Tradition und Wohltätigkeit, gutes Essen und gute Laune, aber auch Abgrenzung nach außen – das ist das Bremer Eiswettfest. In diesem Jahr mussten die Eiswettfestgenossen bis zum April auf ihre Traditionsveranstaltung warten, die normalerweise in der dritten Januar-Woche hätte stattfinden sollen, aber coronabedingt verschoben wurde. Stattdessen also Grünkohl im Frühjahr für die nach Angaben der Veranstalter etwa 500 Gäste, die am Sonnabendnachmittag ins Bremer Congress Centrum kamen. Das Wort Traditionsveranstaltung verrät es eigentlich schon: Der Ablauf des Eiswettfestes sieht keine Überraschungen vor. Auch in diesem Jahr, so hatte es der Eiswettpräsident Patrick Wendisch angekündigt, sollte die Zeremonie nach den jahrhundertealten Regularien abgehalten werden. Improvisieren mussten die Organisatoren dann aber doch ziemlich spontan, da Wendisch kurzfristig krankheitsbedingt ausfiel – Christoph Weiss sprang als Vertreter ein.
Spenden für die Ukraine
Acht Stunden lang, bis in den späten Abend hinein, halten die Männer in Frack oder Smoking üblicherweise ihre Reden, essen und trinken, folgen den Ritualen. Dass das Eiswettfest dieses Jahr formal zwar wie gewohnt, aber inhaltlich unter besonderen Umständen ablaufen würde, war ebenfalls bereits vor einigen Tagen bekannt geworden. An den aktuellen Ereignissen kommt auch eine Traditionsveranstaltung nicht vorbei. In diesem Jahr sammelten die Eiswettfestgenossen erstmals nicht für Schiffbrüchige Spenden, sondern für die Opfer des Ukraine-Krieges. Die Großspende von 446.912 Euro kommt der Organisation "Aktion Deutschland hilft" zugute.
Die Presse durfte in diesem Jahr nicht am Eiswettfest teilnehmen. Was an diesem Abend gesprochen wurde, hat der WESER-KURIER am Telefon vom erkrankten Patrick Wendisch aus zweiter Hand erfahren. So soll die Ukraine am Sonnabend auch in den Reden eine wichtige Rolle gespielt haben. Christoph Weiss habe den Freiheitsbegriff in den Mittelpunkt seiner Rede gestellt und dabei die Verantwortung betont, eben diese Freiheit zu verteidigen. Besonderen Applaus hätten die anwesenden Bundeswehrvertreter bekommen, die zivilgesellschaftlichen Respekt verdienten, so Wendisch. Weiss habe bemängelt, dass Deutschland seine Sicherheit in die USA und seine Energieversorgung nach Russland ausgelagert habe.
Ehrengast Martin Richenhagen hat die Deutschland- und Bremen-Rede gehalten. Dabei ist der deutsch-amerikanische Manager laut Wendisch auf die Unterschiede zwischen Amerikanern und Deutschen eingegangen. Die Deutschen seien zu ängstlich und würden nur Probleme und keine Lösungen sehen – so der Eindruck vieler Amerikaner. Auch über seine Begegnungen mit verschiedenen US-Präsidenten – zuletzt Donald Trump – habe Richenhagen berichtet. Zweiter Ehrengast und Redner war der Kolumnist Jan Fleischhauer. Unter den Gästen war unter anderem Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), der Wendisch zufolge spaßeshalber als "Bremer Papst" bezeichnet worden sei.