Moderatorin Bärbel Schäfer und ihr Gast Reinhold Beckmann haben es sich noch nicht auf der Bühne bequem gemacht, da startet bereits die neue Folge des WESER-Strand-Talks an diesem Freitag an einer Bar im Sparkassengebäude an der Universitätsallee. "Was verbindest du mit Bremen?", fragt die 59-Jährige den gebürtigen Twistringer. "Bremen ist für mich der große Sehnsuchtsort gewesen", antwortet er, mal am Tresen lehnend, mal gestikulierend. Fluchtpunkte seien die Keller-Diskothek "Lila Eule" und – selbstverständlich – das Weserstadion gewesen.
Der ehemalige Sportschau-Moderator bekennt sich zu einer 30-jährigen Mitgliedschaft bei Werder Bremen und kommentiert Schäfers obligatorische Trainerfrage. Ole Werner solle nicht gehen. "Aber ein bisschen mehr Horst Hrubesch–Gen täte Werder gut", sagt er. Das Publikum applaudiert und mit dieser gewonnenen Gunst ziehen Schäfer und Beckmann von der Bar auf die Bühne. Dort widmen sie sich dem Kern der Folge, dem Buch des Journalisten und Autors: "Aenne und ihre Brüder".
In dem Werk beleuchtet Beckmann das Schicksal seiner Familie. Seine Mutter, geboren 1921, hatte vier Brüder, die alle im Zweiten Weltkrieg fielen. Der jüngste, Willy, war bei seinem Tod 17 Jahre alt. Mit den Erzählungen seiner Mutter und "einem Schuhkarton voller Feldpostbriefe" habe er sich anderthalb Jahre zurückgezogen und geschrieben. So schildert der 67-Jährige die Anfänge des Recherche- und Schreibprozesses.
Der Verlust der Onkel bestimmt die Geschichte des Buches, dennoch finden Schäfer und Beckmann während der Show zu einer unterhaltsamen Mischung aus Witz, Ernst und Gefühlen. So spricht der gebürtige Twistringer über den "nicht katholischen, sondern sehr katholischen" Ort Wellingholzhausen, in dem die Geschichte seiner Mutter und ihrer vier Brüder beginnt, und von der Erkenntnis, dass seine Familienmitglieder "ganz dunkle Momente" durchlebten. "Von dem Tag an, an dem die drei Älteren in Russland sind, verändert sich alles. Die Tonart in Feldbriefen verändert sich, es wird wortkarger."
Sorgen wegen des Erfolgs der AfD
Beckmann ist um keine Antwort verlegen. Auch als Bärbel Schäfer die Frage nach der Mitschuld stellt, die seine vier Onkel an den systematischen Ermordungen durch die Nazis trügen. "Man kommt da nicht mit einer weißen Weste raus. Meine Onkel, auch wenn sie keine Karriere gemacht haben und keine Mitglieder in der Partei waren, sind sie Diener dieses Systems gewesen", sagt der ehemalige Sportschau-Moderator.
Schäfer schlägt daraufhin die Brücke ins Jetzt. Die Grenze des Sagbaren habe sich wieder verschoben, auch heute sitze eine rechtsradikale Partei in vielen deutschen Landtagen. "Das Verrücken von Maßstäben und die Gesellschaft macht das schrittweise mit", sagt die 59-Jährige. "Sind wir wachsam genug? Beschützen wir unsere Demokratie und Maßstäbe genug?" Laut Beckmann wird sich das bei den Landtagswahlen in den nächsten beiden Jahren zeigen. Bei den momentanen Zustimmungswerten der AfD werde ihm "schummrig", sagt er. "Dieser Prüfung werden wir uns jetzt stellen müssen."

Laut Alper Yilanci war der Abend sehr unterhaltsam: "Und es war sehr tiefgreifend, was Reinhold Beckmann aus seiner Familiengeschichte erzählt hat."
