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Serie: Wohnen im Wandel der Zeit (5) Welche ungewöhnlichen Wohnkonzepte es in Bremen gibt

Auf dem Campingplatz, in einem Bunker oder in einer Minihaus-Siedlung – auch in Bremen gibt es Menschen, die ungewöhnlich wohnen wollen. Einige konnten ihre Ideen schon umsetzen, andere arbeiten daran.
18.12.2020, 06:00 Uhr
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Welche ungewöhnlichen Wohnkonzepte es in Bremen gibt
Von Felix Wendler

 

Der Dauercamper

Wer Rolf Otto besuchen will, muss an der Rezeption vorbei. Ein paar Meter weiter, links am Sanitärgebäude abbiegen, dann ist die Siedlung schon zu erkennen: Wohnmobile, Wohnwagen, kleine Fertighäuser. Touristische Übernachtungen sind aktuell verboten, und auch wenn sie es nicht wären, würde man hier im Novemberregen wohl keine Urlauber sehen. Auf dem Campingplatz am Unisee sind diejenigen übrig geblieben, die hier dauerhaft wohnen. Genau genommen campen sie. Einen offiziellen Wohnsitz hat hier niemand, weil das nicht erlaubt ist.

Eingerahmt von etwa 20 anderen Dauercampern steht Ottos Wohnwagen mitsamt Vorzelt. Der 61-Jährige hat aufgeräumt. „Ging schnell“, sagt er. „Lag ja nicht viel rum.“ Dreißig Jahre lang sei er bei der Bundeswehr gewesen, mittlerweile pensioniert, aber den Sinn für Ordnung habe er im Blut. Und viel Fläche ist es ja auch nicht, um die er sich kümmern muss. Noch schnell eine neue Gasflasche angeschlossen, dann bittet er hinein. Warm und gemütlich, aber auch eng, ist der erste Eindruck. Es ist keiner dieser modernen Straßenkreuzer, sondern ein älteres Modell, höchstens zehn Quadratmeter groß. Otto trägt Funktionsjacke und Schnauzbart. Er mümmelt sich auf die Sitzbank am Küchentisch, die Beine angezogen, lässt den Blick schweifen. Auch hier drin ist alles ordentlich und sauber. Der dritte Winter im Wohnwagen sei das jetzt, sagt er. „Und ich freue mich immer noch darüber, wenn der Regen morgens auf das Dach prasselt.“

Dann erzählt er. Otto sagt, es sei so gewesen: Vor drei Jahren sei seine Freundin gestorben, mit der er ein Haus bewohnt habe. Seine Freundin habe gewollt, dass er in dem Haus wohnen bleibe. Etwas Schriftliches habe es jedoch nicht gegeben, also hätten die Kinder seiner Freundin ihn nach Ablauf einer Frist vor die Tür gesetzt. Bei der Suche nach einer Wohnung habe es dann Ärger um Bezüge gegeben. Ganz deutlich wird das alles nicht. Otto sagt jedenfalls, er sei ein Sonderfall, quasi durchgerutscht. Und so richtig Lust auf das Leben in einer Wohnung, möglicherweise noch in einem Problemviertel, habe er auch nicht gehabt. „Ich bin ein spontaner Mensch, musste aus dem Haus raus und habe mir die Frage gestellt: Was brauchst du eigentlich?“ Otto macht eine lange Pause, gibt dann selbst die Antwort: „Das, was ich in einen halben Laster bekomme.“

Wenig Platz zu haben störe ihn nicht, habe ihn schon bei der Bundeswehr nie gestört. Otto kaufte also einen gebrauchten Wohnwagen und mietete sich auf dem Campingplatz ein, 250 Euro Pacht im Monat. Toiletten, Waschräume und Kochmöglichkeiten gibt es im Sanitärgebäude nebenan. „Nur einen Schminkspiegel habe ich hier“, sagt er lachend und öffnet einen kleinen Verschlag neben dem Bett. Im Regal über der Kochnische stehen Gewürze. Zimt, Paprika, Chilli. „Ich könnte auch hier kochen, aber gehe meistens rüber.“

So richtig schlau wird man nicht aus Rolf Otto, aber vielleicht muss das auch so sein bei jemandem, der abseits der Norm lebt. Mal streift er das Klischee des eigenbrötlerischen Aussteigers, wenn er sagt, dass er die Freiheit liebt und sich nicht gerne etwas vorschreiben lässt. Dass er ein Bier trinke, wenn er Lust habe, „und wenn irgendwann der ganze Kasten leer ist, dann ist das eben so.“ Auf der anderen Seite klingen seine Erzählungen fast gutbürgerlich – im Sommer sei er viel mit seinem Boot auf der Lesum unterwegs, seine Kinder kämen zur Geburtstagsfeier auf den Platz, gerade habe er ein neues Auto gekauft. Otto sagt, er sei gelernter Energieanlagenelektroniker, habe aber immer ein Faible für Musik gehabt. „Mit 19 oder 20 war mein Auto Schrott. Ich brauchte Geld, also habe ich mich verpflichtet“, sagt er. Sein Weg zum Berufsmusiker, der durch das ganze Land reiste, ist auch nicht frei von Umwegen, aber Otto erzählt es wie eine Selbstverständlichkeit. Auf Nachfrage zuckt er dann mit den Schultern und sagt Sätze wie: „Wenn das wirklich so spannend ist...“

