Die Bremer Wertschließfach AG bewahrt unter dem Domshof Habseligkeiten auf. "Wenn die Banken in einer Notsituation schließen, dann kommt man hier immer an seine Wertsachen", so Mitarbeiter Michael Voigts.
Leise klickt es alle paar Sekunden. Es ist das einzige Geräusch in dem fensterlosen Raum. Klick, klick. Mal weit entfernt, mal ganz nah. Das ist alles. Knapp zwölf Meter unter dem Bremer Domshof kommuniziert über dieses Klicken eine Alarmanlage mit 2357 Schließfächern. Sie sind allesamt verschlossen und wirken dadurch geheimnisvoll. Was verbirgt sich hinter der Nummer 556? Vielleicht ein Testament? Eine wertvolle Kette? Oder eine Festplatte mit wichtigen Dokumenten? Die kleinen Strahler überall in der Decke werfen Lichtkegel und damit auch viel Schatten auf die Fächer. Ein Raum wie gemacht für einen Spionagefilm.
Doch selbst James Bond oder MacGyver hätten Schwierigkeiten, unentdeckt in diesen Raum zu kommen. Denn neben Hürden aus Panzerglas, Beton und Stahl müssten sie eine viereinhalb Tonnen schwere Tresortür mit sechs massiven Bolzen überwinden.
Und sie müssten vorbei an Michael Voigts. Er ist Mitarbeiter der Bremer Wertschließfach AG, die hier auf Kundenwunsch Habseligkeiten aufbewahrt – Münzen, Schmuck, Edelsteine oder Daten. Ende des Jahres hat die Firma die Räume der Commerzbank übernommen. Seit Februar lagert sie hier in deren alten Schließfächern Wertsachen ein.
Was sich darin befindet, der Leiter der Kundenberatung weiß es nicht. Und er würde es auch nicht verraten, wie so Vieles, Diskretion sei das A und O. Die eigene Neugierde hat Voigts professionell im Griff: „Mich interessiert nicht, was in den Schließfächern steckt.“ Wie viele von ihnen bereits vermietet sind? Keine genaue Auskunft. Nur soviel: Mit der Resonanz sei man zufrieden. Mieten vor allem Privatkunden oder Firmen? Auch dazu keine Aussage. Wie viele Mitarbeiter die AG hat? „Darüber kann ich nicht sagen“, muss er sich wiederholen. Natürlich, das war zu erwarten, in dieser Kulisse ist das Spannendste topsecret.
Doch was den Inhalt der Fächer angeht, sei die Vorstellungskraft ohnehin tückisch. „Alle Leute denken immer an Gold, Geld und Diamanten. Aber jeder hat seinen ganz eigenen Wert“, sagt Voigts. Er weiß von Kollegen, die Fächer im Notfall öffnen mussten, dass es häufig ganz andere Dinge sind, die in Obhut gegeben werden. Zum Beispiel Familienfotos oder ein alter Kinderschuh, der über Jahrzehnte einlagert wurde. Vor einem Brand sind sie hier sicher. Bei Firmen seien es typischerweise dagegen oft Festplatten – hat er gehört. Im durch dicke Wände getrennten Nebenraum können außerdem größere Gegenstände gelagert werden. Für Kunstwerke sei der Raum, in dem zwei wie Gefängniszellen aussehende Kabinen montiert sind, ideal. „Er hat immer eine Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Hier kommt kein Staub rein.“

Gediegenes Ambiente im Vorzimmer. Michael Voigts und seine MItarbeiter begleiten die Kunden zu ihren Schließfächern, die dann aber aus Diskretion allein bleiben? Was sich in den Fächern befindet? Voigts weiß es nicht.
Aufschließen, abschließen. Überall, wo Voigts hingeht, muss der Schlüssel dabei sein. „Raus komme ich noch, aber das war es dann.“ Die erste Zeit allein in den Räumen größter Sicherheit, viele Meter unter dem ansehnlichen Gebäude im Stil der Weserrenaissance, das sei schon ein komisches Gefühl gewesen, erinnert er sich. Überall könne er einen Alarm auslösen, Handyempfang gibt es hier aber nicht. Doch die Räume böten Vorteile. Die Schließfächer befinden sich noch unter einer Tiefgarage. Wer will, könne mit seinem Auto in dieser verschwinden, in einer geschlossenen Kabine parken und direkt mit dem Fahrstuhl hinunter fahren. „Im Gewühl der Innenstadt kann man unauffällig untertauchen.“ Auf diesem Sicherheitsniveau sei man als privater Anbieter derzeit allein in Bremen. Man könne eine solch gut gesicherte Anlage auch nicht einfach nachbauen. „Das wäre ein finanzielles Desaster.“
29 Euro im Monat kostet das kleinste Schließfach. Eine Bank sei im Vergleich etwas günstiger. An ein Schließfach der AG käme man dafür zu jeder Zeit. „Wenn die Banken in einer Notsituation schließen, dann kommt man hier immer an seine Wertsachen. Es gibt keine Meldepflicht und die Kunden sind nicht an Öffnungszeiten gebunden. Termine können individuell vereinbart werden.“ Im Sommer wird die Firma auch über Tage sichtbar sein: Dann bezieht sie einen eigenen Laden in der neuen Passage.
