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Corona Reisen in der Pandemie: Momentaufnahme am Bremer Flughafen

Geimpft, getestet, in der Warteschlange vor dem Sicherheitscheck. Der WESER-KURIER besucht den Bremer Flughafen zur Sommerferienzeit.
30.07.2021, 19:00 Uhr
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Reisen in der Pandemie: Momentaufnahme am Bremer Flughafen
Von Katia Backhaus

Auf Lionels T-Shirt steht „Take me to the beach“. Mit blauen Plastikhandschuhen hält er den Griff seines bunt bedruckten Kinderkoffers, eine weiße Maske verdeckt sein halbes Gesicht. Lionel ist gewappnet: gegen Corona. Und für Curaçao.

Sein Vater Sven Ronge, in weißem Poloshirt und kurzer Hose, die Hand am Rollkoffergriff und blau-weiße Flipflops an den vorgebräunten Füßen, sieht der Bordkartenkontrolle gelassen entgegen. Curaçao, das klingt nach Cocktails, türkisblau, so wie das Wasser, das an den weißen Sandstrand der Antillen schwappt. Ein Traum.

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Für Ronge, seine Frau Achara und die beiden Söhne Lionel und Luis geht es am Bremer Flughafen wirklich in den Urlaub. Der erste seit Ausbruch der Pandemie, eine lange Reise. Sie wird – mit Zwischenstopp in Amsterdam – erst gegen zwei Uhr nachts zu Ende sein.

Eigentlich sei Thailand geplant gewesen, sagt Ronge, doch dort hätten sie nach der Ankunft in Quarantäne gemusst. Nun also Curaçao. Er und seine Frau seien geimpft, die Kinder getestet: „Wir gehen da optimistisch ran.“ Wenn sich nun die Regeln ändern, die Zahlen weiter steigen, bei der Rückkehr Quarantäne notwendig wird? „Wenn ich dafür drei Wochen Urlaub habe, macht mir das keine Sorgen.“

Ronge lächelt. Seine Jungs sind schon ein paar Meter voraus, warten hinter den schwingenden Glasflügeln, die die Leute am Flughafen in zwei Gruppen trennen: die mit und die ohne Bordkarte. Los jetzt, auf nach Curaçao.

Geimpft zum Städtetrip nach Krakau

An diesem Vormittag im Abflugbereich des Bremer Flughafens ist es voll. In der nächsten Stunde sollen vier Flieger starten, nach Málaga, Alicante, Amsterdam und Antalya. Wer nach unten schaut, den glänzend hellen Flughafenboden entlang, blickt auf Schuhe, Flipflops und Sandalen, Kofferrollen und Reisetaschen. Die lange Schlange beginnt mehrere Meter vor dem Bordkartencheck und zieht sich bis zu der Glaswand, hinter der das Sicherheitspersonal prüft, durchleuchtet, durchwinkt. Sieht aus wie immer. Aber wer hochschaut, blickt in maskenbedeckte Gesichter. Auch in diesem Sommer fliegt die Pandemie mit.

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Von zwei Seiten stehen die Menschen bei der Bordkartenkontrolle an, Sarah hat die linke gewählt. Mit einem wollenen Stirnband in den langen braunen Haaren, einem olivgrünen, halblangen Mantel und schwarzer Maske wirkt die junge Frau weniger wie eine Sonnenurlauberin. Der Eindruck täuscht nicht, sie fliegt nach Krakau, ein Städtetrip. Was früher ganz normal war, ist jetzt nur unter Bedingungen möglich. Genesen und geimpft sei sie, sonst würde sie sich nicht in einen Flieger setzen oder in einer fremden Stadt unter die Touristen mischen wollen. "Die Inzidenz ist schon noch ausschlaggebend für mich", sagt Sarah, "deswegen auch Krakau und nicht Mallorca." Und deswegen wird sie, bevor sie den Flieger besteigt, ihre OP-Maske gegen eine FFP-2-Maske tauschen.

"So wenig Leute habe ich hier noch nie gesehen"

Der Wartebereich an der Ankunft in Terminal 1 des Bremer Flughafens ist nicht groß, aber groß genug für den gedehnten Halbkreis, den die Wartenden dort bilden. Alle mit Blick auf die Anzeigetafel: Antalya, Amsterdam, Frankfurt, Ankunft zwischen 10.10 und 10.30 Uhr. "So wenig Leute habe ich hier noch nie gesehen", sagt Yancin Ücer. Er muss es wissen: Seit 1967 lebt er in Bremen, in der Regel fliegt er einmal im Jahr in den Urlaub. Heute nicht.

Bis die ersten Fluggäste aus der Sicherheitszone herauströpfeln, dauert es. "Verspätet, wie immer", kommentiert eine blonde Frau mit Sonnenbrille und kleinem Pappschild in der Hand. Sie und ihre Kollegin warten auf LH352, den Flieger aus Frankfurt am Main, sie holen Geschäftsgäste ab. Eine ältere Frau steht da mit zwei kleinen, gelb-roten Rosen in der Hand, ordentlich mit feuchtem Papier umwickelt. Später wird sie ein junges Paar begrüßen und die Blumen übergeben.

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Mit schnellem Schritt ist ein Mann in blauem Hemd und dunkelblauem Jackett hereingekommen, schaut auf die Anzeigetafel, bleibt stehen. Schließlich klingelt sein Handy, er geht dran: "Ja ja, ich stehe hier, ich bin der mit dem blauen Hemd und" - kurzes Zögern, wohl weil ihm bewusst ist, dass das in dieser Runde kaum ein Unterscheidungsmerkmal ist - " der weißen Maske." Er wie die anderen bleiben für sich, es ist ruhig. Kaum vorstellbar, dass sich hier stürmische Wiedersehensszenen abspielen sollen.

