Vier Frauen sitzen 1988 in einem Materialraum im Keller eines renovierungsbedürftigen Hauses. Mit weiteren Mitstreiterinnen haben sie nach langer Vorarbeit und intensiven Arbeitstagungen ein Konzept entwickelt und starten nun ein „Kultur- und Kommunikationszentrum für Frauen“. Das Ziel ist, die politische, gesellschaftliche und kulturelle Bildung von Frauen zu fördern. 30 Jahre später feiert der Verein „Belladonna – Kultur, Bildung und Wirtschaft für Frauen“ sein langjähriges Bestehen als Einrichtung mit deutschlandweiter Reputation.
Belladonna bietet insbesondere Kultur- und Bildungsangebote, Lesungen und Vorträge, Ausstellungen und Seminare und eine erfolgreiche Coaching-Reihe für Existenzgründungen an. Außerdem beherbergt der Verein ein umfassendes Frauenpressearchiv. Das Domizil in der Sonnenstraße ist ein Ort der Vernetzung und des Austauschs für Frauen. Auf ihrer Website thematisiert Belladonna, warum Fragestellungen von Frauen und ihren Lebensmustern in Bildungs- und Kultureinrichtungen so gut wie nicht vorkommen. Deshalb stehen Frauen und ihre Lebens- und Sichtweisen bei Belladonna im Vordergrund.
Maren Bock, Geschäftsführerin und Mitbegründerin von Belladonna, erinnert sich zum 30-jährigen Bestehen an die Anfänge des Vereins. An der Uni hatte sich damals eine Gruppe von Frauen gefunden und ab 1986 an einem Konzept gearbeitet. 1988 wurde dann Belladonna gestartet, mit vier Mitarbeiterinnen hat der Verein klein angefangen. Um unabhängig von Banken zu sein, hat eine Gemeinschaft von Frauen ein zentral gelegenes Haus in der Sonnenstraße erworben, teilweise selbst renoviert, dort hat sich dann der Verein Belladonna als Mieter verortet. Die Botschaft: „Wir werden sichtbar.“
Auf der Suche nach einem geeigneten Namen kamen die Frauen auf „Belladonna“ für „schöne Frau“, lehnen sich in der Bezeichnung aber auch an Atropa Belladonna an, eine Arzneipflanze, die stark wirksam ist.
Von Anfang an waren Kultur und Bildung sowie das Archiv die Schwerpunktbereiche des Vereins. Maren Bock hat gemeinsam mit der Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Hannelore Cyrus begonnen, das Frauenarchiv aufzubauen. Dafür haben sie im Staatsarchiv nach Bremer Frauengeschichten geforscht. Grundstock vor 30 Jahren waren zudem 50 Bücher und die Auswertung von drei Zeitungen.
Heute beherbergt das Dokumentationszentrum eine Bibliothek mit Frauenfachbüchern und Filmen sowie Existenzgründungsliteratur. Ebenso ein Archiv mit Flyern, 3500 Plakaten sowie Tonaufzeichnungen, frauen- und kulturpolitische Materialien der Frauenbewegung sowie Nachlässe. Und es gibt die Dokumentation, das Frauenpressearchiv. Hierbei hat Belladonna den Fokus auf Sammlung und Vermittlung von Geschichte und Wissen von Frauen in deutschsprachigen Presseartikeln gelegt.
Die Ehrenamtlichen der Archivgruppe bearbeiten mittlerweile 18 Tages- und Wochenzeitungen. Mit nunmehr rund 400 000 archivierten Texten hat Belladonna nach eigenen Angaben das größte Frauenpressearchiv Nordeuropas geschaffen - darauf ist Maren Bock besonders stolz. Ein aktuelles Projekt, das Belladonna mit angeschoben hat, ist das Digitale Deutsche Frauenarchiv. Es wird im September online gehen, Belladonna bringt damit Themen wie „Migrantinnen in Pressedarstellungen“ und die „Bremer Frauenbewegung“ inhaltlich erschlossen und jeweils in Zusammenfassungen in die Datenbank ein.
Finanziert wird der Verein durch öffentliche Zuwendungen, durch Eigeneinnahmen und nicht zuletzt durch Spenden. Gab es anfangs zur Mitfinanzierung sogar eine Sauna, kam es später zu einer Kursänderung. Ein ökonomisches Standbein für Belladonna wurde die Wirtschaft. Seit 2002 gibt es eine sehr erfolgreiche Coaching-Reihe für Existenzgründungen, um Frauen einen Weg in die Selbstständigkeit zu ermöglichen. "Das macht das Angebot vielfältiger und man kann mehr Zielgruppen erreichen", sagt Maren Bock.
Zum gegenwärtigen Geist von Belladonna gehöre unter anderem, Chancen wahrzunehmen, etwa im Bereich der Digitalisierung. Der Verein sei stets auf der Suche nach Innovationen, bediene soziale Medien und richte den Blick auch über den Tellerrand. Ziel sei nach wie vor: „Frauen sollen selbstständig, Frauen sollen sichtbar sein“, sagt Bock.
Zur 30-Jahr-Feier hat Belladonna ins eigene Domizil in der Sonnenstraße 8 eingeladen. Zahlreiche Wegbegleiterinnen, Unterstützerinnen und Unterstützer drängen sich in die hellen, freundlichen Räume des alten Hauses. Über die 83-jährige Ehrenvorsitzende und Belladonna-Frau der ersten Stunde sagt Maren Bock: „Ohne Hannelore Cyrus wäre Belladonna nicht möglich gewesen.“ Des Weiteren lobt sie das Engagement der Ehrenamtlichen, ohne die es kein Pressearchiv gäbe, und erwähnt dann nicht zuletzt die Nutzerinnen und Nutzer: „Ohne sie, die sie Belladonna nutzen, gäbe es uns gar nicht“.
Kurzweilig und kreativ stellt sich das mittlerweile achtköpfige Belladonna-Kernteam vor. Maren Bock beklagt, dass besonders im Kulturbereich die Gleichberechtigung fehle. Für Ralf Perplies, Referatsleiter beim Senator für Kultur, ist Kultur Veränderung und Nährboden für gedanklichen Austausch. Kultur brauche physischen und gedanklichen Raum und verschiedene Formate. Über das Belladonna-Programm sagt er, es bringe Input für die Stadt. Nach einem Besuch des Belladonna-Archivs stellt Perplies fest, es gebe Errungenschaften, die als solche in Vergessenheit geraten seien – zum Beispiel das Scheidungsrecht oder die Abschaffung des „Gehorsamkeits-Paragraphen“. „Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass es Rechte sind, die man erkämpft hat, und es Rechte sind, die man erhalten muss.“
Für Maren Bock ist klar: „Wir fühlen uns nach wie vor als Feministinnen.“ Zudem erklärt die Geschäftsführerin, es sei kein Widerspruch, Feministin und humorvoll zu sein. Ebenso lasse sich unternehmerisches Denken und Handeln mit Kulturarbeit verbinden. „Wir wollen weiter eine große Stimme im Land Bremen sein, feministisch bleiben, feministisch kämpfen, aber auch viel in den Bereichen Kultur, Bildung, Wirtschaft und Archiv verstetigen.“
Weitere Informationen
Weitere Informationen über Belladonna unter www.belladonna-bremen.de oder service@belladonna-bremen.de. Belladonna bittet Frauen, die in der Frauenbewegung aktiv waren, ihr Unterlagen aus jener Zeit zu überlassen, um sie zu archivieren und der Nachwelt zu erhalten.