Wer an sein Schließfach möchte, braucht in jedem Fall Hilfe. Mehrere Fächer sind über ein Schloss gesichert, das die Mitarbeiter zunächst öffnen müssen. Jedes Aufschließen der Fächer wird genau dokumentiert. Alarmanlage, Bewegungsmelder, Kameras, genaue Vorschriften, wann wo welcher Schlüssel stecken muss und welche Chip-Karte durchgezogen wird – die Sicherung der Sicherung der Sicherung. WLAN gibt es nicht, Informationen werden an unterschiedlichen Orten gespeichert.
Um die Tresorräume herum gibt es einen Gang. Er ist so schmal, dass man nur seitwärts durch ihn gehen kann. Jeden Tag muss er einmal abgelaufen werden, um zu kontrollieren, ob jemand versucht, sich durch die Wände zu bohren. Ein Schutz aus alten Tagen: „Damals gab es elektronisch noch nicht solche Möglichkeiten wie heute.“ Denn heute könne bereits die Vibration in der Mauer einen Alarm auslösen. Sogar die Bauarbeiten im fünften Stockwerk habe die Anlage registriert. Und selbst wer es durch eine der Mauern zwölf Meter unter der Erde schaffe, treffe nur auf die nächste Mauer. Doch Voigts und seine Kollegen schauen nach: „Es wirkt lächerlich, aber wir müssen alles ausschließen. Wir müssen mit allem rechnen.“ Sollte es tatsächlich ein Räuber hinab schaffen, müsse er in zwei Minuten verschwunden sein. „Dann ist hier schon längst viel Polizei und umstellt das Gebäude.“

Ohne Codes und Schlüsselgeht in diesen Räumen nichts. Die Tür des Tresors, in dem sich die Schließfächer befinden, ist viereinhalb Tonnen schwer.
Die Systeme sichern am Ende auch die Mitarbeiter. Allein kommen sie nirgends ran. Um den Tresor mit dem Drehkreuz zu öffnen, fehlt Voigts ein Code. Man setze auf das Vieraugenprinzip. Darüber wirkt er beinahe erleichtert. Niemand könnte ihn beschuldigen, etwas gestohlen zu haben. „Das ist unmöglich.“
Voigts, der vorher ein Textilgeschäft in Oberneuland geführt hat, kennt sich mit Sicherheitstechnik aus – gezwungenermaßen. Bei Voigts Herrenausstatter wurde in drei Jahren zehnmal eingebrochen. „Irgendwann zahlt die Versicherung nicht mehr“, erinnert sich der 47-Jährige.
Die neue ganze andere Aufgabe mit der prominenten Adresse Domshof 8-12 habe ihn gereizt. Er erwartet, dass die Nachfrage nach Schließfächern in Bremen und anderswo noch steigen wird. Weil Filialen schließen, gebe es bald einen Mangel.
Schließfächer sind begehrt
Die Sparkassen verzeichnen laut eigener Aussage schon seit einiger Zeit eine große Nachfrage nach Schließfächern. „Das ist im ganzen Bundesgebiet seit ein bis zwei Jahren der Fall. In den Großstädten gibt es bereits eine Verknappung“, sagt Alexander von Schmettow, Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) in Berlin. Der Run ließe sich vermutlich politisch erklären. „Viele Botschaften der Europäischen Zentralbank (EZB) haben das Vertrauen in den Euro nicht gestärkt, etwa die Diskussion um eine Obergrenze für Bargeld oder nun um das Helikoptergeld. Wir halten das für gefährlich.“ Die Maßnahmen trügen zur Verunsicherung bei und damit möglicherweise zur Nachfrage nach Schließfächern. Auch die Commerzbank beobachtet eine Zunahme: „Wir verzeichnen sowohl deutschlandweit als auch in Bremen einen Anstieg, primär von Privatkunden“, sagt Sprecherin Dagmar Baier. Die Bremer Sparkasse kann diesen Trend dagegen nicht bestätigen. „Wir können keine signifikante Zunahme der Nachfrage von Privat- oder Firmenkunden feststellen“, sagt Pressereferentin Elke Heussler. „Wir haben überhaupt keinen Mangel.“