Niedersachsen macht den Polizistenberuf attraktiver. Der Bremer Chef der Gewerkschaft der Polizei erklärt im Interview, wie Bremer Beamte im Vergleich zu ihren niedersächsischen Kollegen dastehen.
Höhere Zuschläge, schnellere Beförderungen, bessere Krankenversorgung – Niedersachsens rot-grüne Landesregierung stockt gerade ihre Polizei personell und finanziell auf. Was sagt der Bremer Polizeigewerkschafter dazu?
Jochen Kopelke: Die Niedersachsen wissen, wie man den Polizeiberuf attraktiv macht. Ihre Strategie 2020 zeigt nicht nur, wohin inhaltlich die Reise geht, sondern es gelingt ihnen auch, die Attraktivität des Berufs zu steigern.
Stichwort Zulagen – wie stehen die Bremer Polizisten da im Vergleich zu ihren Kollegen aus Niedersachsen?
Sonnabends bekommen die Kollegen in Niedersachsen künftig 80 statt 77 Cent pro Stunde, in Bremen liegen wir bei 77 Cent. Nachts erhalten Bremer Polizisten 1,28 Euro Zuschlag, in Niedersachsen waren es bislang auch 1,28 Euro, künftig werden es dort 1,80 Euro die Stunde sein. Und sonn- und feiertags steigern sich die Niedersachsen von 2,72 auf 3,20 Euro, in Bremen sind es bereits 3,25 Euro.
Zweimal liegen die Niedersachsen also besser als ihre Bremer Kollegen. Trotzdem bezeichnen Ihre GdP-Kollegen dort die Anhebungen als „schlechten Scherz“.
Der Bundestag hat Ende 2015 die Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten für Bundespolizisten erhöht. Auf 1,15 Euro sonnabends, 2,30 Euro nachts und 4,90 Euro pro Stunde sonn- und feiertags. Das sind ganz andere Zahlen. Die GdP Bremen hat deshalb die Landesregierung aufgefordert, dem Beispiel der Bundesregierung zu folgen. Eine zentrale Forderung der Gewerkschaft lautet fünf Euro Zuschlag nachts.

Jochen Kopelke ist 31 Jahre alt, Polizeikommissar und seit 2005 bei der Polizei Bremen. Seit 2014 ist er Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Landesbezirk Bremen.
Warum sind gerade diese Zuschläge ein so großes Thema bei der Polizei?
Weil wir eine Verlagerung unserer Tätigkeit gerade in diese Bereiche haben. Immer mehr Kollegen arbeiten zu ungünstigen Zeiten. Und wir haben dafür veraltete, sehr starre Verordnungen, die zu Ungerechtigkeiten führen.
Wo zum Beispiel?
Nehmen wir die Ermittlungsgruppe, die sich am Bahnhof um die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge kümmert. Die Kollegen arbeiten Täter bezogen, das heißt extrem flexibel, vor allem bei der zivilen Aufklärungsarbeit. Trotzdem erhalten sie keine Wechselschichtzulage. Weil ein starrer Rahmen festlegt, was Wechselschicht bedeutet, mit Früh-, Spät- und Nachtschichten. Wenn ich diese Kriterien nicht erfülle, steht mir diese Zulage nicht zu. Auch wenn ich in Wirklichkeit zu extrem ungünstigen Zeiten arbeite.
Was fordern Sie hier?
Ganz einfach: Wer mehr nachts und an Wochenenden arbeitet, muss am Ende auch mehr haben. Wir brauchen eine veränderte Verordnung, die die tatsächlichen Arbeitszeiten abdeckt. Und zwar eine bremische Verordnung. Bislang sind wir da stark von der Bundesverordnung abhängig.
Besonders betroffen sollen die Sondereinsatzkommandos sein.
