Vor vielen Jahren war Dr. Lars Kaschke Lehrer in Bremen. Dann wechselte er an ein Gymnasium in Niedersachsen. Allerdings bekommt er noch Geld aus Bremen. Rund 3000 Euro Gehalt müsste er noch bekommen. Stattdessen wurde er jahrelang vertröstet, erzählt er. Zumindest als ihm die Bremer Bildungsbehörde noch auf seine Schreiben antwortete. Doch auch das tue sie schon lange nicht mehr.
Der Anfang dieser Geschichte reicht über 20 Jahre zurück. Ab dem 1. August 2003 wurden in Bremen alle unter 50-jährigen Lehrkräfte dazu verpflichtet, zwei Jahre lang eine Unterrichtsstunde mehr pro Woche zu leisten, sogenannte „U-50 Vorgriffsstunden“. Die zusätzlich geleisteten Stunden sollten auf Unterrichtskonten festgehalten werden, der Ausgleich dafür später erfolgen.
Als dann aber die ersten Pädagogen das Alter erreicht hatten, um den Ausgleich zu beantragen, war davon plötzlich nicht mehr die Rede. Die Bildungsbehörde vertrat den Standpunkt, dass die Verordnung 2015 ausgelaufen sei und es somit keine Rechtsgrundlage mehr für den Ausgleich dieser Mehrarbeit gebe. Zudem gebe es ja ohnehin eine generelle Altersermäßigung für Lehrkräfte – eine Stunde pro Woche weniger ab dem 58. Lebensjahr, zwei Stunden weniger ab dem 60. Lebensjahr. Damit wären auch die Vorgriffsstunden abgegolten.
Dagegen klagten im Herbst 2019 zwei betroffene Lehrerinnen. Mit Erfolg – das Verwaltungsgericht kassierte die Rechtsauffassung der Bildungsbehörde ein und forderte sie auf, eine Verordnung zu erlassen, die den Ausgleich der Mehrarbeit regelt.
Kurz nach diesem Urteil stellte Lars Kaschke im Oktober 2019 einen Antrag auf Auszahlung der geleisteten Mehrarbeit. Worauf ihm mitgeteilt wurde, dass nun zunächst eine „Ausgleichsregelungs-Verordnung“ erstellt werden müsse. Erst danach würde über seinen Antrag entschieden. Verbunden damit war die Bitte um etwas Geduld.
Behörde antwortet nicht mehr
„Danach passierte – nichts“, erzählt Kaschke. Im März 2021 wurde ihm auf seine erneute Anfrage mitgeteilt, dass besagte Verordnung „etwa im dritten Quartal 2021“ beschlossen würde. Anschließend sollten alle Anträge dann gemäß der Dringlichkeit abgearbeitet werden, das heißt nach Alter und gegebenenfalls verbleibender Dienstzeit. Und wieder die Bitte um Geduld. Und darum, nicht immer wieder nachzufragen.
Tatsächlich gibt es die Ausgleichsregelung seit September 2021. Doch Lars Kaschke hat nie wieder etwas von der Bremer Schulbehörde gehört. „Alle weiteren Schreiben meinerseits wurden komplett ignoriert, am Telefon wurde ich von Pontius zu Pilatus verwiesen und niemand, der mit mir sprach, hatte die geringste Ahnung von dem Vorgang.“ Er sei von seinem ehemaligen Arbeitgeber enttäuscht, sagt Kaschke. Damals habe ihn die zusätzliche Unterrichtsstunde schon belastet. „Aber ich habe bis heute keinen Cent erhalten.“ Geärgert habe ihn zudem, dass er nicht einmal mehr eine Antwort auf seine Schreiben erhielt. „Ich bin vielleicht etwas altmodisch, aber meiner Überzeugung nach hat ein Arbeitgeber im öffentlichen Dienst eine Vorbildfunktion.“
Dass die Abarbeitung der Anträge so lange dauert, obwohl der rechtliche Rahmen dafür längst gesteckt ist, hat einen hausgemachten Grund. Anders als eigentlich vorgesehen, wurden die mehr geleisteten Stunden damals nicht personenscharf erfasst und dokumentiert, erläutert Patricia Brandt, Sprecherin der Bildungsbehörde. „Das bringt uns jetzt in die schwierige Situation, ganz viele Einzelanträge prüfen zu müssen, was arbeits- und zeitintensiv ist.“ Man arbeite aber zurzeit an einer Lösungsstrategie, „wie dieser Prozess vereinfacht und pauschalisiert werden kann“.
Die Bildungsbehörde geht von 2.500 bis 3.000 geleisteten Vorgriffsstunden aus. Sie sollen bis 2047 antragsgemäß zu etwa zwei Drittel in Geld und ein Drittel in Zeit ausgeglichen werden. Rund 2.000 Anträge lägen inzwischen vor, 640 davon seien geprüft und beschieden. „Um trotz fehlender Verwaltungskapazitäten allen Berechtigten einen zeitgerechten Ausgleich zu ermöglichen“, erfolgt dieses Verfahren nach Lebensalter der Antragsteller, erklärt Brandt. Für das laufende Jahr bedeute dies rund 200.000 Euro an Geldausgleich sowie 96 Lehrerwochenstunden Zeitausgleich.
Ausgleich bis zum Jahr 2047
Vorgesehen ist der Ausgleich in Zeit oder Geld ab dem Schulhalbjahr, nachdem die oder der Betroffene das 60. Lebensjahr vollendet hat. Für Lars Kaschke, Jahrgang 1966, bedeutet dies, dass er noch etwa zwei Jahre warten muss, bis sich die Schulbehörde mit seinem Antrag befasst. Über zwei Jahrzehnte nach seiner Mehrarbeit für das Bremer Bildungssystem.
Darauf verlassen sollte er sich aber besser nicht, rät Frauke Töppe, eine der beiden erfolgreichen Klägerinnen von 2019 und langjähriges Mitglied im Personalrat Schulen Bremen. „Die Leute sollten hartnäckig sein. Notfalls mithilfe eines Anwalts.“