Der Kampf ums Überleben bestimmte im Krieg den Alltag vieler Frauen, und auch nach 1945 wurde es für sie nicht einfacher. Mehr als fünf Millionen Männer waren gefallen, über elf Millionen in Kriegsgefangenschaft. Die Frauen mussten ohne sie klarkommen. Sie mussten Steine schleppen, Schutt wegräumen, sie mussten Essen, Heizmittel und Kleidung auftreiben, kurz: Die Rolle der Hausfrau, die im überschaubaren Kreis für das Wohlbefinden der Familie zu sorgen hat, die gab es nicht mehr.
Im Grundgesetz heißt es 1949 zwar „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, es sollte jedoch noch mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis 1958 offiziell das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Kraft trat, und noch bis 1977 durfte eine verheiratete Frau nur dann berufstätig sein, wenn das „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war – und das beurteilte der Ehemann, der auch den Arbeitsvertrag seiner Ehefrau bei Nichterfüllung dieser Pflichten kündigen konnte.

Ein Fabrikant suchte die "schönsten Beine Deutschlands".
Wenn es auch nicht so aussieht: Der eigentliche Grund für diese „Beinbeschau“, die im Oktober 1950 im Bremer Lloyd-Hotel stattfand, war ein fast wissenschaftlicher, auf jeden Fall aber ein geschäftlicher. Zu der Veranstaltung hatten die Unterroter ARWA-Strumpfwerke aus dem Nordosten Baden-Württembergs aufgerufen. Weil die Beine der deutschen Frauen seit 1938 länger und kräftiger geworden waren, musste ein neues Normalmaß für die damals noch passgenau gewirkten und genähten Strümpfe berechnet werden. Fabrikant Hans Thierfelder, der die große Marktanalyse in Auftrag gab, hatte die Idee mit der Ausschreibung zu der Wahl der „schönsten Beine Deutschlands“ – so, das war sein Kalkül, würde er an die Maße vieler Frauen kommen. Tausende schickten ihre an Fessel, Wade und Oberschenkel gemessenen Daten an die ARWA-Werke, und viele nahmen dann an Vorentscheidungen in allen größeren Städten teil – so auch in Bremen.

Die Tänzerin und Artistin Gonda Sureen ist die "Beinkönigin" der Hansestadt und "Deutschlands Beinkönigin" gewesen.
Ursula Knoth, mit Künstlernamen Gonda Sureen, gerade mal 18 Jahre alt und in Bremen als Tänzerin und Artistin bekannt, wurde nicht nur die „Beinkönigin“ der Hansestadt; sie wurde in einer Finalausscheidung im Juni 1951 im Münchner Regina-Palast-Hotel auch zu „Deutschlands Beinkönigin“ gekürt und erhielt als Preis ein Flugticket nach Hollywood zu einer Werbetour durch die USA. Heute lebt Ursula Knoth in einem Bremer Pflegestift.
Dass diese Veranstaltungen neben dem geschäftlichen und halbwissenschaftlichen Teil auch viel über das deutlich männlichvoyeuristische Empfinden verrieten, zeigen Textauszüge aus dem WESER-KURIER: „Zettel um Zettel wurde beschrieben, … bis vier Damen vor dem Richtertisch standen, die Röcke schoben sich hoch …“ oder die Bildunterschrift „Wer möchte da nicht Richter sein?“

Das neue Magazin "Mein Bremen".
Weitere Informationen
Mein Bremen 1945–1967
Menschen und ihre Geschichten
Der 5. Band unserer Magazinreihe „Mein Bremen“ zeigt den Aufbruch und Stolz der bremischen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 bis 1967. Der 2. Band dieses Zeitraums lebt erneut von Fotos aus den Privatbeständen der Leserinnen und Leser des WESER-KURIER, die Einblicke in die spannendes Zeit des Wiederaufbaus geben. Eine wichtiges Thema ist die Rolle der Frau, die sich besonders verändert hat, was schon die selbstbewusste junge Frau auf dem Titelblatt symbolisiert. Erhältlich ab dem 27. Februar in während Corona geöffneten Buchhandlungen, telefonisch unter 0421 / 36 71 66 16 und auf www.weser-kurier.de/shop. 116 Seiten, 9,80 Euro.