Viel Zeit bleibt nicht. Leonie Müller winkt ihre Kollegen in den Kinosaal fünf. Die Vorstellung ist gerade vorbei und die letzten Zuschauer verlassen den Saal. Jeder aus dem Team hat nun seine feste Aufgabe: Müller greift sich den elektrischen Staubsauger, zwei ihrer Kollegen schnappen sich Müllsäcke, um Reste aufzusammeln, zwei andere sind für die leeren Getränkebecher zuständig. Jeder Handgriff muss jetzt sitzen, denn es bleiben nur etwa 25 Minuten, um die Reihen von Popcornkrümeln, Nachoresten und sonstigen Hinterlassenschaften zu befreien. Vor der Tür warten bereits die nächsten Besucher.
Am Wochenende herrscht im Cinestar Bremen Hochbetrieb - an diesem Sonntagnachmittag besuchen viele Familien das Kino am Weserpark. Seit 11 Uhr flimmern die ersten Blockbuster über die Leinwand. Bis zum späten Abend laufen etwa alle zweieinhalb Stunden neue Vorstellungen an. 200 bis 300 Gäste passen im Schnitt in einen Saal - und fast alle produzieren Müll. Das Team des Cinestar ist deshalb von morgens bis abends im Einsatz. "Jeden Morgen kommt eine externe Firma und reinigt das gesamte Kino einmal gründlich", sagt Theaterleiter Erhan Türe. "Während des Tages übernehmen unsere Mitarbeiter diese Arbeit dann selbst." Und das ist nicht wenig.

Viel Zeit bleibt für die Reinigung nicht: 25 Minuten haben die Mitarbeiter durchschnittlich Zeit. Bis dahin müssen Sie unter anderem mit dem Elektrostaubsauber durch jede Reihe gegangen sein.
Kind übergibt sich über 15 Sitze hinweg
Für einige scheint eine Popcornschlacht fast schon zum Besuch im Kino dazuzugehören, könnte man meinen, wenn man durch die leeren Reihen blickt. "Säle, in denen viele Kinder oder Teenager sitzen, sind in der Regel etwas reinigungsintensiver", sagt Türe. Etliche Popcornkrümel sind auf dem Boden und auf den Sitzen verteilt, verklebte Getränkehalter und Reste von Nachosoße vervollständigen das Bild. "Richtig schlimm wird es erst, wenn Nachosoße auf die Sitze geschmiert wird oder Polster mit Absicht beschädigt werden. Das kriegen wir meist so schnell nicht gelöst und müssen dann Sitze sperren", sagt Leonie Müller, die im Team für die Endabnahme der Säle verantwortlich ist. Während die 20-Jährige spricht, flitzt sie mit dem sogenannten "Roller" durch die einzelnen Reihen. So nennen die Kinomitarbeiter ihren elektrischen Staubsauger, mit dem sie die Popcornkrümel verschwinden lassen.
Vergessen einige Besucher in der Anonymität der Dunkelheit ihre guten Manieren? Theaterleiter Türe ist seit mehr als 20 Jahren im Geschäft. Ihn schocke fast gar nichts mehr, sagt er. "Irgendwo gehört dieser Anblick nach einem Kinobesuch dazu, das hat sich über die Jahre hinweg nicht geändert, wobei wir uns natürlich manchmal etwas mehr Rücksicht wünschen würden." Bei der Frage nach seinem eindrücklichsten Erlebnis muss Türe schmunzeln. "Ein Kind hat sich einmal über 15 Sitze hinweg übergeben. Da musste sogar ich kurz schlucken", sagt er.
Sicherheitsdienst gegen TikTok-Randale
Eine Sache habe sich in den vergangenen Jahren jedoch sehr wohl verändert. Kinos müssen sich heute auf Internettrends einstellen, wie etwa TikTok-Challanges, für die sich Jugendliche unter anderem zum Stören verabreden, sodass ganze Vorstellungen abgebrochen werden müssen. Anfang des Jahres etwa sorgten deutschlandweit junge Menschen massiv bei Vorstellungen des Boxfilms "Creed III - Rocky's Legacy" für Unruhen - auch in Bremen. Im Cinespace in der Waterfront war es aufgrund dessen zu mehreren Polizeieinsätzen gekommen. Besucher hatten während der Vorstellung randaliert und so den Abbruch der Vorstellung provoziert.
"So weit ist es bei uns zum Glück nicht gekommen, allerdings haben auch wir besondere Vorsicht walten lassen und bei diesem Film einen Sicherheitsdienst direkt im Kinosaal postiert", sagt Türe. Ein externer Securitydienst sei sowieso täglich im Kino unterwegs und könne bei Bedarf auch während der Filmvorführungen dazustoßen. "In der Marketingabteilung werden solche Internettrends überwacht, um bei Bedarf Warnungen an die einzelnen Kinohäuser rauszugeben", sagt Türe weiter.
Kino stellt auf Mehrwegbecher um
Mitarbeiter Ahmed Karakas sammelt derweil im Kinosaal die restlichen Getränkebecher ein. Im Sommer hat die Cinestar-Kette Einwegbecher konsequent aus ihrem Sortiment verbannt und setzt ausschließlich auf ein Mehrwegsystem. Seit Juni habe man so deutschlandweit den Müll von 1,6 Millionen Einwegbechern vermeiden können, gab das Unternehmen Anfang Dezember bekannt. Dafür wurde Cinestar inzwischen von der Deutschen Umwelthilfe ausgezeichnet.

Cinestar-Theaterleiter Erhan Türe ist bereits seit mehr als 20 Jahren im Geschäft und hat schon so einiges gesehen.
"Für uns ist das eine große Entlastung", sagt auch Erhan Türe in Bremen. Einmal in der Woche hole ein Lieferant die benutzten Becher ab, schicke sie durch eine Spülstraße und bringe sie anschließend wieder zurück. Auch bei den Mitarbeitern selbst schärft der Putzdienst im Kino das eigene Verhalten im Privatleben, berichtet der 20-jährige Karakas. "Wenn ich mit Freunden im Kino bin, achte ich sehr genau darauf, dass jeder am Ende seinen Müll einsammelt und entsorgt", sagt er und lacht.
Leonie Müller dreht wenig später ihre letzte Runde durch den Saal fünf. "Unter den Sitzen müsst ihr etwas genauer hinschauen Leute, da wird oft etwas vergessen", ruft sie und holt noch einmal schnell den Sauger. Dann nimmt sie das Schild vor dem Eingang weg, sodass die neuen Besucher in den Saal dürfen - in den Händen prall gefüllte Popcornbecher und XXL-Getränke.