„Bist Du hinten fertig, kannst Du vorn gleich wieder anfangen“ – diesen Spruch müssen sich Besitzer von Booten und Schiffen oft anhören, wenn es um die Sanierung geht. Beim Deutschen Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven war das angesichts der Größe des Hauses und der Vielzahl der Sammlungsobjekte bisher ähnlich. Mit dem neuen Sanierungskonzept und umfassenden Umbauten soll das nun anders werden. Das DSM als eines von acht deutschen Forschungsmuseen und Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft erfindet sich neu.
„Wir wollen weg von der rein chronologischen Sammlung maritimer Geschichte“, sagt Professor Sunhild Kleingärter, geschäftsführende Direktorin des Museums, bei einem Rundgang durch das Haus. Ziel ist die Kogge-Halle, als erster Teil des Komplett-Umbaus für 3,8 Millionen Euro fertig saniert und seit gut einem halben Jahr wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. „Es wird alles lebendiger und aktueller. Das Konzept: Die Forscher präsentieren ihre Arbeit anhand von Objekten, und daraus ergeben sich die Inhalte der Ausstellung“, erklärt die Direktorin.
Alles ist neu und hell
Die Bremer Kogge von 1380 ist dafür ein gutes Beispiel. Als Forschungsobjekt steht der dunkelbraune, mehr als 20 Meter lange Holzrumpf prominent in der Kogge-Halle und ragt beeindruckend vor einem auf. „Wir gehen nach oben auf die Galerie“, sagt Sunhild Kleingärtner. „Von dort sieht man das Ergebnis des Umbaus besser.“ Offensichtlich: Die ehemals dunklen Böden in der Halle wurden durch einen hellen Belag ersetzt. Stahlgeländer, Wandfarben, Strahlerleisten – alles neu und hell. Gezielt gesetzte Lichtpunkte machen den dunklen Rumpf der Kogge noch dreidimensionaler. Rund um das historische Schiff warten Erlebnis-Stationen auf die Besucher.
So kratzen dort nachgewebte Stoffe aus Schafswolle, die damalige Bordkleidung der Seemänner, beim Berühren auf der Haut. Auch der kleinste Mitreisende auf Handelsschiffen des Mittelalters hat einen Platz in der Ausstellung gefunden: der Kornkäfer. Nur stecknadelkopfgroß, sitzt er getrocknet und unschuldig in einer Glasvitrine quasi neben seinem Steckbrief: Der Schädling konnte auf Frachtschiffen wie der Bremer Kogge bis zu 75 Prozent der Getreideladung noch während der Fahrt vernichten. Es gibt Informationen zu Klaus Störtebeker und auch ein mittelalterliches Modell der Stadt Bremen. Beim Druck auf einzelne Hausdächer starten kurze Videofilme zur Geschichte der Hansestadt an der Wand gegenüber.

Freuen sich am Modell zum Umbau über die Fortschritte bei der Sanierung: Direktorin Sunhild Kleingärtner (links) und Ruth Schilling.
„Unser Anliegen ist es, fokussierter, transparenter und damit interessanter zu werden“, erklärt Ruth Schilling, die auf dem Weg in den sogenannten Scharoun-Bau zu uns stößt. Die 41-jährige forscht aktuell am Schiffahrtsmuseum. Gleichzeitig ist sie für die neuen Inhalte der Ausstellungsbereiche verantwortlich. Eine der Hauptaufgaben: Die Vielzahl der Ausstellungsobjekte, die sich seit der Eröffnung des Hauses in den 1970er-Jahren angesammelt haben, sinnvoll zu verwenden oder auszutauschen. Mit insgesamt 8000 Quadratmeter Ausstellungsfläche hat das Haus einiges zu bieten.
„Der Umbau im Museum steht vor allem für eine stärkere Einbindung der Wissenschaft in die Ausstellung. Die Besucher sollen aktiv erleben, was schifffahrtsgeschichtliche Forschung bedeutet und womit wir uns beschäftigen“, sagt Ruth Schilling. Dieses Konzept zieht sich vom Scharoun-Bau bis in den sogenannten Bangert-Bau, den jüngsten Anbau an das DSM mit seinem spitz zulaufenden, weißen Dach. Er ist wegen der laufenden Umbauarbeiten derzeit geschlossen. Die Vitrinen werden vorsichtig ausgeräumt und die Ausstellung komplett neu konzipiert. Ruth Schilling zeigt auf das große Kiesbett in der Mitte des Bangert-Baus. Hier liegen jetzt noch dicht an dicht Holzsegelboote als Beispiel für die Entwicklung des Segelsports. Zukünftig wartet an dieser Stelle auf die Besucher im wahrsten Sinne des Wortes etwas Größeres.
„Wir bekommen einen Nachbau des Forschungseisbrechers Polarstern“, sagt Direktorin Sunhild Kleingärtner und lacht im nächsten Moment. „Natürlich nur einen Ausschnitt davon, mit verschiedenen Decks und Kabinen. Die Besucher können hineingehen, sind praktisch an Bord des Schiffes und erfahren alles zur Polarforschung.“ Gleichzeitig könnten die Räume für wechselnde Ausstellungsthemen genutzt werden.
Mensch und Meer
Ein wesentlicher Punkt in der Neuausrichtung des Museums soll auch die Verbindung des Menschen mit dem Meer sein. Wie nutzt er das Meer? Was bedeutet das für diesen Lebensraum? „Wir werden neben reinen Schifffahrtsthemen auch die Frage des Mülls im Meer beleuchten oder welche Produkte der Mensch aus dem Meer gewinnt. Das können selbst ungewöhnliche Lebensmittel oder Kosmetikprodukte sein“, so Sunhild Kleingärtner. Der Verkauf von Creme aus Algen im Museumsshop sei dabei ebenso eine Option wie die klassische Schirmmütze mit Kogge-Motiv.
Bereits im Herbst nächsten Jahres soll der frisch sanierte Bangert-Bau wieder eröffnet werden. Zuvor, ab Mitte 2018, wird auch der Scharoun-Bau als Ursprungshaus des Deutschen Schiffahrtsmuseums geschlossen und bis 2020 umgebaut. Für mehrere Monate wird also ausschließlich die Kogge-Halle geöffnet sein – doch das DSM hat sich für diese Zeit schon etwas ausgedacht. Sunhild Kleingärtner: „Wir überlegen, die Menschen in der Region in den leer geräumten Scharoun-Bau einzuladen. Dieses Bild wird es in den nächsten Jahrzehnten nie wieder geben. Mit Kunstaktionen und anderem kann das eine ganz tolle und spannende Übergangszeit für uns alle werden.“