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Serie: Instrumentenbau in Bremen (2) Der lange Weg zum perfekten Klang

Bremen. Seit Jahrhunderten werden Musikinstrumente in traditioneller Handarbeit gefertigt. In einer Serie stellen wir Instrumentenbauer in Bremen vor. Teil 2: Die Blechblasinstrumentenwerkstatt Daniel Kunst.
29.12.2011, 20:48 Uhr
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Von Carolin Küter

Bremen. Für den Blechblasinstrumentenbauer Daniel Kunst hat die Fertigung von Posaunen, Hörnern und Trompeten etwas mit Moral zu tun. „Ich baue nicht alle Arten von modernen Instrumenten, wenn ich moralisch nicht dahinterstehe“, sagt er. Denn die großen Komponisten wie Bach, Mozart, Brahms und Beethoven haben ihre Stücke für zeitgenössische Hörner komponiert, erklärt er.

„Es ist wichtig, dass wieder auf diesen historischen Instrumenten gespielt wird. Damit man die Musik wieder versteht, wie sie gemeint war.“ Vom „Wettrüsten“, wie einige seiner Kollegen es betreiben, hält er nichts. Diese bauen die Instrumente noch breiter, so dass die ohnehin sehr dominanten Blechblasinstrumente noch durchdringender werden, sagt Kunst. „Dadurch setzt sich eine Spirale in Gang. Die Orchester werden immer größer und lauter.“ Mit dem ursprünglichen Klang der Kompositionen habe das dann nichts mehr zu tun.

In der Werkstatt des Blechblasinstrumentenbauers werden Hörner, Posaunen, Tuben und Trompeten verkauft und gefertigt. Der Verkauf von historischen Instrumenten ist sein Kerngeschäft. Um den Klang dieser Instrumente nicht zu verfälschen, hält er sich beim Bau an die historischen Mensuren, also an das Maß, das ein Rohr an einem bestimmten Punkt hat. Einige der Rohre in den Blechblasinstrumenten verlaufen zylindrisch, andere konisch. Das heißt, sie verengen sich und haben nicht überall den gleichen Durchmesser. Nur wenn diese Durchmesser mit den historischen Vorlagen übereinstimmen, wird der originale Klang erreicht. „An der Mensur hängt bei Blechblasinstrumenten die Intonation, der Klang, einfach alles“, so Kunst.

Historische Hörner hatten keine Ventile

Doch die Mensur ist nicht der einzige Unterschied zwischen historischen und modernen Instrumenten. Bis zum frühen 19. Jahrhundert hatten Hörner im Gegensatz zu heute keine Ventile. Mit diesen wird bei heutigen Instrumenten die Tonhöhe variiert. „Bei Ventilhörnern sind die Töne zwar verschieden hoch, klingen aber mehr oder weniger alle gleich. Bei Naturhörnern erzeugt man die Töne, die man nicht hat, mit der Hand. Dadurch klingt nicht alles so gleichmäßig“, erklärt Kunst. Auf historischen Instrumenten werden die unterschiedlichen Töne mit Hilfe der Stopftechnik erzeugt: Der Trichter des Horns wird mit der Faust verschlossen. Dadurch wird die Länge des Horns verändert. Je tiefer die Hand im Trichter steckt, desto kürzer ist das Rohr und desto höher der Ton.

„Mit der Stopftechnik verändert sich aber nicht nur die Tonhöhe, sondern auch die Klangfarbe“, erklärt Kunst. Durch das Zusammenspiel von Hand und Atem entstehen beim historischen Horn andere Effekte, als bei Instrumenten, deren Tonhöhen durch Mechanik geregelt wird. Dadurch habe sich der Klang der Orchester maßgeblich verändert, sagt Kunst. „Moderne Orchester klingen bei jeder Lautstärke gleich. Sie werden nur wuchtiger, die Klangfarbe verändert sich nicht.“

Um auf einem historischen Horn mehr als nur die Grundtonart spielen zu können, muss der Spieler für jede weitere Tonart einen zusätzlichen Bogen auf das Instrument stecken. Der kürzeste, der C-Alto-Stecker ist 15 Zentimeter lang; der längste C-Basso-Bogen misst knapp zweieinhalb Meter. In Kunsts Werkstatt in der Hamburger Straße liegen rund 700 Meter Rohr aus Gelbmessing, die zu Bögen verarbeitet werden. Sechs bis acht Stunden braucht es, um ein Set von zwölf Bögen für ein historisches Instrument herzustellen. Für die Fertigung eines historischen Horns ohne Ventile benötigt man laut Kunst rund 50 Stunden. Bei Ventilhörnern erhöhe sich die Herstellungszeit auf circa 180 Stunden. An einer Trompete arbeite er rund 50 Stunden. Diese ist auch preislich das günstigste Blechblasinstrument, ab 3000 Euro ist sie zu haben. Eine Tuba hingegen koste ab 20000 Euro aufwärts, so Kunst.

Werkeln bis zum perfekten Ton

Bei Instrumenten für Profimusiker, die Spitzenergebnisse erzielen sollen, ist es mit dem Zusammenfügen des Blechs jedoch nicht getan. „Das Bauen der Instrumente selbst ist ein Witz“, meint Kunst. „Die wirkliche Arbeit steckt in der Mensur.“ Die Bassposaune seines Kunden Siegfried Möller etwa ist eigentlich seit Februar fertig. Erst im Dezember allerdings war auch die Mensur des Mundrohres so eingestellt, dass der Profimusiker wirklich zufrieden war. „Wenn das Instrument fertig ist, geht der Prozess erst los“, so Möller. „Seit dem war ich alle zwei bis drei Wochen hier in der Werkstatt.“ Möller spielt Kunst die Töne vor, bei denen er noch kleine Verbesserungen wünscht. „Ich brauche ein Instrument, das präsent ist und Säle füllen kann, aber trotzdem nicht so laut ist, dass es das ganze Orchester verschluckt“, so der Musiker.

Kunst macht kleine Änderungen in der Mensur des Mundrohres, anschließend probiert Möller das Instrument in der Praxis wieder aus. „Das ist jedes Mal wieder spannend“, meint Möller. Acht bis zehn Sitzungen hat es bei seiner neuen Posaune gedauert, bis der Ton haargenau so ist, wie er es sich vorstellt. Benutzt werden konnte die Posaune schon vorher, Möller spielt das Instrument seit seiner Fertigstellung im Orchester bei Konzerten. „Eigentlich klingt das Instrument schon lange so gut, dass es problemlos gespielt werden kann“, meint Kunst. „Aber wir wollten es eben auf die Spitze treiben.“

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