Wie werden wir in Zukunft unsere Zimmer und das Wasser heizen? Für eine Gruppe von Findorfferinnen und Findorffern liegt die Antwort ziemlich nah: nämlich einige Hundert Meter unter den Pflastersteinen. Dort befindet sich eine umweltfreundliche und nicht versiegende Energiequelle, die rund um die Uhr, bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit konstant verfügbar ist. Ein erster Informationsabend, bei dem die Idee für ein gemeinschaftlich finanziertes und betriebenes Erdwärmenetz vorgestellt und erläutert wurde, zog vor einigen Wochen mehr als 250 Menschen aus der Nachbarschaft des Ortsteils Regensburger Straße in die Aula der Oberschule Findorff. Jens Radke und Werner Müller aus dem Kreis der Initiatoren erklären im Gespräch mit dem WESER-KURIER, was ein „Anergie-Netz“ ist und wie es errichtet werden soll.
Die Idee: Der Initiativkreis stellt sich vor, die Erdwärme (Geothermie) in einer Tiefe von rund 300 Metern zu nutzen – man spricht dabei noch von oberflächennaher Geothermie. „Der Untergrund in Bremen ist optimal für solche Bohrungen“, sagt Jens Radke. Um die gespeicherte Wärmeenergie zu nutzen, werden Rohre aus robustem Kunststoff in das Bohrloch eingeführt, die mit einem frostsicheren Wasser-Glykol-Gemisch gefüllt sind. Die „Doppel-U-Rohr-Sonde“ nimmt die Wärme aus der Tiefe auf und transportiert sie in einem geschlossenen Kreislauf an die Oberfläche. Die Bohrungen werden wiederum über ein Netz von Rohren miteinander verbunden. „So können sich Haushalte entweder direkt an das Erdwärmenetz anschließen, oder aber zu einem späteren Zeitpunkt.“
Die Technik: Die so genannte kalte Nahwärme oder Anergie sorgt dafür, dass in den Häusern das ganze Jahr über eine konstante Temperatur von zehn bis zwölf Grad Celsius ankommt. Das reicht noch nicht, um damit im Winter die Räume zu heizen und das Duschwasser angenehm warm zu machen. Doch es genügt, um den Verdampfungsprozess in einer modernen Sole-Wasser-Wärmepumpe anzutreiben. Vorteile gegenüber einer Luft-Wärmepumpe: „Die Pumpe kann sowohl zum Heizen genutzt werden als auch zum Kühlen – in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger“, erklärt Werner Müller, Projektmanager bei der Bremer Klimaschutzagentur Energiekonsens. Im Gegensatz zu Luft-Wärmepumpen könne die Sole-Wasser-Pumpe im Hausinneren aufgestellt werden. „Der wichtigste Vorteil ist jedoch ihre um 25 Prozent höhere Energieeffizienz im Vergleich zur Luft-Wärmepumpe“, sagt Müller. „Der Stromverbrauch ist also um ein Viertel niedriger.“
Die Besonderheit: Geothermie wird bereits seit Jahrzehnten genutzt, doch zumeist für Neubauprojekte. Seit drei Jahren fördert ein Reihenhaus in einer Waller Wohnstraße Erdwärme über eine Bohrung auf dem Privatgrundstück – ein seltener Einzelfall im Altbaubestand. Eine wichtige Voraussetzung sei, dass die Stadt Regelungen für die Nutzung des öffentlichen Raums schaffe, betont Radke: „Geothermie ist ein öffentliches Gut. Sie gehört allen.“
Der Gemeinschaftsgedanke: Vor eineinhalb Jahren machte eine Nachbarschaftsinitiative in der Humboldtstraße im Bremer Viertel ihre Pläne für ein gemeinschaftliches, nicht profitorientiertes Erdwärmennetz öffentlich, das Bohrungen auf öffentlichem Grund vorsieht. Dort liege inzwischen das positive Ergebnis der Machbarkeitsstudie eines externen Gutachters vor. Die Nachbarschaftsinitiative hat sich zum Förderverein „Erdwärme Dich“ zusammengeschlossen, die Gründung einer Energiegenossenschaft stehe kurz bevor. Das Vorbild inspirierte stadtweit, berichtet Müller. „Inzwischen treffen sich mehr als 30 Initiativen aums der ganzen Stadt zum regelmäßigen Austausch.“ Ziel ist es, in Findorff genügend Gleichgesinnte für ein gemeinsames Nahwärmenetz zu gewinnen. Müller spricht von einer „Demokratisierung der Energieversorgung“.
Wie es nun weitergeht: „Wir wollen alle mitnehmen“, sagt Radke. Die Resonanz auf den ersten Abend, zu dem Philipp Metz aus dem Verein „Erdwärme Dich“ als Experte geladen war, sei ermutigend. Rund 140 Interessierte Bürgerinnen und Bürger alleine aus dem Ortsteil Regensburger Straße lassen sich seither regelmäßig über die Newsletter des Initiativkreises auf dem Laufenden halten – „und es werden immer mehr“, sagt Radke. Nach den Sommerferien soll eine weitere Informationsveranstaltung folgen. Müller rechnet mit der Umsetzung eines ersten Bremer Pilotprojekts bereits im kommenden Jahr erfolgen. „Das wird zunächst sicher nicht in Findorff sein, aber wir wollen auch nicht lange warten.“ Mit dem Erkenntnissen aus dem Pilotprojekt werde es auch möglich, die Kosten für die einzelnen beteiligten Haushalte zu beziffern.
Der Verein „Erdwärme Dich“ aus der Humboldtstraße erläutert sein Projekt unter www.erdwaerme-dich.de. Dort finden sich auch Antworten auf viele häufige Fragen zum Thema Erdwärme. Wer den Newsletter der Findorffer Initiative erhalten möchte, kann sich über die Emailadresse kontakt.regensburger@erdwaermedich.de melden.