht im Kloster einen „umfriedeten, begrenzten Raum mit vorgegebenen Tagesstrukturen“. Wer sich dieser Ordnung unterwerfe, erfahre eine „andere Ruhe“. Er erlebe Stille, die es im alltäglichen Leben so nicht gebe, weil man sich dort solche Freiräume durch die zunehmende Arbeitsverdichtung kaum mehr schaffen könne. „Das Kloster gewährt die Möglichkeit, sich zu zentrieren“, meint Lammert. Man könne seine Gedanken ordnen, Ereignisse verarbeiten und Zwänge abstreifen. Dabei sei es erst mal nicht entscheidend, nach welchen Methoden das geschehe. Jeder habe schließlich die freie Wahl und müsse herausfinden, was ihm guttut. Als Christ sollte man seiner Ansicht nach allerdings eher auf christliche Methoden des Innewerdens zurückgreifen, findet Lammert.
„Menschen haben schon immer den Weg in die Innerlichkeit gesucht und sind ins Kloster gegangen, um eine von der Welt ungestörte Beziehung zu Gott zu entwickeln, ihm näherzukommen“, sagt Dittmar Schütt, Pastor der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Rönnebeck/Farge. Mönche hätten in der Abgeschiedenheit des Klosters ihren eigenen Glauben gefunden und Kraft geschöpft, um in die Welt zu gehen und für Menschen da zu sein. „In der heutigen Zeit gibt es so viel Hetze und Unrast, dass sich viele Menschen nach Ruhe und Innerlichkeit sehnen.“ Dabei gehe es für den Christen aber nicht darum, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen, sondern darum, „dass Christsein immer in der Welt gelebt werden muss“. In der Stille des Klosters könne der Einzelne jene Kräfte sammeln, die es ihm ermöglichen, gestärkt zurückzukehren und seine gesellschaftlichen Aufgaben zu erfüllen.
Ulrike Bänsch, Pastorin der reformierten Kirche in Aumund, verbringt einmal im Jahr gemeinsam mit anderen Frauen ein Wochenende im Kloster. Dabei wolle sie sich an einem besonderen Ort auf den eigenen Glauben, die Lebensfragen und sich selbst besinnen. Die Versammlungsorte haben in der Vergangenheit gewechselt. So waren die Teilnehmer in Boerstel, Amelinghausen und Damme. Im Juni dieses Jahres geht es in die klösterliche Gemeinschaft nach Bethel.
Bisher sei das Angebot sehr gut angenommen worden, berichtet die Pastorin. „Wir nehmen uns einen Bibeltext vor und erleben diesen Text auf verschiedene Weise im Wechsel von gemeinschaftlichem Zusammensein, Andacht und Stille. Das ist Seelsorge im vertieften Sinn, kein Freizeit-Happening“, sagt Ulrike Bänsch. Jeder Teilnehmer könne für die eigene Seele sorgen. „Den Menschen tut es spürbar gut, ein Stück weit von der Welt und vom Alltag Abstand zu gewinnen.“ Der Klosteraufenthalt sei eine „Kraft-Oase“.
Die Theologin erinnert daran, dass die ersten Krankenhäuser und die Kräuterheilkunde in Klöstern entstanden sind. In ihnen seien die Patienten gepflegt, befriedet und geheilt worden. Andernorts habe man Meditationstechniken entwickelt. Auch sie seien Mittel zum Zweck. Man setze sie ein, um Körper und Geist etwas Gutes zu tun. Dabei gehe es aber nicht um Wellness, sondern darum zu erfahren, welche Kraft der Glaube im Menschen entfalten kann. Schließlich fordere die biblische Botschaft den Menschen auf, sich für den bedürftigen Mitmenschen in der Gesellschaft einzusetzen.
Ansprechpartner in Bremen-Nord
◼ Wer sich aus dem belastenden Alltagsstress an einen Ort der Stille und Besinnung zurückziehen möchte, kann sich in Bremen-Nord an folgende Ansprechpartner wenden:
◼ Die Volkshochschule Bremen-Nord, Telefon 361-7319, bietet im laufenden Wintersemester wieder Aufenthalte im Birgittenkloster Bremen mit Meditation und Yoga an.
◼ Pastor Volker Keller steht als Ansprechpartner bereit unter der Telefonnummer 66 21 26 oder E-Mail an volker.keller@kirche–bremen.de.
◼ Pastorin Ute Schmidt-Theilmann von der Kirchengemeinde St. Martini Bremen-Lesum plant gemeinsam mit Chr. Bergner vom 18.- 20. März „Exerzitien im Alltag 2015“ im St. Martini-Gemeindehaus Lesum. Sie ist zu erreichen unter 63 68 915 oder Gemeindebüro über die Mail-Adresse n.michalik@dr.martini.lesum.de.
◼ Pastorin Ulrike Bänsch von der Reformierten Kirche Aumund ist zu Gesprächen bereit unter Telefon 243 60 47, ihre E-Mail-Adresse lautet pastorin.baensch@kirche-bremen.de.
◼ Im Internet finden Interessierte eine ganze Reihe von Angeboten, ein Kloster auf Zeit aufzusuchen. Die Bedingungen und konkreten Angebote wechseln von Ort zu Ort. Möglich sind Aufenthalte von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Monaten.