Bardenfleth. „Carl Borgward war ein unglaublich begabter Fahrzeugkonstrukteur und Visionär. Er hat nicht nur Autos und Lkw gebaut, sondern auch Hubschrauber. Er glaubte ja, im Jahr 2000 würde es mehr Hubschrauber in Deutschland geben als Autos.“ Dieter Bohlmann, zweiter Vorsitzender der Borgward-Freunde Bremen, ist nicht der Einzige, der ins Schwärmen gerät, wenn es um den legendären, 1963 verstorbenen Automobilfabrikanten und sein Schaffen geht. Er und weitere Mitglieder der Stammtischrunde des Achimer Klubs besuchten am Sonntag zum Saisonabschluss das Oldtimermuseum von Helga Becker und Peter Humpe in Bardenfleth.
In der Einfahrt gaben sich nicht nur die „Isabellas“ und „Arabellas“ von einst ein Stelldichein. Vor den heiligen Hallen der Privatsammlung wurde gefachsimpelt. Marion Kayser, erste Vorsitzende des 130 Mitglieder starken Klubs, schwärmte von der spektakulären Rallye in Peking im März: „Das ging richtig an der Chinesischen Mauer entlang, eine unglaubliche Atmosphäre.“ Anlässlich der Präsentation des neuen SUV BX-5 hatte die Borgward Group AG sieben der Klassiker in die chinesische Hauptstadt geflogen. Die gelbe Arabella von Dieter Bohlmann stand auf dem Weg nach Peking im Bauch einer Boeing 747.
Die nicht ganz so bekannte „Schwester“ der legendären Isabella sei wegen des regelmäßig durch die Gürtelleiste eingedrungenen Regens auch als „Aquabella“ bespöttelt worden. Bei seinem eigenen Modell von 1961 gebe es derlei Probleme nicht: „Da hatten sie die Kinderkrankheiten der Arabella schon im Griff“. Borgward, weiß Bohlmann, habe ständig experimentiert, wenn etwas nicht gestimmt habe. „Mal war der Rhombus größer, mal kleiner, dann wurden die Heckflossen wieder verändert. Daher gab es auch so viele Modelle“, weiß Dieter Bohlmann. Der Legende nach soll der Autopionier seine Käufer oft als Testfahrer angesehen haben: „Die wurden dann großzügig zu Kaffee und Kuchen eingeladen und in der Zwischenzeit wurden die defekten Autos repariert.“
Die Umstände des unglücklich abgewickelten Konkurses der Kultmarke habe Borgward nie überwunden. In den letzten Jahren seines Lebens habe ihr Vater „nur noch funktioniert, nicht mehr gelebt“, soll Borgwards Tochter Monica einem Klubmitglied gebeichtet haben.
170 Kilometer lange Anreise
Die für 2019 geplante Wiederaufnahme der Borgward-Produktion im Bremer Güterverkehrszentrum ist auch ein Thema. „Früher konnten junge Leute mit Borgward nicht viel anfangen. Jetzt sagen sie oft: Borgward, der soll doch jetzt wieder gebaut werden oder?“, hat Marion Kayser bemerkt. Gern nimmt die 43-Jährige Oldtimerfans auch mal auf eine Spritztour mit: „Die Erinnerung kommt oft über den Geruch, viele denken dann an ihren ersten Urlaub im Lloyd Alexander und anderes.“ Harald Eggert schaut mit dem Fahrrad vorbei. „Ich finde es gut, dass man diese alten Fahrzeuge erhält. Mein Vater hatte früher eine Hansa 1100, da durfte ich als Kind zwar mitfahren, aber nie ans Steuer“, erzählt der Lemwerderaner.
Den mit 170 Kilometern weitesten Anfahrtsweg hat Jan Wierema. Der Holländer ist aus Uithuizen mit seinem gelben Coupé Isabella angereist. Seit 20 Jahren ist er Mitglied bei den Borgward-Freunden und mit Blick auf das Fahrgefühl in dem Oldtimer voller Enthusiasmus. „Wenn ich da einsteige, krieg ich ein ganz komisches Gefühl im Kopf. Da strahlt etwas bis in den Rücken hinein, das gibt es sonst nirgends.“ Noch in der vorigen Woche sei er in einem Ford von 1931 Probe gefahren: „Das war aber nicht das Gleiche.“
Den notwendigen Pflegeaufwand für sein Coupé nehme er gern in Kauf: Alle 5000 Kilometer muss Wierema den Fettnippel an der Lenkung abschmieren, dazu kommt der jährliche Ölwechsel. Der Niederländer hat mit Blick auf die große Beliebtheit der Isabella bei Frauen sogar seine ganz eigene Theorie. Der Rhombus, bekanntes Markenzeichen des Borgward, sei schließlich in der Lehre der Wappen auch ein gängiges Symbol, wenn sich die weibliche Erblinie durchgesetzt habe: „Das hat der Borgward bestimmt gewusst.“