Walle. Ärger in der Schule, Stress ums Aufräumen, Trennung der Eltern, Geldsorgen: Manchmal nehmen Alltagsprobleme oder Konflikte so viel Raum ein, dass Familien damit einfach nicht mehr fertig werden. Beim zuständigen Jugendamt können sie Hilfe beantragen.
Unterschiedliche Träger bieten für das Jugendamt sogenannte sozialpädagogische Familienhilfe an. So zum Beispiel der Verein ambulanter Erziehungshilfen, der vor zwei Jahren in Walles Zentrum gezogen ist. Bereits seit 1998 ist der freie Träger der ambulanten Familienhilfe in Verden und an anderen Standorten in Niedersachsen aktiv. „Wir hatten dabei viele Schnittstellen in Bremen und haben schließlich deshalb auch hier eine Dependance eröffnet“, sagt Michael Dorn, pädagogischer Leiter.
Von der Bassumer Straße aus stehen der ausgebildete Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, Anti-Gewalt- und Deeskalationstrainer und weitere sozialpädagogische Fachkräfte nun also auch Waller Jugendliche und ihre Familien bei Schwierigkeiten und Problemen zur Seite. Voraussetzung dafür ist, dass das Jugendamt den gemeinnützigen Verein zuvor beauftragt hat.
Häufig müssen dabei zuallererst Barrieren in den Köpfen von Kindern und Eltern überwunden werden, wie Sozialpädagogin Hanna Drexl erzählt: „Bei dem Stichwort Jugendamt denken viele Menschen sofort, dass einer Familie die Kinder weggenommen werden sollen.“ Dieses sei aber keinesfalls das Hauptziel von Familienhilfe, sondern der absolute Ausnahmefall bei Kindeswohlgefährdung. Tatsächlich gehe es vielmehr darum, bei Schwierigkeiten oder Konflikten gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungen zu finden.
Das Motto laute dabei „Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Hanna Drexl und Michael Dorn ergänzt: „Ob in Familien oder im Schulsystem – wir wollen nachhaltige Lösungen haben. Die beste Sozialpädagogik ist dabei die, die irgendwann aufhört.“ Werde eine Familie über Jahre begleitet, sei womöglich ein Betreuerwechsel sinnvoll. Durch das mehr als 40-köpfige Team am Hauptsitz in Verden könne dabei genau abgestimmt werden, was jeweils gut passe. Für den Verein arbeiten außerdem mehrere Dolmetscher, sodass Klienten in unterschiedlichen Sprachen beraten werden können.
Alle Kinder, Jugendlichen und deren Familien können beim Verein ambulanter Erziehungshilfen Unterstützung bekommen – unabhängig von Religion oder Nationalität. Nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz haben alle Familien unabhängig vom Einkommen oder der wirtschaftlichen Situation Anspruch auf diese Hilfsleistung, erklärt Michael Dorn. Dieser Anspruch für alle zum Wohle der Kinder und Jugendlichen sei insbesondere in solchen Fällen wichtig, in denen sich Jugendliche Hilfe von außen wünschen – ihre Eltern aber nicht. „Selbstmelder“ nennen die Experten diese Jugendlichen, wie Dorn erklärt: „Das sind die, die so tough sind, dass sie selber zum Jugendamt gehen und sagen: Ich brauche Unterstützung.“
Wie der Name sagt, arbeitet der Waller Verein ambulant. „Das kann hier bei uns sein, zuhause im Familienzusammenhang oder extern in der sozialen Gruppenarbeit zu verschiedenen Themen“, erzählt Koordinatorin Irene Vagts. Wo der Verein an Grenzen stößt, holt er wiederum andere Einrichtungen mit ins Boot: Über den Arbeitskreis Kinder und Jugendliche beim Gesundheitstreffpunkt West (GTP) oder auch den Präventionsrat Bremen-West ist der Verein bereits gut in der Stadt vernetzt.
Ein besonderer Fokus der Einrichtung liegt auf der präventiven Kinder- und Jugendarbeit. Momentan ist das Team dabei, dazu unterschiedliche Projekte vorzubereiten. „Für diese Projekte suchen wir regelmäßig Sponsoren“, erzählt Vagts, „so können wir nun zum Beispiel ein Upcycling-Projekt anbieten, das über de Firma Nehlsen finanziert wird.“ Geplant ist außerdem ein Projekt zum Thema Kriminalprävention, bei dem Waller Jugendliche, Schüler aus der Stadtmitte und junge Flüchtlinge zusammengeführt werden sollen.
„Es geht darum, dass sie sich und ihre Stadtteile gegenseitig besser kennenlernen“, erklärt dazu Michael Dorn. Denn ob gut situiert oder sozial benachteiligt: Die Menschen blieben überwiegend in ihren „Gettos“ beziehungsweise unter sich, weiß er aus seiner früheren Tätigkeit als aufsuchender Straßensozialarbeiter: „Und durch Unwissenheit beziehungsweise Halbwissen entstehen dann Vorurteile. Das ist immer ein Thema, dazu kann es gar nicht genug Präventionsarbeit geben.“
„Die Qualität unserer Arbeit ist uns wichtig“, unterstreicht Irene Vagts, an diesem Ziel werde durch regelmäßige Dienstbesprechungen und gemeinsame Fortbildungen gearbeitet. Der Verein ist auch sehr interessiert an Nachwuchskräften. „Die Tätigkeit ist abwechslungsreich, man kann viel bewegen und hat gesellschaftlichen Einfluss“, so Vagts. „Wer gerne mit Menschen arbeitet, für den ist es toll“, sagt auch Michael Dorn: „Es fließen immer neue Einflüsse in die Arbeit ein, die Methodenlandschaft wächst und es macht Spaß!“