Otto betont den Gemeinschaftssinn auf dem Campingplatz. „Wir passen aufeinander auf“, sagt er, der seinen Wohnwagen lieber nicht von außen fotografieren lassen will. Es habe schon Diebstähle gegeben, da bliebe er lieber vorsichtig. Ja, es sei ziemlich sicher, dass noch einige Winter folgen werden, in denen sein Zuhause sich nicht vom Fleck bewegt. „Ich bin glücklich hier“, sagt Ralf Otto. Als Abschluss natürlich viel zu konventionell, also ergänzt er dann noch, ganz beiläufig: „Aber in ein paar Jahren ziehe ich mit meiner neuen Freundin nach Bulgarien, das steht schon fest. Ein wunderschönes Land. Und viel billiger als hier.“

Die Bunkerbewohnerin

Einen kreativen Architekten als Bruder und viel Offenheit für ungewöhnliche Wohnideen: das sind wohl die zwei wesentlichen Gründe, warum Rosemarie Mielke seit mittlerweile siebzehn Jahren in einem ehemaligen Bunker in Schwachhausen wohnt. „Ein beklemmendes Gefühl hatte ich nie“, sagt Mielke. Im Video erzählt die 71-Jährige, wie der Bunker zum Wohnraum umgebaut wurde – und warum Besucher oft überrascht sind.

Die Suchenden

Mark Christiansen hat das, was man im Volksmund einen langen Atem nennt. Muss er haben. Seit vier Jahren sucht er mit einer Gruppe von Mitstreitern einen geeigneten Ort in Bremen, um eine Tiny-House-Siedlung zu errichten. Tiny Houses sind im Wortsinne nichts anderes als kleine Häuser, je nach Definition 20 bis maximal 50 Quadratmeter groß. Teilweise sind sie als mobile Variante erhältlich, können also den Standort wechseln. Für Mark Christiansen und seine Gruppe ist das nicht wichtig. Sie wollen nicht mobil sein, sondern den gemeinschaftlichen Gedanken leben. Die Idee: eine Art Kommune. „Zehn bis fünfzehn Häuser, man hilft sich untereinander, teilt bestimmte Sachen. Nicht jeder braucht eine eigene Waschmaschine, ein eigenes Fahrrad“, sagt Christiansen.

Das sei längst keine hippe Idee mehr, kein begrenzter Hype. Es gebe für diese Art des Wohnens ein großes Interesse aus verschiedenen Bevölkerungsschichten. „Zum Beispiel von alleinstehenden Frauen, die sich im Alter verkleinern wollen“, sagt Christiansen. Wichtig sei der Gruppe, das Projekt nicht im Umland, sondern in Bremen zu realisieren.

Mark Christiansen und seine Gruppe – Tiny-House-Kultur heißt sie – sind mit ihrer Wohnabsicht quasi die Praktiker der Bewegung. Nicht zu verwechseln damit, aber trotzdem eng verbunden, ist das Projekt Team-Work-Tiny-House. Hier arbeiten Studenten und Auszubildende verschiedener Fachrichtungen an einem Prototypen, der unter anderem für Forschungszwecke dienen soll. Welche Ideen die Gruppe dabei entwickelt und wo sie in Bremen Potenzial für Tiny Houses sieht, erzählen Celina Hoffmann und Lia Schmidt.

Auch die Bremer Baubehörde von Maike Schaefer (Grüne) kann den Tiny Houses durchaus etwas abgewinnen. Bislang hapert es allerdings an einer Antwort auf die entscheidende Frage: Wo sollen sie denn hin? Während Hannover im vergangenen Jahr für ein Tiny-House-Projekt am Rande der Stadt 50 000 Quadratmeter Land reserviert hat, ist das in Bremen deutlich schwieriger. Nachdem bereits einige Ideen im Sande verlaufen waren, kam im Herbst dieses Jahres wieder Hoffnung auf. Eine Vertreterin der Baubehörde selbst habe ein geeignetes Gelände in Woltmershausen aufgetan, sagt Christiansen. Das stimme wohl, heißt es von Behördensprecherin Linda Neddermann auf Nachfrage. „Aber an dem angedachten Ort ist das Projekt wahrscheinlich nicht umsetzbar.“ Das Problem: die Fläche ist als Gewerbegebiet ausgeschrieben, eine Umwandlung sei schwierig und sehr langwierig. Dass es trotzdem noch mit einer Tiny-House-Siedlung in Bremen klappen könnte, ist nicht ausgeschlossen. „Wir suchen jetzt systematisch nach einer geeigneten Fläche“, sagt Neddermann. Mitte März soll ein Gutachten mit Zwischenergebnissen vorliegen. Mark Christiansen muss also weiter geduldig bleiben.

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