Insgesamt 75.966 Straftaten im Bundesland Bremen stehen in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2021, das sind 4903 weniger als in der des Vorjahres (80.869). Für Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der die Zahlen am Donnerstagvormittag präsentierte, ist das trotzdem kein Grund zur Freude. Das liegt daran, dass die Sicherheitsbehörden in bestimmten Kriminalitätsbereichen hohe Steigerungen registrierten – Grund dafür ist auch Corona. "Auch im Jahr drei der Pandemie kann die Polizeiliche Kriminalstatistik nicht ohne die teils massiven Einflüsse auf die Kriminalitätsentwicklung betrachtet werden", sagte Mäurer.
Das gilt auch für die stark gestiegenen Zahlen der Fälle von Kinderpornografie und Missbrauch. Eine große Rolle spielen dabei das Internet und soziale Netzwerke, in denen Kinder und Jugendliche vor allem in den Lockdown-Phasen verstärkt unterwegs waren.
Insgesamt acht neue Stellen
Mit insgesamt 375 im Vergleich zu 135 in der PKS 2020 sei vor allem die Zahl der angezeigten Fälle von Kinderpornografie geradezu explosionsartig gestiegen, sagte der Innensenator. Der Grund dafür: Es gibt durch Hinweise der amerikanischen Organisation NCMEC (National Centre for Missing and Exploited Children) an das Bundeskriminalamt nun deutschlandweit eine neue Datengrundlage.
Mäurer: "Das Thema Kinderpornografie ist ein besonders erschütternder Bereich kriminalpolizeilicher Arbeit." Der Innensenator rechnet damit, dass auch Änderungen am sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (seit Februar in Kraft) dazu führen werden, dass auch in Bremen noch weitaus mehr Fälle bekannt werden. „Wir haben daher das zuständige Kommissariat personell mit fünf Vollzeitstellen im Nichtvollzug und drei im Vollzug verstärkt", sagte der Senator.
"Besorgniserregend" ist laut Polizeipräsident Dirk Fasse auch die Zahl von 132 angezeigten Fällen von sexuellen Missbrauchs von Kindern, zehn mehr als in der Vorjahresstatistik. Bundesweit gäbe es immer mehr Versuche von Erwachsenen, die versuchten, über Messengerdienste Kinder und Jugendliche sexuell zu belästigen oder zu Nacktaufnahmen zu überreden, beschrieb Fasse das sogenannte Cybergrooming. „Die Zahlen steigen auch deshalb, da wir heute den Begriff sexueller Missbrauch zu Recht weiter fassen als früher", sagte Fasse. "Es ist ein wichtiger Schritt, erlittenes Unrecht zu benennen und die Täter mit Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden nicht davonkommen zu lassen.“
"Aggressive Dauerstimmung" als Gewaltauslöser
Die für viele Menschen psychisch belastenden Auswirkungen der Pandemie könnten laut Mäurer ein Grund dafür sein, dass auch die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt zum zweiten Mal in Folge gestiegen sei. Im Vorjahr wurden 2339 Fälle registriert und damit 186 mehr als 2020, wo die Behörden bereits einen starken Anstieg verzeichnet hatten. "Kurzarbeit, drohende Arbeitslosigkeit, der Ausfall von Schulunterricht oder der Betreuung der Jüngsten in der Kita hat in manchen Familien zu einer angespannten, aggressiven Dauerstimmung geführt, die sich schließlich bei einigen in Gewaltausbrüchen ihren Weg bahnte“, sagte Mäurer.
Die tatsächlichen Zahlen dürften weitaus höher liegen – viele Taten werden von den Opfern aus Gründen wie Scham oder Angst nicht angezeigt. Umso wichtiger sei es, sagte Mäurer, "so viele Gewaltspiralen wie möglich im häuslichen Umfeld zu unterbrechen". Ein Hilfsangebot soll die neue Gewaltschutzambulanz sein, die noch in diesem Jahr eingerichtet werden soll. Auch die Polizeien im Land Bremen bauten ihre Instrumente zur Analyse von Gefahren und Hochrisikofällen weiter aus, so Mäurer.
Es gab jedoch auch Bereiche, in denen sich Corona positiv auf die Kriminalität ausgewirkt hat: Wohnungseinbrüche (470 Fälle im Vergleich zu 641 in 2020) gingen ebenso zurück wie Ladendiebstähle (minus 28,2 Prozent) und Schwarzfahren (minus 40,2 Prozent).
Hinweis: Bei der jährlich vom Bund und den Ländern vorgestellten PKS handelt es sich nicht um eine Statistik nach Tatzeitpunkten. Erfasst werden alle Fälle, die die Polizei im Vorjahr abgearbeitet hat. Das können, beispielsweise bei aufwendigen Verfahren, auch Verbrechen sein, die schon mehrere Jahre zurückliegen. Die PKS-Daten dürfe man also, sagte Senator Mäurer, nicht überbewerten. Sie lieferten jedoch belastbare Hinweise auf bestimmte Entwicklungen.