„Mich vergisst du nicht!“ Mit dieser selbstbewussten Zeile aus ihrem selbst getexteten Song setzte die Fünftklässlerin Dilara Türk den Schlusspunkt der Musical-Show „Melodie des Lebens“. Die 20. Ausgabe der Show ging im Zukunftslabor der Gesamtschule Bremen Mitte (GSO) über die Bühne. „Mich vergisst du nicht!“ – das galt auch für die vielen, formidablen jungen Künstlerinnen und Künstler, die mit ihren eigenen, von Mark Scheibe vertonten Songs für einen abwechslungsreichen Abend sorgten. Das Publikum quittierte die Show im ausverkauften Konzertsaal mit Jubel.
„Wie soll das nur werden, wenn ihr nach dem Abitur von der GSO abgeht?“ trauerte Scheibe, künstlerischer Leiter der „Melodie des Lebens“, insbesondere zwei seiner großartigen Sängerinnen hinterher: Suzan Balcioglu, der Pop-Poetin am Piano, die mit Verve nicht nur den Amy-Winehouse-Titel: „I am no good“, sondern auch ihren selbst komponierten Song „Kann nicht mehr ohne dich“ mit der großen emotionalen Ausdruckskraft ihrer Stimme interpretierte.
Fans der Stadtteil-Oper
Ihre Botschaft: „Nein, die Welt besteht nicht nur aus Hass!“ Großen Eindruck hinterließ auch Angel Augustino: Ihre tief timbrierte Soul-Röhre, die eigentlich gar kein Mikro bräuchte, erinnert entfernt an die britische Sängerin Adele, wenn die Sängerin stimmgewaltig: „Feeling good“ der großen Nina Simone anstimmt. Recht hat Scheibe, seine Nachwuchstalente so zu preisen.
Birgitt Meyer, die regelmäßig zu Gast in der „Melodie des Lebens“ ist, zeigte sich im Publikum genauso begeistert wie Gerlinde und Hannes Seitz: „Es ist einfach toll, wie die Emotionen hier auf der Bühne gelebt werden.“ Sie sind auch Fans der Stadtteil-Oper. Albert Schmitt, Geschäftsführer der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, hatte zu Beginn betont, dass das Zukunftslabor inzwischen deutschlandweit Schule mache.
Und Schmitt fügte hinzu: „Wir sind gekommen, um zu bleiben“ – natürlich, um an der GSO gemeinsam mit den Schülern, der Bigband und der Bläserklasse Musik zu machen, wie an diesem Abend auch. Barbara Mundler, die Intendantin des Freiburger Theaters, war so begeistert von der „Melodie des Lebens“, dass sie Mark Scheibe beauftragte, mit „Geister meiner Zeit“ ein Oratorium für ihren Kinder- und Jugendchor zu komponieren.
Angst vor Schuldzuweisungen und Leistungsdruck
Dem musikalischen Tausendsassa, der mit schwindender Stimme tapfer gegen seine Erkältung ansang, standen angesichts der bevorstehenden Uraufführung von Teilen seines Chorwerkes die Schweißperlen auf der Stirn: „Ich habe kaum geschlafen und mir die ganze Nacht auf Youtube Dirigentenvideos angeschaut. Aber jetzt habe ich 's drauf!“
Nun, Mark Scheibe kam auch ganz ohne Bernstein-Bajonett, Barenboim-Backpfeife oder Furtwängler-Faust aus, soll heißen: ohne dirigentische Marotten. „Geister meiner Zeit“ klingt nach einer Mischung aus Jazz-Sinfonie und Brecht-Ballade, wenn die junge Freiburgerin Antonia Pilz „Lonely Luisa“ besingt.
In ihren Liedern offenbaren die Freiburger Gäste Lea Trautner, Lilly Baumgartner und Antonia Pilz mit dem in Endlosschleife stimmstark gesungenen: „Du musst immer besser werden“ ihre Ängste vor Schuldzuweisungen und Leistungsdruck. Wie überhaupt in der „Melodie des Lebens“ immer wieder die Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen aufscheint. Etwa in Zeilen wie diesen: „Wenn es unerträglich wird, im Moment zu sein ... dann flieh' ich aus dem Augenblick in ein besseres Hier und Jetzt."