Hintergründe der Namensgeber Diese Straßen in Bremen tragen Namen umstrittener Persönlichkeiten

Agnes-Miegel-Straße in Obervieland

Die Schriftstellerin Agnes Miegel (1879-1964), wurde nach dem Zweiten Weltkrieg besonders für ihre Werke zu den Vertriebenen aus dem ehemaligen Ostpreußen gelobt.

Miegel war allerdings auch 1924 ein Gründungsmitglied der konservativen bis völkisch-nationalen Autorenvereinigung "Die Kogge", unterschrieb 1933 ein Treuegelöbnis gegenüber Adolf Hitler und wurde 1940 Mitglied der NSDAP. Gegenüber dem Nationalsozialismus war sie unkritisch und befürwortend eingestellt und hat sich davon zu keinem Zeitpunkt distanziert.

In anderen Städten und Gemeinden wurden nach Miegel benannte Straßen mittlerweile wieder umbenannt, so zum Beispiel in Bielefeld und Celle. Auch das hier abgebildete Denkmal von Agnes Miegel in Bad Nenndorf wurde mittlerweile entfernt.

Andernorts scheitert die Umbenennung an einem Veto der Anlieger, die vor allem den bürokratischen Aufwand fürchten, der mit einer Umwidmung verbunden ist.

In Bremen wurde vor etwa zehn Jahren über eine Umbenennung der Agnes-Miegel-Straße diskutiert. Eine bundesweite Initiative hat sich für neue Bezeichnungen sämtlicher Straßen mit Miegels Namen eingesetzt.

Ein offizieller Antrag auf eine Umbenennung der Straße ist bisher nicht eingegangen.

H.-H.-Meier-Allee in Schwachhausen

Die H.-H.-Meier-Allee, benannt nach Hermann Henrich Meier, ist vielen Bremer Bürgern wohlbekannt. Aber die dunkle Seite des Namensgebers ist vielleicht nicht jedem ein Begriff.

Der Bremer Geschäftsmann und Politiker war 1857 Mitbegründer der Reederei "Norddeutscher Lloyd". Der Norddeutsche Lloyd war durch den Export und das Auswanderergeschäft eng mit dem Kolonialismus verbunden und dabei in die gewalttätige Unterdrückung und Ausbeutung der Kolonien verwickelt – unter anderem durch den Transport von Soldaten.

Graf-Sponeck-Straße in der Vahr

Hans Emil Otto Graf von Sponeck (1888-1944) war Offizier und zuletzt Generalleutnant der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Nach erfolgreicher Militärlaufbahn wurde er 1941 nach einem eigenmächtig vollzogenen Rückzug vor das Kriegsgericht unter Vorsitz von Hermann Göring gestellt. Im Zusammenhang mit dem Attentat des 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler wurde Sponeck auf Befehl von Heinrich Himmler exemplarisch erschossen.

Für seinen Mut, sich dem Befehl Hitlers zu widersetzen, einen aussichtslosen Kampf weiterzuführen, wurde Sponeck im Nachkriegsdeutschland wie ein Widerstandskämpfer behandelt. Wie 2013 bekannt wurde, war der Wehrmachtsgeneral jedoch auch Mitwisser und Beteiligter an Kriegsverbrechen. Er überstellte gefangene sowjetisch-jüdische Soldaten und auch Zivilisten der SS und Sicherheitspolizei und zog sie zur Zwangsarbeit heran. Darüber hinaus ließ er Rotarmisten und Partisanen ohne Prozess erschießen.

Nach Bekanntwerden von Sponecks Verhalten im Zweiten Weltkrieg, ordnete der Kölner Künstler Gunter Demnig die Entfernung die Entfernung eines von ihm zum Gedenken an Sponeck gestalteten Stolpersteins in der Horner Heerstraße an. Der Stein wurde vor Entfernung allerdings gestohlen. Auch eine nach Sponeck benannte Kaserne im rheinland-pfälzischen Germersheim wurde mittlerweile umbenannt.

Eine Umbenennung der Graf-Sponeck-Straße in der Bremer-Vahr stand bisher noch nicht zur Diskussion.

