Walle. Eine Gruppe Studentinnen läuft durch die Straßen der Hauptstadt. Männer verschiedener Altersgruppen sitzen im Kaffeehaus, rauchen Wasserpfeifen. Ein anderer wirft den Teig eines frischen Fladenbrotes in die Luft. Kamele pausieren in der Sonne. Vor ihnen seht ein kleiner Junge, im Hintergrund ist ein Reisebus zu sehen. Es sind Alltagssituationen aus Syrien. Impressionen aus Damaskus, Aleppo und von den Ruinen der antiken Oasenstadt Palmyra.
Vor 15 Jahren hat der Landshuter Chefarzt für Urologie Karl-Heinz Rothenberger diese Momente auf einer Reise festgehalten. Bis zum 31. März zeigt der Fotograf und Mediziner seine Werke in der Ausstellung „Syrien vor dem Krieg, Impressionen von 2003“ in der Kulturwerkstatt Westend, Waller Heerstraße 294.
Erste Ausstellung Ende der 60er
Seine ersten Bilder hat Rothenberger 1967 bei einem internationalen Jugendfotowettbewerb in Düsseldorf ausgestellt. In mehr als 90 Ausstellungen hat er seine Arbeiten präsentiert. Von Berlin bis München, von Bonn bis Jena und nun in Walle: Deutschlandweit und auch im europäischen Ausland zeigt Rothenberger Fotografien. In Instituten und Universitäten, Orten wie dem ARD-Hauptstadtstudio und dem Pergamonmuseum.
Mittlerweile entstehen Rothenbergers Bilder nur noch analog, fotografiert mit einer Leica M 7 und ohne Farben. „Schwarzweiß bietet eine größere Konzentriertheit auf das Thema“, sagt Rothenberger. Bereits in der Schule habe er den Umgang mit einer Dunkelkammer kennengelernt, erzählt der 1945 geborene Bayer. Als direkt und puristisch beschreibt er die Ergebnisse seiner Kamera. „Analoge Fotografie ist im Vorteil, weil sie nicht so viel manipuliert werden kann.“ Die Einflussmöglichkeiten seien begrenzt, aber mit der Belichtung könne man zum Beispiel variieren. Dass es sich bei seinen Werken um das gesamte Foto und nicht um Bildausschnitte handelt könne man leicht erkennen, erklärt Rothenberger. „Die Bilder haben einen schwarzen Rahmen. Das ist der Beweis dafür, dass sie nicht manipuliert sind.“
Ein Kongress der Urologie hat Rothenberger 2003 für zehn Tage nach Syrien gebracht. Die Fotos sind während des Rahmenprogrammes entstanden. Was durch den seit fast sechs Jahren andauernden Krieg aus seinen syrischen Medizinerkollegen geworden ist, weiß Rothenberger nicht. Nach dem Kongress hätten sie den Kontakt nicht mehr aufrecht gehalten. „Das Hotel, in dem wir waren ist schon 2007 oder 2008 einem Sprengstoffanschlag zum Opfer gefallen.“
Mehrere hunderte Bilder auf zehn Filmen sind während der Reise entstanden, 36 davon sind in der Ausstellung im Westend zu sehen. Sie zeigen Frauen, Männer und Kinder, syrischen Alltag, kulturgeschichtliche Kulissen. „Es sind Schlaglichter, Farbtupfer, die einem begegnen. Es ist kein vollständiges Bild“, sagt der Fotograf.
„Vieles, was man hier sieht, gibt es nicht mehr“, erzählt Rothenberger. Wie der Suk in der Altstadt Aleppos. Schmuckhändler beim Verkaufen, Besucher am Gewürzstand – Rothenberger hat den historischen Basar aus verschiedenen Blickwinkeln festgehalten. Ein Großbrand im September 2012 hat große Teile des UNESCO-Weltkulturerbes zerstört. „Es ist viel mehr als nur Gebäude, die weg sind“, sagt Geschäftsführer der Kulturwerkstatt Westend Stylianos Eleftherakis. „Ein kulturelles Erbe ist verloren gegangen und Zivilisationsgeschichte zerbombt worden.“
Rothenbergers Ausstellung zeigt ein früheres, friedliches Syrien – ohne Krieg, Leid und Elend. Eines, in dem Menschen verschiedener Religionen zusammengelebt und ihren Alltag geteilt haben. „Es wurde achtsam und sorgsam miteinander umgegangen“, erzählt Rothenberger. „Zivilisationen sind sehr fragil“, sagt Eleftherakis. „Das ist auch hier in Europa schon passiert.“