Christina Kuhaupt
"Mir hat es sehr gut gefallen. Es war fast ein bisschen zu kurz. Weil Herr Beckmann so ein eloquenter Erzähler ist, hätte ich gerne noch mehr von ihm erfahren", sagt Dagmar Krüger.
Christina Kuhaupt
"Ich fand die Geschichte von Reinhold Beckmann super spannend, die musikalische Einlage und die herzerfrischende Art von Bärbel Schäfer echt toll. Das war ein gelungener Abend", sagt Holger Cornely.
Christina Kuhaupt
„Ich fand's großartig und bin noch emotional berührt. Ich habe mich in meine Kindheit und Jugend zurückversetzt gefühlt", sagt Hille Kreth. Das habe auch daran gelegen, dass sie aus Twistringen komme, etwa in Beckmanns Alter sei und ihn aus seiner Zeit in der Kirche kenne.
Christina Kuhaupt
"Reinhold Beckmann war der Auslöser dafür, dass ich gekommen bin, weil ich zuhause meine Familiengeschichte aufarbeite und es da viele Parallelen gibt", antwortet Rudolf Reinhardt auf die Frage, wie ihm der WESER-Strand-Talk gefallen hat.
Christina Kuhaupt
Rita Foerster zeigte sich angetan von Bärbel Schäfers Gesprächsführung: "Ihr ist der Übergang von der traurigen Familiengeschichte Beckmanns zu einer lustigen Veranstaltung sehr gut gelungen."
Christina Kuhaupt
Holger Berghoff hat Reinhold Beckmann als "ausdrucksstark, einfühlsam und vor allem normal" wahrgenommen.
Christina Kuhaupt
"Es ist mit einem sehr ernsten Thema gestartet und hat einen tollen Abschluss mit dem Bremen-Lied gefunden", fasst Beate Berghoff zusammen. Ihre Erwartungen an den Abend seien vollends erfüllt worden.
Christina KuhauptEs folgt Beckmanns erste von zwei spielerischen Bewährungsproben, die zum Programm des WESER-Strand-Talks gehören. "Wir appellieren jetzt noch einmal an deine Zeit als Sportmoderator", leitet Schäfer das Spiel "Was passiert als Nächstes?" ein. Auf einem Bildschirm läuft eine Szene aus einem Fußballspiel, Beckmann soll schnellstmöglich erraten, um welche es sich handelt. "Es ist Finale", kommentiert er den Start der ersten Sequenz. "Jetzt kommt gleich die Flanke von André Schürrle und dann steht Götze da vorne und wird den Ball annehmen und den Ball in einer Bewegung ins Tor schießen", sagt Beckmann und stützt sich auf die Armlehnen des Sessels.
Der Moment spiegelt den Abend. Der Talkshow-Gast zeigt immer wieder, dass er nicht gekommen ist, um die Zeit abzusitzen. Er erzählt lebhaft, und Bärbel Schäfer nutzt ihre Chancen, einzuhaken. Ob er die Zeit als Sportmoderator vermisse, fragt sie. "Nein", antwortet er. "Keine Entzugserscheinung, kein Phantomschmerz?", setzt Schäfer nach und ermuntert Beckmann damit zu weiteren Ausführungen über seine 40-jährige Fernsehkarriere, heutige Fußballabende mit WESER-KURIER-Kolumnist Lou Richter und seine neue Freiheit als Autor von Büchern und Songtexten.
Gegen Ende zeigt Beckmann mit Gitarrist Johannes Wendrich einen Ausschnitt seines musikalischen Schaffens. Erstes Stück ist die Ballade "Vier Brüder", die wie das Buch die Verluste seiner Mutter behandelt, anschließend das "Bremen"-Lied. Das handelt laut Beckmann "vom Wunder der Liebe und einem nicht gut riechenden VW Käfer". Ein letztes Mal zeigt der 67-Jährige Körpereinsatz und fordert das Publikum beim letzten Refrain dazu auf: "Das ist doch euer Song und Sitzen ist für'n Arsch." Gehörig folgt es, klatscht und stimmt mit ein: "Noch einmal, einmal mit dir nachts durch Bremen."