Eine von 1000 – eine von 1000 Wohnungen in Schwachhausen wird sozial gefördert. In Woltmershausen sind es 15, in Gröpelingen 35. Für die Bremer Regierungskoalition aus SPD, Grünen und Linken belegen diese Zahlen, dass es in der Stadt eine krasse Fehlentwicklung gibt: Wo Menschen mit hohen Einkommen leben, kommen immer mehr davon hinzu. Umgekehrt steigt die Armut in den weniger privilegierten Stadtteilen. Die Koalition will nun dagegenhalten. Es soll neue Regeln für den Bau von Sozialwohnungen geben, ergänzt durch preisgedämpfte Elemente im mittleren Segment. Das Ziel: mehr Durchmischung in den Quartieren. Am Dienstag sind die Details des Dringlichkeitsantrags für die Bürgerschaft vorgestellt worden.
"Bremen ist eine Stadt, die von einer hohen sozialen Spaltung zwischen den Stadtteilen geprägt ist. Der wesentliche Faktor dafür ist der Wohnungsmarkt", heißt es in dem Antrag. Wer umziehen müsse, habe oft keine andere Wahl als dorthin zu wechseln, wo es noch einigermaßen günstig ist. Der Grund: Die Angebotsmieten lägen überall drastisch über den Bestandsmieten. Billiger zu wohnen, bedeute allerdings meist auch schlechter zu wohnen. "In der Folge verlassen dort diejenigen den Stadtteil, deren Einkommen und Ansprüche steigen." Ein doppelter Effekt, der dafür sorge, dass die verschiedenen Schichten der Gesellschaft immer weiter auseinanderdriften. Letztlich sei dadurch die Demokratie in Gefahr, befürchtet die Koalition.
Bremen gibt bei Neubauten eine Sozialwohnungsquote von 30 Prozent vor. Geballt wird sie naturgemäß dort erfüllt, wo große Siedlungen entstehen, im Waller Ortsteil Überseestadt zum Beispiel. Seit Einführung der Quote vor 13 Jahren sind nach Darstellung von SPD, Grünen und Linken bis Ende 2021 rund 3000 staatlich geförderte Wohnungen hinzugekommen – fast 1000 davon in der Überseestadt. Zum Vergleich: In der Östlichen Vorstadt waren es 72, in Schwachhausen 18. In diesen teuren Lagen existierten kaum noch Flächen, auf denen im großen Stil gebaut werden könne, dort finde praktisch nur noch Lückenbebauung statt, analysiert die Koalition. Mit der Folge, dass die Sozialquote nicht greife, weil die Bagatellgrenze unterschritten werde. Das soll sich ändern: Nicht mehr bei 20 Wohnungen wie bisher, sondern bei sechs Einheiten soll die Quote künftig Anwendung finden.
Einen zusätzlichen Hebel, die Stadtteile näher zusammenzuführen, sieht die Koalition bei preisgedämpften Mieten. Das zielt auf Menschen, deren Einkommen nicht gering genug ist, um in den Genuss von Berechtigungsscheinen für Sozialwohnungen zu kommen, die aber über zu wenig Einkommen verfügen, um auf dem freien Wohnungsmarkt Erfolg zu haben. Den Zielwert geben SPD, Grüne und Linke mit mindestens 30 Prozent an, je nachdem, um welche Stadtteile es sich handelt. Die Preisdämpfung (maximal neun Euro für den Quadratmeter) soll nicht zwingend obendrauf kommen, sondern die Sozialwohnungsquote (6,80 Euro pro Quadratmeter) ergänzen oder ersetzen.

Sofia Leonidakis, Fraktionsvorsitzende der Linken.
"Erstmals wollen wir in Bremen mit einer verpflichtenden Quote, welche die Stadt je nach sozialer Lage und Versorgung im Stadtteil festlegen kann, schneller bezahlbaren Wohnraum schaffen", erklärt Linken-Fraktionsvorsitzende Sofia Leonidakis zur Preisdämpfung. Ihre Fraktion ist in der Angelegenheit federführend. "Ein bahnbrechender Antrag", hebt die Abgeordnete hervor. Es handele sich um nichts weniger als einen Paradigmenwechsel bei der Zielsetzung, die soziale und ethnische Spaltung zu mindern. Die Datengrundlage für das präzise Vorgehen in den einzelnen Stadtteilen werde mit der Wohnraumbedarfsprognose 2031 gerade geschaffen. Sobald die Analyse im kommenden Jahr vorliege, solle der Senat binnen zwölf Monaten ein Konzept für sozial gemischte Stadtteile präsentieren.
Preisgedämpfter Wohnraum wird in Bremen seit mehr als drei Jahren gefördert. Nach Darstellung von Leonidakis gab es bis Mitte vergangenen Jahres 140 entsprechende Anträge, jeweils die Hälfte in Bremen und Bremerhaven. Der Zuschuss fällt geringer aus als bei den klassischen Sozialwohnungen, weil bei den preisgedämpften Einheiten eine höhere Miete genommen werden darf. Die Neun-Euro-Wohnungen sollen nach dem Willen der Koalition verstärkt in den ärmeren Stadtteilen Platz greifen. Und die Sozialwohnungen künftig häufiger dort, wo es in diesem Segment bislang nur wenige oder, wie in Borgfeld, keine einzige davon gibt.