Hedwig-Heyl-Straße in Schwachhausen

Hedwig Heyl war die Tochter des Bremer Reeders Crüsemann und verheiratet mit dem Chemiefabrikanten Georg Heyl aus Berlin. Ihr Besitz ermöglichte ihr wohltätige Arbeit, auch kämpfte sie für Frauenrechte. Heyl war eine für die damalige Zeit hochmoderne Frau, die auf die besten Schulen ging und weit über ihr Elternhaus hinaus Einfluss ausübte.

Allerdings war Hedwig Heyl auch Mitbegründerin des Frauenbundes im deutschen Kolonialverein. Sie war verantwortlich für Verschickungen von so genanntem "Mädchenmaterial" in die deutschen Kolonien in Südwestafrika. Hedwig Heyl hegte rassistische Denkweisen, wollte nicht, dass sich deutsche Kolonialherren mit afrikanischen Frauen einließen. Sie sollten sich nur mit deutschen Frauen vermehren, so ihre Ansicht. Außerdem stand sie später dem Nationalsozialismus nahe und hegte eine Begeisterung für Adolf Hitler.

Über die nach ihr benannte Straße gab es lange Diskussionen im Stadtteil. Eine Umbenennung stand zur Debatte, wurde letztlich aber aus verschiedenen Gründen von den Anwohnern abgelehnt.

Im Herbst 2017 beschloss der Ortsbeirat, dass unter dem Straßenschild eine neue Erklärtafel angebracht wird, auf der auch auf die kritischen Seiten der Wohltäterin hingewiesen wird. Die erste Erklärtafel (siehe Foto) hatte sie lediglich als Gründerin des Bildungs- und Wohlfahrtvereins für Frauen bezeichnet.

Kurt-Georg-Kiesinger-Allee in Obervieland

Auch der dritte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland mit einer Amtszeit von 1966 bis 1969, Kurt-Georg-Kiesinger (1904-1988), hat eine Vergangenheit in der NS-Zeit, die ein etwas anderes Licht auf den gebürtigen Baden-Württemberger wirft.

Kiesinger war seit 1933 Mitglied der NSDAP. Konrad Elmshäuser, Leiter des Staatsarchivs Bremen sagt über den ehemaligen Kanzler: „Kiesinger war nicht einfach formal Mitglied einer NS-Organisation. Er war im Reichsaußenministerium tätig und hat das Regime aktiv vertreten.“

Trotz einer immer wieder aufkommenden Diskussion um den Altkanzler und seine Rolle im Dritten Reich gibt es bislang kein größeres Bestreben, die nach ihm benannten Straßen umzubenennen. „Dass man in den 80er-Jahren noch eine Allee in Bremen nach ihm benannt hat, ist eine Reminiszenz an seine Kanzlerschaft“, so Elmshäuser.

Lüderitzstraße in Schwachhausen

„Adolf Lüderitz (1834–1886), Bremer Kaufmann, legte mit betrügerischem Landerwerb und geschäftlichen Unternehmungen im heutigen Namibia die Grundlage für die spätere gewalttätige Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika (1884–1915).“ Eine Tafel mit diesem Hinweis ist im Januar 2018 am Straßenschild angebracht worden – nach langen Diskussionen im Stadtteil.

Seit Jahrzehnten bemühen sich Initiativen wie der Verein "Elefant" um eine Umbenennung der Straße. In den 1980er-Jahren warfen Skinheads bei einem Protest gegen den Straßennamen den Stand der Aktivisten um.

Vogelsangstraße in Schwachhausen

„Heinrich Vogelsang (1862–1914), Bremer Kaufmann, unterstützte die Bremer Firma Lüderitz beim betrügerischen Landerwerb im heutigen Namibia und legte damit die Grundlage für die spätere gewalttätige Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika (1884–1915).“

Diese Hinweistafel ist ebenfalls im Januar 2018 angebracht worden. Strittig war im Ortsbeirat das Adjektiv „gewalttätige“, es wurde bei vier Gegenstimmen der CDU beibehalten.

Kolonialismus

Im Nelson-Mandela-Park in Bremen-Schwachhausen befindet sich das Antikolonialdenkmal in Form eines Elefanten. Das Mahnmal wurde 1932 eingeweiht - damals noch als "Reichskolonialehrendenkmal". Die Umwidmung erfolgte 1989.