Ücer steht relativ weit hinten, hat die gesamte Halle im Blick. In einem schwarzen Hemd, groß mit pinkfarbenen, gelben und weißen Blüten und grünen Blättern bedruckt sieht er aus wie ein typischer Urlaubsrentner. Tatsächlich wartet er nur. Einen Freund aus der Türkei will er abholen, der Flug aus Antalya war für 10.10 Uhr angekündigt, inzwischen ist es kurz vor elf, seit einer Stunde ist er hier. Jede Viertelstunde im Parkhaus kostet einen Euro, gleich bricht die nächste an.

Bis 1991 fuhr Ücer zur See, davon fast 20 Jahre auf Containerschiffen. Er ist es gewohnt, unterwegs zu sein, inzwischen ist er seit zwei Jahren zu Hause. Vielleicht werde er im August noch Urlaub machen, sagt er, „aber jetzt ist alles so teuer“, und die Rente sei nicht so hoch. So oder so: Fliegen möchte er wegen Corona lieber nicht. Gelb ragt Ücers Impfausweis aus seiner Brusttasche, er nehme ihn überall hin mit, erzählt er. „Das ist jetzt der zweite Ausweis.“

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Rundherum verteilen sich weitere Menschen. Ein Barista räumt auf, Tassen klirren. Ein Paar, den beladenen Gepäckwagen neben sich, sitzt auf hohen Stühlen im Café, ein leerer Teller, eine zerknüllte Serviette vor sich auf dem grauen Bäckereitablett. Nach Kairo gehe es für sie, berichten sie kurz, in ihre zweite Heimat. Nein, Sorgen wegen der Pandemie machten sie sich nicht. Die Regeln dort seien ähnlich wie hier, doppelt geimpft seien sie auch und natürlich vorsichtig. Nun müssten sie aber los.

"Die Masken müsst ihr auflassen"

Und dann gibt es sie doch: die freudigen Begrüßungen, die Umarmungen unter der Anzeigetafel, die Hallo rufenden Kinder und die Erwachsenen, die die Gepäckwagen mit zwei, drei, vier Koffern stehen lassen, um Familie oder Freunde in den Arm zu nehmen. Nina Rousell und ihre beiden Töchter, die ihre Oma kaum loslassen wollen, gehören dazu. Ihre Reise hat in England begonnen.

„Der Stress war vorher. Dass man alle Formulare hat“, sagt Rousell. Vor dem Brexit und der Pandemie war das kein Thema. Seit 21 Jahren lebt sie in England und ist normalerweise regelmäßig in Bremen zu Besuch. Ein Jahr lang hat sie die Reis­e nicht gewagt, wegen der Pandemie den 70. Geburtstag ihrer Mutter verpasst. Ganz entspannt sei die Reise nicht gewesen: Im Flugzeug hätten viele der Passagiere nicht gewusst, dass eine Stoffmaske nicht reiche.

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Nun will Rousell zwei Wochen lang bleiben - "wahrscheinlich". Denn so ganz genau zu planen sei aktuell ja schwierig. Für den Notfall, eine Quarantäne zum Beispiel, hat sie ihren Dienst-Laptop mitgenommen. Dann würde sie eben von Deutschland aus arbeiten: "Ich habe extra alles dabei."

Social Distancing auf leeren Sitzbänken

Im Sommerkleid und mit zwei großen Koffern ist Cagla Karaca aus dem Flieger von Antalya zurück in den vergleichsweise kühlen Bremer Sommer gekommen. Immer mal wieder rückt sie ihre hellblaue Maske zurecht, die beim Sprechen droht, unter die Nase zu rutschen. Zwölf Tage war sie im Türkei-Urlaub, eine echte Erholung, sagt sie. Besondere Angst vor einer Ansteckung habe sie nicht gehabt, sagt die junge Frau: „Überall ist ein Risiko, nicht nur in der Türkei.“ Formulare, Tests, die Regeln, all das sei ziemlich aufwendig gewesen. Und fliegen mit der Maske sei unangenehm. Dennoch: Wenn es ginge, würde sie bald wieder in den Urlaub starten: „Warum nicht?“

Zum Taxi, zum Auto, zur Bahn – schnell sind die Fluggäste verstreut. Übrig bleiben die, die noch etwas zu erledigen haben oder auf einen Anschluss warten müssen. Im „Kiddieland“ buhlen leuchtende Farbröhren etwas schlapp mit dem Sonnenlicht um Aufmerksamkeit. Ein Junge und ein Mädchen testen elektrische Schaukelautos, die sonst in Supermarkteingängen zu finden sind. Eine Frau steht bei ihnen: „Die Masken müsst ihr auflassen.“ Zurück kommt ein leicht genervtes „Och menno!“.

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Über die Rückenlehne jedes zweiten Platzes der schwarzen Sitzreihen ist ein Stück Stoff gelegt. „Social Distancing“ steht darauf, ein Warndreieck ist abgebildet. Im Moment wäre das gar nicht nötig, nur ein einzelner Mann hat sich niedergelassen. Auch die Souvenirverkäuferin sitzt allein an der Kasse ihres leeren Geschäfts. Sie löst ein Rätsel in einer Zeitschrift. Der Mann am Last-Minute-Schalter - keine Kunden in Sicht - schaut etwas verloren an seinem Computerbildschirm vorbei zur Corona-Teststation gegenüber. Bis die nächsten Flüge abgehen, dauert es noch. Fleißig unterwegs ist eine Putzkraft, die den hellen Boden wischt, am Last-Minute-Schalter entlang, vor dem Souvenirladen, bei der Sitzbank. Hygiene ist wichtig in diesen Zeiten.

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