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Die Findorfferin Roxana Milokost motivierte mit ihrer kreativen Idee die ganze Stadt zum Spenden und Helfen Engagement in kunterbunten Tüten

Findorff-Bürgerweide. Eine kunterbunte, prall gefüllte Schultüte ist hierzulande am ersten Schultag eine Selbstverständlichkeit. Aber was ist denn mit all den kleinen Flüchtlingskindern, die am Sonnabend in Bremen eingeschult werden? Das fragte sich die Findorfferin Roxana Milokost.
03.09.2015, 00:00 Uhr
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Von Anke Velten

Eine kunterbunte, prall gefüllte Schultüte ist hierzulande am ersten Schultag eine Selbstverständlichkeit. Aber was ist denn mit all den kleinen Flüchtlingskindern, die am Sonnabend in Bremen eingeschult werden? Das fragte sich die Findorfferin Roxana Milokost. Bei der Vorstellung, dass sie leer ausgehen könnten, „hat es mir das Herz zerrissen“, erzählt sie – und startete in der vergangenen Woche die Aktion „Hallo Schule“. Im Nu wurde ihr Facebook-Aufruf zum Spenden und Mitmachen fast 400 Mal im Internet geteilt. Das Ergebnis beweist wieder einmal, wie viel Lust zu helfen es in Bremen gibt. Und die Initiatorin wünscht sich, dass das Engagement noch lange über den ersten Schultag hinaus wirkt.

Dazu müsse man wissen, dass die „Zuckertüten“ ein typisch deutscher Brauch sind, der selbst in europäischen Nachbarländern ganz unbekannt sei, erklärt Roxana „Milo“ Milokost. „Die Eltern der meisten Flüchtlingskinder werden Schultüten nicht kennen, und ich hatte die Befürchtung, dass auch sonst niemand daran denkt.“ Über ihren Aufruf hatte sie gehofft, 50 Schultüten zusammenzubekommen. Innerhalb nur einer Woche wurden es mehr als dreimal so viel. Dazu 150 Turnbeutel mit allem, was für den Turnunterricht gebraucht wird, 60 vollgepackte Schultaschen für größere Kinder und mehr als 20 komplett bestückte Ranzen. Gespendet wurde von Nachbarn, Freunden, Bekannten und ganz Unbekannten aus der ganzen Stadt, aber auch aus Bremer Firmen und Institutionen, erzählt Milo. Ein Fachgeschäft für Künstlerbedarf aus der Überseestadt spendierte sofort einen Stapel bunter Bastelpappe, aus der fast 50 Helferinnen und Helfer zwei Tage lang Schultüten formten, dekorierten und füllten. Wenn sich herausstellte, dass Pinsel oder Tuschkästen, Trinkflaschen oder Radiergummis zur Neige gingen, wurden zwischendurch aktualisierte Bedarfslisten „gepostet“. Die Bilanz: „Ich bin sprachlos und zutiefst dankbar“, sagt die Initiatorin. „Und stolz auf Bremen!“

Allerdings kann die Findorfferin auf ein außergewöhnliches Netzwerk von mehr als 10 000 Facebook-Freundschaften zurückgreifen. Unter dem Label „Milo“ produziert sie seit Jahren textile Accessoires im eigenen Design, vertreibt bundesweit über ihren Online-Shop besondere Stoffe und Nähzubehör und führt seit zwei Jahren Kreativ-Geschäft, Werkstatt und Kursräume an der Admiralstraße 145. Vor allem auf ihre Kundinnen vor Ort konnte sie sich absolut verlassen, erzählt sie: „Fast jede kam vorbei und brachte etwas mit – Schultüten, einen Packen Hefte, Zeichenblöcke, Stifte oder Lineale.“ Eine Kundin habe sich ohne nähere Erklärung ein paar Meter schöne Stoffe gekauft. „Am nächsten Tag kam sie mit einem Stapel selbstgenähter Turnbeutel zurück!“, berichtet Milo.

Zwei Tage lang wurde die übliche Geschäftstätigkeit an der Admiralstraße komplett eingestellt. „Hallo Schule“ hatte sämtliche Räume eingenommen. Mehrere Passanten, die zufällig von der Straße aus das Gewusel im Laden beobachtet hatten, beteiligten sich spontan mit einer Geldspende, erzählt die Geschäftsfrau. Abgestimmt wurde die Aktion mit der Flüchtlingshilfe Bremen, die dabei helfen wird, Schultüten und Arbeitsmaterialien genau dort abzugeben, wo sie gebraucht werden.

Rund 150 Flüchtlingskinder werden zum neuen Schuljahr in Bremens 64 Grundschulen eingeschult. „Man muss sich doch nur in die kleinen Wesen hineinversetzen, die so viel hinter sich haben, und sich nun in einem fremden Land zurechtfinden müssen“, erklärt sie. Die „Zuckertüten“ sollen ihnen den ersten Schultag versüßen und die Angst vor der Schule nehmen. Doch der studierten Pädagogin und Mutter eines erwachsenen Sohnes geht es um mehr als eine kurzfristige Spendenaktion – nämlich um Bildung als Schlüssel zu einem verständnisvollen Miteinander. Darum möchte Roxana Milokost nun auf die Hilfsbereitschaft ihrer Bremerinnen und Bremer aufbauen: In Kooperation mit der Flüchtlingshilfe sollen persönliche Paten für die Kinder gefunden werden, die ihnen helfen, die Sprache zu erlernen, sie bei den Hausaufgaben unterstützen und ihnen die Stadt und die Kultur näher bringen. Wer wissen möchte, wie es mit „Hallo Schule“ weitergeht, kann sich einfach mit der Facebook-Adresse „Milo Material Girl“ anfreunden – oder sich direkt an der Admiralstraße auf dem Laufenden halten lassen.

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