Auch viele Straßen erinnern heute noch an die Kolonialzeit, von der Bremen in besonderem Maße profitierte. Neben Widmungen von Personen wie Lüderitz oder Vogelsang, wurden Bremer Straßen auch nach verschiedenen Orten benannt.

Beispielsweise finden sich im Bremer-Industriehafen die Windhuk- oder die Südweststraße, sowie die Kamerun- und Togostraße in Gröpelingen.

Nach Aussage von Ulrike Pala, Leiterin des Ortsamt-West, sind die Hintergründe der Straßen mit Kolonialbezug bekannt. Anträge auf Umwidmung wurden jedoch bislang noch nicht gestellt.

Hindenburgstraße in Burglesum

Der Namensgeber der Straße, Paul von Hindenburg (1847-1934), durchlief eine erfolgreiche militärische Laufbahn, unter anderem im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. Im Ersten Weltkrieg wurde er aus dem Ruhestand zurückgeholt und bildete mit Erich Ludendorff die Oberste Heeresleitung.

Vor allem die frühen militärischen Erfolge sorgten für eine große Popularität Hindenburgs in der Bevölkerung. In der Weimarer Republik war seine Beliebtheit trotz der Niederlage im Krieg ungebrochen, und so wurde Hindenburg 1925 zum Reichspräsidenten gewählt. In dieser Position ernannte Hindenburg am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler.

Zahlreiche Straßen, Plätze oder öffentliche Einrichtungen wurden nach Paul von Hindenburg benannt. Um viele entbrannte in den Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine Diskussion um die Umbenennung.

In Burglesum gab es im Jahr 2011 den Antrag einer Bürgerinitiative auf Umbenennung der Hindenburgstraße. Als „Steigbügelhalter Hitlers“ und „Totengräber der Demokratie“ wäre Hindenburg kein geeigneter Namensgeber. Der Beirat lehnte das Anliegen jedoch ab. Vor allem die Anwohner sprachen sich aufgrund des bürokratischen Aufwands gegen eine Umbenennung aus. Darüberhinaus würde keiner Hindenburg unmittelbar mit dem Dritten Reich in Verbindung bringen.

Auch die Beneckendorffallee in der Vahr ist nach Hindenburg benannt, dessen vollständiger Name Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg lautet.

Langemarckstraße in der Neustadt

Die ursprünglich im 18. Jahrhundert als Neue Allee bezeichnete Straße wurde 1937 von den Nationalsozialisten umbenannt. Der Ort Langemarck in der belgischen Provinz Westflandern diente als Vorbild.

Bei Langemarck fand während des Ersten Weltkriegs, von Oktober bis November 1914 die Erste Flandernschlacht zwischen deutschen und alliierten Truppen aus Frankreich, Großbritannien und Belgien statt. Die Schlacht war sehr verlustreich und zählte rund eine Viertelmillion Tote, Verwundete und Vermisste. Die Nationalsozialisten nutzten diesen verlustreichen Teil der Schlacht bei Langemarck zu Propagandazwecken.

Eine Initiative zur Umbenennung der Langemarckstraße hatte keinen Erfolg. Ein Arbeitskreis aus Bürgerinnen und Bürgern sowie Mitgliedern des Ortsbeirates entschieden sich jedoch, Informationstafeln zum Namenshintergrund aufzustellen.

August-Hinrichs-Straße in der Neustadt

Der Heimatschriftsteller August Hinrichs (1879-1956) wurde in der NS-Zeit aufgrund der Art seiner Texte besonders gefördert. Er war Mitglied der NSDAP und Landesleiter der Reichsschrifttumskammer, die Schriftstellern, die nicht linientreu schrieben, Publikationsverbot erteilte. Historiker sind sich jedoch uneins wie genau Hinrichs politisch eingestellt war. Die mögliche völkische und NS-propagandistische Prägung seiner Werke wird bis heute diskutiert.

