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Coronavirus Bremer Kliniken: Neue Strukturen für mehr Fälle

Weil ein Anstieg an Infektionen erwartet wird, haben Bremer Kliniken ihre Hilfsstrukturen überarbeitet. So zieht die Corona-Ambulanz ins Messezentrum. Hausärzte richten Infekt-Behandlungsstellen ein.
21.03.2020, 05:00 Uhr
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Von Sabine Doll, Jürgen Theiner und Lisa-Maria Röhling

Die Bremer Kliniken haben ihre Hilfsstruktur noch einmal überarbeitet, um sich auf den erwarteten Anstieg der Coronainfektionen vorzubereiten: Die Corona-Ambulanz am Klinikum Mitte wechselt am Montag ihren Standort. Sie wird in provisorischen Räumlichkeiten in den Messehallen 5 und 6 an der Bürgerweide ihre Tätigkeit fortsetzen. In der Ambulanz findet seit Beginn der Krise die Corona-Diagnostik von Verdachtsfällen statt, nachdem Hausärzte Patienten mit entsprechenden gesundheitlichen Beschwerden dorthin überwiesen haben. Der Modulbau an der St.-Jürgen-Straße, in dem die Ambulanz bisher untergebracht war, soll für die stationäre Betreuung von Corona-Patienten umgestaltet werden.

In der Messehalle 5 ist zudem deutlich mehr – und vor allem überdachter – Warteraum vorhanden. Die neue Anlaufstelle soll ab Montag geöffnet sein, der Umzug ist schon jetzt im Gange, bis dahin bleibt das Klinikum Mitte aber die zentrale Ambulanz, die zweite Ambulanz am Klinikum Ost bleibt weiterhin bestehen. Mit der Maßnahme solle das Klinikum Mitte entlastet werden, und auch die möglichen Patienten und Verdachtsfälle sollen durch die Weitläufigkeit des Geländes besser geschützt werden können.

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Und auch für bereits Erkrankte soll eine bessere Versorgung in Form einer Corona-Notaufnahme geschaffen werden. Die Lage verändere sich aktuell, erklärte Karen Matiszick, Sprecherin der Gesundheit Nord (Geno), man rechne mit mehr Patienten, die schwer erkrankt sind und deshalb so schnell wie möglich stationär behandelt werden müssen. Die Notaufnahme solle getrennt von der normalen Notaufnahme entstehen. „Das wollen wir bewusst nicht mischen“, sagt Karen Matiszick.

Derweil bemühen sich Gesundheitsbehörde und Bremer Kliniken, die intensivmedizinischen Versorgungskapazitäten deutlich auszuweiten und so für einen größeren Andrang von Corona-Patienten gewappnet zu sein. 340 Planbetten auf Intensivstationen gibt es derzeit in den Krankenhäusern der Gesundheit Nord (Geno) und der freien Träger. Allerdings sind diese Betten derzeit großenteils mit normalen Patienten belegt. Freie Plätze für Corona-Erkrankte, die im schlimmsten Fall sogar künstlich beatmet werden müssten, sind nur in geringer Zahl vorhanden.

Kapazitäten müssen geschaffen werden

Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) räumt das unumwunden ein. „Im gegenwärtigen System können die Kapazitäten gar nicht da sein“, so Bernhard, „sie müssen in den nächsten Wochen geschaffen werden“. Angestrebt sei ein Ausbau auf 500 bis 600 Plätze. Die Senatorin ist guten Mutes, diesen quantitativen Sprung zu schaffen, auch wenn der Nachschub an Ausrüstung derzeit noch stockt. Positive Entwicklungen gibt es bei der Auswertung von Corona-Tests. Hatte es zu Wochenbeginn in manchen Fällen noch mehrere Tage gedauert, bis nach einem Abstrich Klarheit über eine mögliche Infektion bestand, so hat sich diese „Bugwelle“ (Bernhard) inzwischen aufgelöst.

Eine Corona-Ambulanz in Bremerhaven ist zudem seit Freitag in Betrieb. Ärzte können nun begründete Verdachtsfälle auf eine Infektion mit dem Coronavirus an die Ambulanz überweisen. Sie befindet sich in der Dr.-Franz-Mertens-Straße 4 links neben dem Eingangstor zum Gelände des ehemaligen US-Hospitals. Laut Stadt sei die Ambulanz so geplant, dass es zwischen den Patienten möglichst wenig Kontakt gibt.

