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Saftige Rechnungen Falscher Alarm ist richtig teuer

Wer unnötig Polizeieinsätze verursacht, dem droht nicht nur Strafverfolgung, sondern auch eine hohe Rechnung. Jüngstes Beispiel ist die Bombendrohung in einem Rewe-Markt in der Neustadt.
07.08.2016, 00:00 Uhr
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Falscher Alarm ist richtig teuer
Von Ralf Michel

Wer unnötig Polizeieinsätze verursacht, dem droht nicht nur Strafverfolgung, sondern auch eine hohe Rechnung. Jüngstes Beispiel ist die Bombendrohung in einem Rewe-Markt in der Neustadt.

Polizeiarbeit ist eine Kernaufgabe des Staates und deshalb aus Steuermitteln zu finanzieren. Doch es gibt Fälle, in denen der Verursacher von Polizeieinsätzen an den Kosten beteiligt wird. Und in der Bremer Polizei wird derzeit diskutiert, was in dieser Hinsicht rechtlich noch möglich ist, bestätigt Nils Matthiesen, Pressesprecher der Bremer Polizei. Dabei ginge es nicht um die Erschließung neuer Geldquellen, betont er. „Aber wer völlig unnötig Polizeieinsätze verursacht, der muss dafür zur Kasse gebeten werden.“

Im Blick hat Matthiesen bei dieser Aussage Fälle wie den, der sich vor kurzem in einem Mehrparteienhaus in der Gastfeldstraße zugetragen hat. Nachbarn hatten dort aus einer Wohnung laute Schreie und Schüsse gehört und die Polizei alarmiert. Sieben Streifenwagen mit 20 bewaffneten Beamten waren im Einsatz.

Tatsächlich entpuppte sich das Ganze als lautstarke Auseinandersetzung zwischen zwei alkoholisierten Männern, die während eines Videospiels in Streit geraten waren. Einer von ihnen zückte dabei eine Schreckschusspistole und gab mehrere Schüsse in der Wohnung ab – der Auslöser für die Alarmierung der Polizei durch die besorgten Nachbarn.

Uneinsichtig und aggressiv

Dass die mit einem Großaufgebot anrückte, läge in der Natur der Sache. „Wenn wir wegen Schüssen und Schreien alarmiert werden, müssen wir immer vom Schlimmsten ausgehen“, erklärt Matthiesen und erinnert an den jüngsten Fall in Walle, wo ein Mann auf zwei Personen schoss und sie schwer verletzte.

Die Verursacher des Einsatzes in der Gastfeldstraße zeigten sich laut Polizei absolut uneinsichtig. Mehr noch, sie seien den Beamten gegenüber so aggressiv aufgetreten, dass man sie mit zur Wache habe nehmen müssen. In diesem Fall prüfe die Rechtsstelle der Polizei, ob es möglich ist, den beiden Männern den Einsatz in Rechnung zu stellen, erklärt Matthiesen. Zu berappen wäre dafür ein vierstelliger Betrag. Zwei bis drei Stunden Einsatz von 20 Leuten, 63 Euro pro Mann und Stunde, rechnet der Polizeisprecher vor.

Vortäuschung einer Gefahrenlage

Nicht immer muss eine Kostenbeteiligung erst noch geprüft werden. Wenn Bürger eine Gefahrenlage oder Straftat vortäuschen, werden sie auf jeden Fall zur Kasse gebeten, sagt Matthiesen und erzählt von einem vorgetäuschten Raubüberfall in einem Wohnhaus. Das angebliche Opfer hatte blutverschmiert eine Freundin angerufen, die daraufhin die Polizei informierte.

Noch am selben Tag hätten die Ermittlungen dann aber ergeben, dass das Opfer sich versehentlich an einer Glasscherbe geschnitten und es den Raubüberfall nie gegeben hatte. Hier wurden 3000 Euro in Rechnung gestellt. Wogegen der Betroffene übrigens geklagt habe, ­berichtet Matthiesen. „Aber die Klage wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen.“

Festgezurrt sind auch die 5000 Euro, die der Mitarbeiter einer Bremer Firma zahlen muss, der sich aus Ärger über einen abgelehnten Urlaubsantrag in einem Großraumbüro lautstark mit einem Kollegen über einen Amoklauf unterhielt. Dies hörte eine weitere Mitarbeiterin und rief die Polizei. Die Ermittlungen ergaben später, dass die Androhung eines Amoklaufs nicht ernst gemeint war, erzählt Matthiesen. Der Mann habe lediglich seine Kollegen verunsichern wollen. An den Kosten für den polizeilichen Großeinsatz änderte dies freilich nichts.

