Wer stationäre Pflege benötigt und für die Kosten nur mithilfe von Sozialleistungen aufkommen kann, muss sieben bis neun Monate auf die Bearbeitung seines Antrages warten. Das geht aus einer Berichtsbitte der CDU zu den Auswirkungen des geplanten Angehörigen-Entlastungsgesetzes hervor, der am Donnerstag in der Sozialdeputation diskutiert wurde. Das ist mit Blick auf die Tagesordnung des Bundesrates am Freitag nicht unerheblich: Dort wird das Gesetz, durch das Angehörige künftig seltener für Pflegekosten von Verwandten aufkommen müssen sollen, diskutiert. Damit könnte die Zahl der Sozialhilfeanträge steigen.
Wie berichtet, sind knapp 2000 Bewohner von Pflegeheimen in Bremen und 600 in Bremerhaven nach Angaben der Sozialbehörde auf Sozialleistungen angewiesen, weil die Pflegeversicherung den monatlichen Satz nicht komplett abdeckt und ihre Familien die Kosten nicht tragen können. Das ist ein Drittel aller Pflegeheimbewohner. Weil der Beitrag der Pflegeversicherung gedeckelt ist, werden Erhöhungen grundsätzlich auf die Bewohner umgelegt.
Entschieden werden diese Anträge auf Hilfe zur Pflege im Fachdienst Stationäre Leistungen. Der dortige Bearbeitungsrückstau, so geht es aus dem Bericht hervor, habe sich durch eine Mischung von der jahreszeitbedingten Fluktuation unter den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie umfangreicher Personalwechsel ergeben. Dahinter steckt, dass das sogenannte Sonderbearbeitungsteam des Fachdienstes, das sich mit Rückständen und Trägermahnungen befasst, momentan stillgelegt ist, weil sich die Mitarbeiter mit der Umstellung auf das Bundesteilhabegesetz beschäftigen müssen. „Wir mussten die Arbeit priorisieren“, erklärte Staatsrat Jan Fries. Die Aufgaben des Sonderbearbeitungsteams sind deshalb beim Arbeitsteam Pflege angesiedelt, das normalerweise über Leistungsgewährungen entscheidet. Durch diese Verschiebung habe sich die Bearbeitungszeit von vier bis sechs Monaten auf sieben bis neun Monate erhöht.
Familie muss oft Heimkosten begleichen
Bei vielen Menschen muss allerdings nicht die Sozialbehörde, sondern die Familie einspringen, um die Heimkosten zu begleichen. Dafür prüft das Sozialamt, inwiefern Kinder oder andere Verwandte die Pflegekosten tragen können, ohne dabei Abstriche in ihrem Alltag machen zu müssen. Knapp 3000 dieser Prüffälle liegen aktuell in Bremen und Bremerhaven vor. Solche Fälle könnten durch die Gesetzesnovelle weniger werden: Kinder und Angehörige, die ein Jahresbruttoeinkommen von weniger als 100.000 Euro verdienen, sollen nicht mehr für die Heimkosten pflegebedürftiger Verwandter aufkommen müssen.
Welche Auswirkung ein solcher Beschluss in Bremen auf die Zahl der Hilfsanträge hat, konnte die Sozialbehörde am Donnerstag nicht erklären. „Es gibt keine Daten für Schätzungen“, so Staatsrat Fries. Man gehe davon aus, dass zahlreiche Menschen, die bisher keine Sozialleistungen beantragt haben, künftig doch einen Antrag stellen werden. Das habe auch damit zu tun, dass die Hürden für Hilfsanträge mit dem Gesetz gesenkt würden. Welche Kosten die Umsetzung allerdings für die Kommunen Bremen und Bremerhaven verursache und wie sich die Bearbeitungszeiten der Anträge veränderten, sei ebenfalls nicht abschätzbar. Allerdings sind schon jetzt die Pro-Kopf-Ausgaben aus den städtischen Kassen in Bremen gemessen an den anderen Bundesländern verhältnismäßig hoch: Laut einer Auswertung der Arbeitnehmerkammer liegt Bremen mit 55 Euro pro Person deutlich über dem Bundesschnitt von 41 Euro und landet auf dem vierten Platz.