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Auch die Hausärzte werden neue Anlaufstellen schaffen: „Am Donnerstag haben wir im Vorstand beschlossen, sogenannte Infekt-Behandlungsstellen in den Stadtteilen einzurichten“, sagt der Vorsitzende des Bremer Hausärzteverbands, Hans-Michael Mühlenfeld, dem WESER-KURIER. „Dorthin sollen Menschen kommen, die Beschwerden wie Husten, Niesen oder Halsschmerzen haben – bei denen aber nicht am Telefon geklärt werden kann, ob es sich um einen normalen Infekt oder um Symptome einer Coronavirus-Infektion handelt.“

Diese Patienten seien, wenn sie keinen Kontakt zu Corona-Infizierten hatten oder sich nicht in einem Risikogebiet aufgehalten haben, nach der Definition der Behörde kein Fall für die Corona-Ambulanzen. Mühlenfeld: „Sie könnten trotzdem infiziert sein und milde Symptome aufweisen. Es könnte sich aber auch um einen normalen Infekt oder um Grippe handeln. In meiner Praxis führen wir täglich um die 70 Telefonberatungen durch. Das klappt gut, aber nicht in jedem Fall kann geklärt werden, worum es sich handelt.“ Viele Hausärzte würden solche Patienten am Rande der Sprechzeiten einbestellen, dies sei aber keine Lösung, zumal dadurch das Praxispersonal gefährdet sei.

Patientengruppe gezielt an feste Stellen weiterleiten

Werde diese Patientengruppe gezielt an feste Stellen weitergeleitet, könne das Risiko, dass Ärzte sowie Fachkräfte erkranken und Praxen geschlossen werden müssen, gesenkt werden. „Was uns bisher an Lösungen angeboten wird, reicht nicht aus, deshalb haben wir die Einrichtung von Infekt-Behandlungsstellen beschlossen“, so der Verbandsvorsitzende.

Dabei soll es sich um bestehende Arztpraxen handeln, die entsprechende Sprechzeiten mit eigenem oder auch wechselndem Personal anbieten. Die Vorbereitungen dafür hätten gerade begonnen, je nach Entwicklung könnten die Behandlungsstellen in etwa zehn Tagen an den Start gehen. „Wir müssen das Personal in den Praxen schützen, um die Versorgung aller Patienten aufrechtzuerhalten. Es darf nicht zu einem Kollaps der Gesundheitsversorgung kommen“, betont Mühlenfeld.

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Zur Sache

Kurze Wartezeiten bei Tests

Aktuell wird nach Angaben des Gesundheitsressorts ein großer Teil der Tests auf eine Corona-Infektion innerhalb von 24 Stunden ausgewertet. Nur vereinzelt liege das Ergebnis erst am Tag darauf vor. Wie und wann die Getesteten über Ergebnisse informiert werden, erklärte Behördensprecher Lukas Fuhrmann, ließe sich nicht pauschal sagen.

Patienten sollten sich deshalb immer vor Ort informieren, wie das weitere Prozedere ist. Patienten sind weiterhin angehalten, sich bei einem Verdacht auf Corona zuerst telefonisch an den Hausarzt, die Kassenärztliche Vereinigung (Nummer: 116 117) oder das Bürgertelefon (Nummer: 115) zu wenden.

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Spendenaufruf für Schutzausrüstung

Die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB) hat am Freitag Betriebe dazu aufgerufen, Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel kostenfrei abzugeben, damit die Versorgung in den Arztpraxen weiterhin gewährleistet werden kann. Dies könnten zum Beispiel Gaststätten und Hotelbetriebe sein, die noch über Bestände verfügten. „Die Bestände in den Arztpraxen in Bremen und Bremerhaven gehen zur Neige, teilweise gibt es schon gar keine Reserven mehr“, sagte KVHB-Sprecher Christoph Fox. Dringend benötigt würden FFP2-Masken, Schutzbrillen, Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel.

Es seien zwar Schutzmasken zu den Kassenärztlichen Vereinigungen unterwegs, die vom Bundesbeschaffungsamt geordert worden seien. „Allerdings werden diese voraussichtlich nicht für die Ausstattung der Arztpraxen ausreichen. Zum aktuellen Zeitpunkt können wir auch nicht sagen, wie viel konkret davon in Bremen ankommt“, so Fox. „Wir nehmen alles, was kommt.“ Aktuell müssten sich immer mehr Praxen in Bremen und Bremerhaven Gedanken darüber machen, ob sie wegen der fehlenden Ausrüstung zum Schutz ihrer Ärzte, Mitarbeiter und Patienten schließen müssten. Fox: „Das soll unbedingt verhindert werden, um die Versorgung vor allem älterer und chronisch kranker Menschen aufrechterhalten zu können.“ Betriebe, die spenden wollen, können sich bei der KVHB unter Telefon 0421 / 340 43 28 melden oder per Mail an c.fox@kvhb.de wenden.

Der Sprecher verwies auf Volkswagen: Der Wolfsburger Autobauer hatte am Freitag angekündigt, mehrere Hunderttausend Atemschutzmasken zu spenden. Sie stammen laut dem Konzern aus eigenen Beständen, die teils in der ruhenden Produktion eingesetzt worden wären. Sie sollen Kliniken, Arztpraxen, Gesundheitsämtern und städtischen Behörden in Niedersachsen zur Verfügung gestellt werden. Wie groß der Notstand ist, zeigt auch ein Brief des niedersächsischen Hausärzteverbands an seine Mitglieder: Als „Hilfe zur Selbsthilfe“ verschickte der Verband eine Nähanleitung für einen Behelf-Nasen-Mund-Schutz. Dieser sei allerdings weder geprüft noch zertifiziert und stelle lediglich ein Hilfsmittel dar, hieß es.

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