Wenn die kleine Asma morgens in der Kita ihre Jacke an den Haken vor dem Gruppenraum aufhängt und die Erzieherin bei dieser Gelegenheit mit ihr die ersten Worte des Tages auf Deutsch wechselt, lernt Asma die Sprache. Wenn der kleine Hakim sich zu seinem Erzieher in die Leseecke kuschelt und die beiden ein Buch auf Deutsch lesen, lernt Hakim die Sprache. Wenn die Erzieherin die kleine Joyce beim Morgenkreis fragt, wie sie ihr freies Wochenende verbracht hat und das kleine Mädchen dann auf Deutsch erzählt, lernt es die Sprache.
Doch was, wenn die Kinder nicht in die Kita kommen? Weil zum Beispiel ein Virus dafür sorgt, dass die Einrichtung geschlossen bleibt oder nur eine Notbetreuung anbieten kann, so wie es im Frühjahr und im Sommer der Fall war, als Corona und die Ferien dafür sorgten, dass viele Kinder monatelang zu Hause bleiben mussten. Als die Kinder nach den Ferien zurück in ihre Kitas kamen, war die Ernüchterung groß. „Aus vielen Einrichtungen ist uns zurückgemeldet worden, dass die Sprachentwicklung bei einem Großteil der Kinder stagnierte“, sagt Petra Jäger, „viele Kinder mussten einen neuen Wortschatz erwerben oder ihren alten Wortschatz erst mühsam wieder auffrischen.“
Petra Jäger arbeitet beim Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder in Bremen. Eine ihrer Aufgaben ist die Beratung von sogenannten Sprach-Kitas. Insgesamt 60 gibt es davon im Land Bremen, aufgeteilt in fünf Verbünde. Um die Beratung eines Verbundes mit 13 Einrichtungen unter anderem in Bremen-Nord oder Gröpelingen und Walle kümmert sich der Landesverband. Der Anteil an Kindern, die aus Haushalten kommen, in denen vorrangig nicht Deutsch gesprochen wird, ist in Sprach-Kitas besonders hoch.
Jetzt gibt es den zweiten Lockdown mit neuerlichen Beschränkungen, und die Folgen sind absehbar: Wieder werden viele Kinder nicht die Chance haben, Fortschritte beim Erwerb der deutschen Sprache zu machen. „Das ist ein großes Thema“, sagt Anke Bräuer, die ebenfalls als Fachberaterin beim Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder tätig ist, „und es ist ein wichtiges Thema, denn Kinder, die mit Defiziten bei der deutschen Sprache in die Schule kommen, holen diesen Rückstand so schnell nicht auf.“
Alltagsintegrierte sprachliche Bildung
Das hat auch die Bundesregierung vor einigen Jahren festgestellt und 2016 das Bundesprogramm Sprach-Kitas aufgelegt. Kitas mit deutsch- und fremdsprachigen Kindern, die einen besonderen sprachlichen Förderbedarf haben, können aus dem entsprechenden Fördertopf 25.000 Euro für eine halbe Fachkraft beantragen, die „alltagsintegrierte sprachliche Bildung als festen Bestandteil der Kinderbetreuung etablieren hilft“, wie es heißt. Die Betonung liegt dabei auf „alltagsintegriert“, also bei der Begrüßung, beim Spielen, beim Basteln, beim Singen oder beim Lesen und nicht durch Extra-Unterricht. „Kinder lernen im Austausch mit anderen Kindern am liebsten und am besten“, sagt Bräuer.
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration hat festgestellt, dass Eltern mit Migrationshintergrund ihre Kinder seltener und später in die frühkindliche Tagesbetreuung schicken. Dafür können bürokratische Hürden verantwortlich sein, aber auch individuelle Überzeugungen eine Rolle spielen, etwa der Wunsch, das Kind in der Familie und bewusst nicht in einer Institution zu erziehen. Für das Deutschlernen ist das in der Regel kontraproduktiv. „Für den Spracherwerb gilt: je früher, desto besser“, sagt Jäger. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fürchtet, dass viele zugewanderte Familien ihre Kinder aus Angst vor einer Ansteckung länger als nötig nicht in die Kita schicken. Wido Geis-Thöne, Experte für Migrationsfragen beim IW, warnt: „Sind die Defizite so gravierend, dass die Kinder nach dem Schuleintritt Probleme haben, dem Unterricht zu folgen, können ihre langfristigen Bildungschancen beeinträchtigt werden.“