In der Tat. Die Spezialeinheiten in Bremen, die unter anderem bei der Bekämpfung der Terrorismusgefahr zum Einsatz kommen, erhalten in Bremen eine Gefahrenzulage von 153 Euro im Monat. Und treffen bei Großeinsätzen auf Kollegen aus andern Bundesländern wie etwa aus Hessen, die 300 Euro bekommen. Oder GSG 9-Kollegen, die 400 Euro Erschwerniszulage erhalten.
Ein weiteres Thema, dessen sich die Niedersachsen angenommen haben, lautet „Beförderungen“. Innenminister Pistorius hat ein Stellenhebungsprogramm aufgelegt – 250 Polizisten steigen von Besoldungsgruppe A 9 zu A 10 auf, weitere 250 von A 10 zu A 11.
In Bremen haben wir zunächst ein grundsätzliches Problem – der einheitliche Beförderungstermin. Befördert wird nur einmal im Jahr. Das war ursprünglich mal am 1. Oktober, dann am 1. Januar und in diesem Jahr am 1. Juli.
Wo liegt das Problem?
Wem eine Beförderung zusteht, der muss darauf ohnehin lange warten. Und dann wird auch noch nur einmal im Jahr befördert. Stellen Sie sich vor, es geht jemand Ende Januar in Pension. Seine Stelle wird sofort nachbesetzt, aber das dazugehörige Gehalt gibt es erst ab Januar des nächsten Jahres.
Und wie ist die Situation bei Beförderungen insgesamt?
Von den rund 2500 Polizisten arbeiten 1200 im Eingangsamt auf A 10-Stellen, werden aber nur nach A 9 bezahlt. Im Schnitt dauert es in Bremen 20 Jahre, bis man von A 9 auf A 10 kommt.
Aber sind nicht alle durch die Einführung der zweigeteilten Laufbahn gleich auf höherem Niveau eingestiegen?
Das ist ein unfaires Totschlagargument. Wenn ich mich für dieses Modell entscheide, muss ich auch bereit sein, das Geld zu zahlen, das laut Stellenbeschreibung zu jedem Posten gehört.
Wie lautet hier die Forderung der GdP?
A 10 nach zehn Jahren! Wer zehn Jahre bei der Polizei arbeitet, hat ein Recht auf die erste Beförderung. Das würde auch für eine entsprechende Motivation sorgen.
Wie viele Polizisten wurden in den vergangenen Jahren in Bremen befördert?
2014 waren es 116, im vergangenen Jahr 134.
Wie ordnen Sie diese Zahl ein?
134 sind eher wenig. Wir bräuchten die doppelte Zahl an Beförderungen.
Womit der jahrelange Beförderungsstau aber nicht abgebaut würde?
Wir bräuchten einmal einen großen Schub nach dem Motto „A 10 für zehn Jahre“. Dann wäre der große Bauch abgearbeitet, und man hätte die Grundlage für die nächsten Jahre.
Ein letztes Stichwort: Niedersachsen führt 2017 wieder die Heilvorsorge für Polizisten ein, die wie eine Krankenkasse Arzt- und Krankenhauskosten abdeckt. Wie sieht es in Bremen aus?
Wir haben die Heilvorsorge schon. Oder besser, wir haben uns erfolgreich dagegen gewehrt, als sie abgeschafft werden sollte. Wir haben damals schon gesagt, dass das unter dem Strich günstiger für Bremen und für die Polizisten ist. Dass Niedersachsen jetzt dahin zurückkommt, bestätigt uns.
Also ist Bremen nicht immer schlechter als die anderen?
Verstehen Sie mich nicht falsch. Die Polizei in Bremen ist kein schlechter Arbeitgeber. Aber die Niedersachsen machen es klug mit ihrem Attraktivitätsmodell. Auch Bremen möchte jedes Jahr 120 neue Anwärter einstellen. Da geht es darum, die Kandidaten von Bremen zu überzeugen. Und die schauen sehr genau und vergleichen. Dieses Rennen wollen wir gewinnen.
Das Interview führte Ralf Michel.