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Interview mit LAG-Sprecher Arnold Knigge "Bildung ist die beste Sozialpolitik"

Bremer LAG-Sprecher Arnold Knigge stellt die besondere Bedeutung der Arbeit in den Quartieren heraus.
24.05.2021, 16:28 Uhr
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Von Frauke Fischer

Herr Knigge, Sie vertreten als Sprecher noch bis Ende Mai die Freien Wohlfahrtsverbände im Land Bremen. Was bedeutet diese Aufgabe zur Zeit der Pandemie?

Leider waren wir wie die gesamte Gesellschaft und der Staat nicht ausreichend auf eine Katastrophe dieser Größenordnung vorbereitet. Wir mussten viele neue Herausforderungen und Probleme lösen.

Wo sahen Sie die größten Probleme?

Am schwierigsten war die Situation in den Pflegeheimen nach dem Lockdown und den Besuchsverboten beziehungsweise -beschränkungen. Sie war für alle Beteiligten, für Bewohner, Beschäftigte und Besucher, aber auch für uns in der LAG sehr belastend. Wir haben uns frühzeitig für eine umfassende Teststrategie in Pflegeheimen und auch in den Kindergärten eingesetzt. In den letzten Monaten stand die Planung und Umsetzung der Impfaktion im Vordergrund. Hier haben unsere Hilfsorganisationen, besonders vom Roten Kreuz und den Johannitern, vorbildliche Arbeit geleistet.

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Die Pandemie verliert offenbar ihren Schrecken. Ist das aus Ihrer Sicht eine nachvollziehbare Wahrnehmung oder werden die Menschen zu sorglos?

Noch ist die Corona-Pandemie nicht vorbei: Wir müssen in den nächsten Wochen wohl weiterhin mit stark eingreifenden Beschränkungen unseres täglichen Lebens umgehen, bis wir die notwendigen Impfungen hinter uns gebracht haben. Mir erscheint es aber dringend geboten, mit den Erfahrungen dieser Pandemie schon jetzt über notwendige Konsequenzen für die Zukunft nachzudenken. Dies umso mehr, als ähnliche Pandemien auch in Zukunft drohen können.

Sie haben Bremen beispielsweise in Ihrer langen Zeit als Staatsrat in verschiedenen Ressortbereichen auch in anderen Krisen erlebt. Aber Ihre Aufgaben sind seit 2006 andere.

Ja. Ich hatte von 2007 bis 2011 einen ehrenamtlichen Lehrauftrag für die kommunale Sozialpolitik an der Uni Bremen. Und von 2008 bis 2010 war ich Leiter eines EU-Beschäftigungsprojekts im serbischen Wirtschaftsministerium in Belgrad.

Gibt es weitere Ehrenämter, die Sie wahrnehmen?

Seit 2009 bin ich stellvertretender Vorsitzender der Wilhelm-Kaisen-Bürgerhilfe. Außerdem gehöre ich seit dieser Zeit auch dem Kuratorium der Stiftung Martinshof und dem Förderkreis der privaten Stiftung „Gib Bildung eine Chance“ an. Neuerdings arbeite ich auch im Beirat der Bürgerstiftung Bremen mit.

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Kommen wir noch einmal auf Ihre Sprecherfunktion für die LAG zurück. Welche Aufgaben sehen Sie als zukünftig vorrangig für diesen Zusammenschluss der verschiedenen Träger an?

Es gibt große Anstrengungen gegen soziale Spaltung und Armut durch regelmäßige Armutskonferenzen. Initiativen für eine weitere Regionalisierung der psychiatrischen Versorgung in den Stadtteilen mit Vorlage des Zukunftskonzepts für den Bremer Westen. Außerdem beteiligen wir uns aktiv am Kita-Ausbau und schließen für Pflegekräfte bundesweit einmalige trägerübergreifende Tarifverträge ab. Auch das Fachkräfteproblem beschäftigt uns sehr.

Schön, aber wie wollen Sie das Letztgenannte lösen?

Wir setzen uns seit Jahren dafür ein, mehr Fachkräfte zu gewinnen. Besonders in der Kindertagesbetreuung und in der Pflege. Deswegen auch unser großer Einsatz für einheitliche Tarifverträge in der Pflege.

Was können die freien Träger dazu beitragen?

Rund 25.000 Hauptamtliche und über 10.000 Ehrenamtliche sind bei den Trägern tätig.

Was heißt das?

Die LAG vertritt ihre Mitglieder in der Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik und stärkt so die soziale Verantwortung in der Bevölkerung. Ihre Aufgabe ist auch, an der Gesetzgebung mitzuwirken und die Position der freien Wohlfahrtspflege in der Öffentlichkeit zu vertreten.

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Es geht also um verschiedene Aufgaben der Haupt- und Ehrenamtlichen. Haben Sie bestimmte Zielgruppen im Blick?

Für mich stehen in den Quartieren Kinder und Jugendliche sowie hilfsbedürftige und ältere Menschen im Vordergrund. Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche brauchen in besonderer Weise zusätzliche Unterstützung in der Kindertagesbetreuung beziehungsweise in der Schule. Das muss mit der frühkindlichen Bildung in Kitas beginnen und sich in den Schulen, etwa mit verstärkter Schulsozialarbeit, fortsetzen.

Was empfehlen Sie nach Ihren Erfahrungen Ihrem Nachfolger oder Ihrer Nachfolgerin und der Politik?

Mir fällt dazu Einiges ein. Aber um mehr Chancengerechtigkeit herzustellen und mehr gegen Armut zu unternehmen, halte ich es vor allem mit dem berühmten Satz von Jutta Almendinger 'Bildung ist die beste Sozialpolitik'.

Das Gespräch führte Frauke Fischer.

Zur Person

Arnold Knigge

Der Jurist war von 1983 bis 1990 Referent für Sozialpolitik bei der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Von 1992 bis 2006 war Arnold Knigge Staatsrat in Bremen, zunächst im Arbeitsressort, später im Ressort für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales. Seit 2011 ist der verheiratete Vater zweier Kinder ehrenamtlicher Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände Bremen (LAGFW).

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