Kosten für die Einsätze sind genau geregelt

Eine Übersicht, wie viel Geld auf diese Weise zusammenkommt, gibt es laut Polizeibehörde nicht. Insgesamt würden rund 25 Fälle wie die genannten Beispiele pro Jahr bearbeitet, heißt es. Die zu berechnenden Stundensätze für die eingesetzten Beamten oder auch die ansetzbaren Kosten für den Einsatz von Fahrzeugen sind allerdings genau geregelt. In Bremen gibt es hierfür eine allgemeine Kostenverordnung sowie eine Kostenverordnung für die innere Verwaltung.

Zur Anrechnung kommen können Kosten aus unterschiedlichsten Anlässen – von Fehlalarmen über die Begleitung von Schwerlasttransporten bis hin zur Unterbringung von Personen im Polizeigewahrsam und den Reinigungskosten für Arrestzellen oder Polizeiwagen (siehe unten).

Ebenfalls berechnet werden können Einsätze bei Ruhestörungen oder Streitigkeiten, erklärt Nils Matthiesen. Allerdings erst dann, wenn ein wiederholtes Einschreiten erforderlich ist, das heißt, die Betroffenen die erste Aufforderung der Polizei zum Unterlassen der Störung ignoriert haben.

Bombendroher muss zahlen

In jedem Fall und sofort zur Begleichung von entstandenen Kosten herangezogen, werden Täter wie der 28-jährige Bremer, der kürzlich mit einer Bombendrohung für die Räumung des Rewe-Marktes in der Neustadt sorgte. Der Mann hatte in dem Supermarkt an der Westerstraße angerufen und gesagt, dass in dem Laden bald eine Bombe explodieren würde.

Die Polizei evakuierte das Gebäude und durchsuchte den Gefahrenbereich mit Spürhunden. Gefunden wurde nichts. Dafür ermittelte die Polizei den anonymen Anrufer. Was, ganz abgesehen von der Strafverfolgung, teuer für ihn werden dürfte, schätzt Nils Matthiesen. „Zwei Stunden, viele Kollegen im Einsatz... das kann schnell ein vierstelliger Betrag werden.“

Hinzu kommen könnten außerdem finanzielle Regressansprüche der Rewe-Gruppe, die sich zu derart sicherheitsrelevanten Themen allerdings nicht öffentlich äußern möchte. Man behalte sich entsprechende Schritte vor, hieß es hierzu aus der Konzernzen­trale in Köln.

Kosten für unnötige Polizeieinsätze

Wie hoch die Rechnung für einen unnötigen Polizeieinsatz ausfällt, hängt in erster Linie vom Umfang des Einsatzes ab. Wie viele Beamte waren wie lange im Einsatz? Aber auch die Besoldungsstufen der Einsatzkräfte spielt eine Rolle. Davon abhängig können in Bremen zwischen 53 und 77 Euro pro Mann und Stunde in Rechnung gestellt werden. Auch der Einsatz von Kraftfahrzeugen kann berechnet werden.
Ein Streifenwagen schlägt zum Beispiel pro gefahrenem Kilometer mit 2,10 Euro zu Buche. Mit 36,55 Euro pro angefangenen 24 Stunden werden diejenigen zur Kasse gebeten, die in Polizeigewahrsam untergebracht werden – egal, ob zu deren eigenen Schutz etwa nach Drogen oder Alkoholkonsum, zur Verhinderung oder Beseitigung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder zur Durchsetzung eines Platzverbotes.
Und auch eine Reinigungspauschale für die Verunreinigung einer Gewahrsamszelle und eines Einsatzfahrzeuges wird im Kostenverzeichnis der Polizei aufgeführt – in beiden Fällen sind 36 Euro zu berappen.
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