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Interview mit dem neuen BIW-Landeschef „Es gibt kein links und rechts“

Cord Degenhard spricht über seinen Aufstieg bei den Bürgern in Wut und wofür die Wählervereinigung steht. Und er verrät, warum er oft wütend ist.
14.09.2017, 19:24 Uhr
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„Es gibt kein links und rechts“
Von Christian Weth

Cord Degenhard spricht über seinen Aufstieg bei den Bürgern in Wut und wofür die Wählervereinigung steht. Und er verrät, warum er oft wütend ist.

Herr Degenhard, Sie lächeln ja heute mal, wie kommt‘s?

Cord Degenhard: Ich versuche eigentlich häufig zu lächeln. Nur gelingt mir das eben nicht immer.

Im Beirat schauen Sie oft ernst und reden meistens lauter als andere. Warum geraten Sie eigentlich so oft in Rage?

Weil es einfach zu viele Themen gibt, die mir wirklich nahegehen. Und weil es zu viele Dinge gibt, die nicht in Ordnung sind – in Vegesack, in Bremen, in der Republik.

Wann war denn mal eine Beiratssitzung, auf der Sie nicht schimpfen mussten?

Da muss man in den Protokollen wohl lange zurückblättern. Konkret kann ich mich an keine erinnern.

Investoren, Behörden, Politiker – Sie lassen kaum jemanden mit Ihrer Kritik aus. Muss ein Bürger in Wut grundsätzlich wütend sein?

Wir sind das Sprachrohr der Bürger. Und wenn die wütend sind, dann sind wir es auch.

Dann sind Sie gar nicht von sich aus wütend?

Im Grunde schon. Schließlich stören uns viele Dinge, die manche Bürger so noch gar nicht wahrgenommen haben.

Seit dem Wochenende wird man Sie wahrscheinlich anders wahrnehmen: Sie sind jetzt Landeschef. Was wird sich ändern?

Ich habe zwar jetzt schon ein paar Ideen, aber vor allem erst mal eine Phase, in der ich mich einarbeiten werde. Sicher ist nur, dass sich etwas ändern wird.

Auch innerhalb des Vorstands?

Dafür gibt es momentan keine ­Veranlassung. Wir sind gut aufgestellt. Die Mannschaft ist toll. Warum soll ich also etwas ändern?

Dann hätten Sie ja eigentlich mehr als 93 Prozent der Stimmen bekommen müssen, wenn alles toll ist.

Ich weiß gar nicht so genau, ob es 93 oder 86 Prozent waren.

Dann haben Sie in Ihrer Mail an die Medien einfach die bessere Zahl genannt?

Bei zwei Zahlen nehme ich natürlich die bessere. Mir wurde gesagt, dass Enthaltungen beim Gesamtquorum nicht zählen.

Und wie ist nun die Stimmung im Verband?

Wenn ich sagte, dass alles gut sei, wäre das übertrieben. Es gibt Strömungen und Gruppierungen, von denen ich mich fernhalte. Ich habe mich vor allem auf meine Beiratsarbeit konzentriert.

Das klingt ja so, als wäre Ihre Nominierung überraschend gekommen.

In der Tat, für mich war sie das. Jemand ist angetreten, bekam aber nicht die notwendige Mehrheit.

Wen meinen Sie – Vorgängerin Heike Boll?

Ja, Frau Boll. Sie wurde im ersten Wahlgang nicht gewählt. Während einer Pause fragten mich mehrere Mitglieder, ob ich nicht kandidieren wolle.

Dann haben Sie sich also breitschlagen lassen, weil sonst niemand wollte?

Ich lasse mich nicht breitschlagen. Es stimmt jedoch, dass es ein gutes Gefühl ist, wenn viele einem den Posten des Landeschefs zutrauen. Ich will nicht unbescheiden klingen, aber ein paar Erfahrungen mit Vorstands- und Beiratsarbeit habe ich schließlich ja.

Welche Hoffnungen verbinden die Mitglieder denn mit Ihnen, die Ihre Vorgängerin nicht erfüllen konnte?

Das kann ich nicht sagen, weil ich das schlicht nicht weiß. Vielleicht hat meine Wahl damit zu tun, dass ich eben mehr politische Erfahrungen vorweisen kann als sie.

Wie rechts sind Wutbürger inzwischen?

Ich habe diese Frage erwartet.

Dann haben Sie bestimmt eine gute Antwort.

Ich sage es mal so: Wenn ich die Sahra Wagenknecht von den Linken so reden höre, dann kann ich ihr ganz oft zustimmen. Unsere Ansätze sind gar nicht so unterschiedlich. Das gilt allerdings nicht für die Lösungen mancher Probleme.

Soll heißen?

Dass es ein links und rechts für mich nicht gibt. Wir sind einfach eine konservative und bürgernahe Wählervereinigung.

Wie kommt es dann, dass Sie von Wirtschaftsflüchtlingen sprechen, wenn andere von Flüchtlingen reden?

Weil es die Wahrheit ist.

Alle Flüchtlinge sind ­Wirtschaftsflüchtlinge?

Nein, nicht alle, aber die meisten. Marokkaner und Tunesier sind doch keine Flüchtlinge, die durch Krieg vertrieben werden. Wir machen schließlich in diesen Ländern Urlaub.

Die meisten kamen aber aus Syrien.

Ich bleibe dabei, dass die meisten Flüchtlinge Wirtschaftsflüchtlinge sind. Ich gehe sogar noch weiter: Für mich sind das Wirtschaftsinvasoren.

Dann sind die Kriegserlebnisse der Menschen frei erfunden?

In den meisten Fällen ja.

Warum lehnen Sie eigentlich eine Resolution ab, die gegen Rassismus und für Weltoffenheit ist?

Für mich war der Antrag der SPD ein Showantrag. Natürlich sind wir keine Rassisten. Und genauso natürlich ist es, dass wir beim Begriff Weltoffenheit vorsichtig geworden sind, weil er durch die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin gelitten hat.

Lehnen Sie auch einen offenen Zugang zum Weltmarkt ab?

Es gibt verschiedene Bereiche der Weltoffenheit. Und wir können nun mal nicht jeden aufnehmen, der alimentiert werden will.

Die Resolution war eine Reaktion darauf, dass ein Beiratsmitglied bei einer Bewegung mitdemonstriert hat, die rechtsextrem ist. Warum soll ein Beirat kein Zeichen setzen?

Marvin Mergard von der AfD hat nichts Verbotenes gemacht. Er hat sich an einer Demonstration beteiligt, die angemeldet war. Was jemand in seiner Freizeit macht, geht den Beirat im Grunde nichts an.

Das haben Sie mal anders gesehen: Für Sie hatte Mergard eine Grenze überschritten.

Mittlerweile sehe ich das differenzierter. Was nicht heißt, dass ich es gut finde, dass jemand bei den Identitären mitmacht.

Sie werben für eine bürgerlich-konservative Politik der Vernunft. Was ist das?

Wir wollen in erster Linie den gesunden Menschenverstand walten lassen – und nicht das politische Ränkespiel mitmachen. Bei uns geht es nicht um Posten und Macht.

Bürgerlich-konservativ will auch die CDU sein. Ist ihre Politik weniger vernünftig?

Das ist es ja gerade: Die CDU ist nicht mehr konservativ. Meiner ganz privaten Ansicht nach hat die Partei sektenartigen Charakter: Es gibt keine Christdemokraten mehr, sondern nur noch Merkelianer.

Die Fragen stellte Christian Weth.

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