Eine Untersuchung des Instituts für Geschichte der Carl von Ossietzky Universität hat 2003 ergeben: „August Hinrichs vermied es, sich „expressiv verbis“ zum Nationalsozialismus zu bekennen. Sein Eintritt in die NSDAP 1937 war wohl eher ein Ausdruck von Konformismus denn eine Überzeugungstat. Dennoch war er ein Nutznießer der NS-Politik, die gerade die Heimatliteratur besonders förderte und sie für ihre propagandistischen Zwecke nutzte. Sein anfängliches 'stillschweigendes Einverständnis' mit dem Nationalsozialismus wurde, spätestens nach 1939 mit der Veröffentlichung von 'Steding Renke', zur offenen und bewussten Parteinahme.“

Eine Umbenennung der August-Hinrichs-Straße in Oldenburg wurde in der darauffolgenden Diskussion abgelehnt. In Bremen gab es in den vergangenen Jahren keine Diskussion um die August-Hinrichs-Straße.

Felix-Wankel-Straße in den Häfen

Der Erfinder des nach ihm benannten Wankelmotors, Felix-Wankel (1902-1988), profitierte von der NS-Herrschaft und sympathisierte mit der nationalsozialistischen Ideologie. 1921 schloss er sich dem antisemitischen Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbund an und trat 1922 in die NSDAP ein – nach deren Verbot erneut im Jahr 1926. Er leitete Gruppen der Hitlerjugend und versuchte hier eine technisch-militärische Ausrichtung zu erreichen. Dabei überwarf er sich jedoch mit dem badischen Gauleiter Robert Wagner, was schließlich 1932 zu seinem Parteiausschluss führte. Dennoch sympathisierte Wankel weiter mit dem Nationalsozialismus. Von 1940 bis 1942 war er in der SS im Rang eines Obersturmbannführers.

2013 hat das Institut für Geschichte der Carl von Ossietzky Universität eine Untersuchung zu Straßennamen in der Stadt Oldenburg durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, welche Rolle die einzelnen Namensgeber in der NS-Zeit spielten. Felix Wankel wurde im Anschluss näher untersucht. Eine Umbenennung erfolgte nicht. Eine Umbenennung der Felix-Wankel-Straße in Bremen stand bislang nicht zur Diskussion.

Deutsch-Französischer Krieg

Eines der bedeutendsten Ereignisse in der Deutschen Geschichte ist die Vereinigung der Deutschen Staaten zum Zweiten Deutschen Reich im Jahr 1871. Die Deutsche Reichsgründung war Folge eines Krieges, den die deutschen Staaten führten. Der gemeinsame Feind: Frankreich.

Noch heute erinnern viele Bezeichnungen und Denkmäler an den Deutschen Einigungkrieg, wie die hier abgebildete Figur "Germania" im Niederwalddenkmal in Rüdesheim.

In Bremen erinnern mehrere Straßennamen an die Erfolge der deutschen Soldaten im Deutsch-Französischen Krieg. Die Wörther-Straße, die Loignystraße und die Orleansstraße in Schwachhausen oder die Sedanstraße in der Neustadt wurden nach siegreichen Schlachten benannt, welche die Deutschen gegen die Franzosen errungen haben.

Diskutiert wurden Umbenennungen von Straßen mit Bezug zu Schlachten in Bremen noch nicht.

Karl-Peters-Straße in Walle

Die ursprünglich nach dem Afrika-Forscher Karl Peters benannte Straße wurde mittlerweile umgewidmet. Karl Peters hat als Kolonialherr im 19. Jahrhundert die Einwohner des damaligen Deutsch-Ostafrika in übelster Form behandelt und hatte den Ruf eines Rassisten. Unter seinen Gewalttaten litten auch Frauen und Kinder, weshalb Peters unehrenhaft aus dem Reichsdienst entlassen wurde.

Aus diesen Gründen hatten sich der Beirat Walle und das zuständige Ortsamt West für eine Umbenennung der Straße ausgesprochen. Die Anwohner stimmten jedoch mehrheitlich gegen eine Umbenennung, trotz der Möglichkeit, Ausweise und Führerscheine schnell und kostenfrei ändern zu können. Stattdessen fand der Beirat einen anderen Weg. Die Straße ist nun nicht mehr dem Afrika-Forscher Karl Peters gewidmet, sondern einem Strafrechtreformer mit gleichem Namen.

Mehr Spuren des Kolonialismus in Bremen sind in dieser Fotostrecke zu finden.