Überseestadt. Eine Möwe kreischt, irgendwo brummt ein Gebläse. Ansonsten aber ist es herrlich still auf dem Gelände der Gemüsewerft. Nahezu paradiesisch. Hier, hinter dem alten Kellogg-Firmengelände am Ende der „Überseeinsel“, nur zwei Kilometer vom Rathaus entfernt, wachsen in aller Ruhe Hopfen, Obst und Gemüse. Bislang geschieht dies noch weitestgehend unbemerkt und versteckt hinter einer weißen Metallwand. Das soll sich in diesem Jahr aber ändern – ab sofort können die Bremer immer sonnabends hierher kommen, um inmitten der Stadt ein Stück Natur zu erleben.
„Wir wollen, dass die Leute sich hier aufhalten können“, sagt Michael Scheer, Geschäftsführer der Gesellschaft für integrative Beschäftigung, die die Gemüsewerft betreibt. Deshalb werde das 3000 Quadratmeter große Gelände in der Überseestadt nun immer sonnabends für Besucher geöffnet. Diese sind eingeladen, inmitten von urbanem Grün zu entspannen, Hunderte Hochbeete und Pflanzkästen zu betrachten oder den Wildwuchs auf dem hinteren Teil des Geländes auf sich wirken zu lassen. „Man sieht hier Möwen und Falken und demnächst kommen auch einige Bienenvölker“, schwärmt Scheer und ergänzt: „Dieses Gelände, das etwa 66 Meter von der Haltestelle der Straßenbahnlinie 3 entfernt ist, ist eines der letzten Areale, in denen man noch alt-hanseatische Industrieromantik spürt und hört.“ Vor zwei Jahren ist die Gemüsewerft in der Überseestadt gestartet; mittlerweile kommen immer mehr Gruppen in den Bremer Westen, um sich das Projekt zeigen zu lassen. „Wir bekommen auch immer wieder Anfragen zu unseren Öffnungszeiten“, erzählt Scheer, „bislang musste ich dann aber immer sagen: ‚Haben wir noch nicht.‘.“
Das ist nun vorbei – bis Ende Oktober wird die Gemüsewerft ab sofort immer sonnabends von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Dann soll es auch einen kleinen Hofverkauf geben. Mangold, Kohlrabi, Erbsen, Basilikum und Cola-Rauke zum Beispiel sind aktuell schon fertig. Riesenmengen und übervolle Regale sollten die Besucher aber nicht erwarten, bittet Scheer um Verständnis und verweist auf eine gängige Formel unter Selbstversorgern. Demnach kann eine vierköpfige Familie mit 1000 Quadratmetern Fläche 80 Prozent ihres jährlichen Nahrungsbedarfs decken. In der Gemüsewerft werden aktuell rund 750 Quadratmeter beackert; Hauptanliegen der Gemüsewerft sei aber ohnehin nicht der höchstmögliche Ertrag, unterstreicht Scheer: „Uns geht es weniger um den Konsum als um Bildung und die Erkenntnis, wie eine Pflanze aussieht, wenn sie aus der Erde kommt. Wir wollen die Stadtbevölkerung mit der Lebensmittelerzeugung in Kontakt bringen. Außerdem wollen wir Vertrauen in die Anbaumethode schaffen. Denn Kunden wollen ehrliche Produkte. Deshalb ist es wichtig, dass das Produkt erlebt werden kann. Dass man also sieht, woher es kommt.“
Und es gibt in diesem Idyll noch mehr zu entdecken. Etwa den „AT 4" – einen alten Straßenbahn-Triebwagen, den die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) der Gemüsewerft vor zwei Jahren überlassen hat. Mittlerweile ist das ausrangierte Gefährt zum Gastraum inklusive Terrasse umfunktioniert worden. Dort können die Besucher sich ab sofort Bier mit Hopfen aus der Gemüsewerft, eine Tasse Kaffee oder einen Tee mit frisch geernteten Kräutern schmecken lassen.
Weitere Informationen
Die Gemüsewerft an der Stephanikirchenweide 25 ist ab Sonnabend, 23. Juni, immer sonnabends von 10 bis 18 Uhr für Besucher geöffnet.