Der letzte macht das Licht aus: So könnte man die Rolle von Wolfgang Bödeker beschreiben, der als Betriebsschlosser bei der Martin Brinkmann AG arbeitete und nach der Werksschließung in Woltmershausen zur Objektverwaltung wechselte, die das in großen Teilen verwaiste, teilweise aber auch neu vermietete Areal betreute. „So wurde ich quasi zum Mädchen für alles auf dem weitläufigen Gelände“, sagt Bödeker.
Als die Zigaretten- und die Tabakfabrik noch brummten und die Produktionsmengen wegen der hohen Nachfrage gesteigert werden mussten, waren Handwerker ein wichtiges Rückgrat im Werk. „Es gab immer was zu schrauben und reparieren“, sagt Rolf Luitjens aus Woltmershausen, der 30 Jahre lang als Betriebsmechaniker bei Brinkmann beschäftigt war. „Wir waren immer auf dem Sprung für den Fall einer Störung, dann musste es fix gehen“, erzählt auch Wolfgang Bödeker aus Rablinghausen, der 1978 bei Brinkmann anfing. Der Elektriker Rüdiger Pirlich, der 24 Jahre in Woltmershausen Dienst tat, unterstreicht ebenfalls die wichtige Rolle der Handwerker für die Produktionssicherheit: „Wir haben dafür gesorgt, dass der Betrieb rund lief, die Anlagen gut gewartet und Erneuerungen flott umgesetzt wurden.“ Alle drei Bremer sind froh, dass sie eine lange Zeit bei der gut entlohnenden und sozial eingestellten Martin Brinkmann AG verbringen konnten. An die Schlussphase denken sie jedoch nicht gern zurück.
Vom Schiffbau zum Tabakkonzern
Rolf Luitjens hatte bei den Bremer Atlas-Werken, einem renommierten großen Maschinen- und Schiffbauunternehmen, Feinmechaniker gelernt. Nach einer Zwischenstation beim Fernmeldezeugamt fing er 1957 bei Brinkmann an. Dort musste er sich gemeinsam mit Kollegen um einen möglichst reibungslosen Ablauf in der Tabakfabrik kümmern. Ab 1972 wurde er als Maschineneinrichter in der Packerei-Abteilung der Tabakfabrik eingesetzt.
Während Luitjens mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr, haben nach seiner Schilderung viele andere Brinkmänner die Straßenbahnlinie 7 genutzt, die zwischen Findorff und Rablinghausen pendelte. 1965 wurde sie überraschend eingestellt und durch Busse der Linien 24 und 25 ersetzt.
Zum Jahresende 1987 wurde Luitjens wie zahlreiche seiner Kollegen von einer Entlassungswelle erfasst. „Ich weiß es noch wie heute: Wir saßen zusammen und mein Vorgesetzter erzählte, dass etliche Leute gehen müssten. Er druckste herum und mochte mir nicht ins Gesicht sagen, dass auch ich betroffen bin“, berichtet der 89-jährige Rentner. „Ich war geschockt. Das ist mein schwerster Tag gewesen.“ Ein Jahr war er arbeitslos und ging schließlich 1989 mit 60 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand. Dank der Betriebsrente von Brinkmann als zusätzliches Einkommen kam er auch nach dem Arbeitsleben finanziell gut über die Runden.
Die Arbeit bei Brinkmann habe ihm Spaß gemacht und sei anerkannt worden, erzählt Rolf Luitjens. Der Mechaniker war ehrgeizig und grübelte oft, wie einzelne Abläufe in der Tabakfabrik verbessert werden könnten. Beim Transport von Tabakballen über mehrere Etagen mit einem Gurtsystem sei es immer wieder zu unrunden Abläufen gekommen. Luitjens schlug 1972 eine Änderung der Gurtführung vor, die auch umgesetzt wurde und sich bewährte. Der Ausschuss für das betriebliche Vorschlagswesen belohnte ihn dafür mit einer Geldprämie in Höhe von 600 D-Mark.
1977 mussten als Folge einer erhöhten Tabaknachfrage Sonderschichten eingelegt werden, und auch die Handwerker waren im allgemeinen Produktionsstress stärker gefordert. Als Dank für ihre Leistungsbereitschaft erhielten Luitjens und weitere Kollegen eine Sonderzahlung von jeweils 1500 D-Mark.
Sehr genau erinnern kann sich Luitjens an die scharfen Kontrollen beim Verlassen des Werks: „Es wurde höllisch aufgepasst, dass keine Zigaretten und keine Tabakpäckchen hinausgeschmuggelt wurden.“
Rüdiger Pirlich aus Gröpelingen machte eine Elektrikerlehre bei der Werft AG Weser. Im Schiffsbau fühlte er sich aber nicht so richtig wohl. Deshalb wechselte er als 31-jähriger Familienvater 1970 zu Brinkmann. „Den Wechsel habe ich nie bereut“, sagt der heutige Rentner. Er arbeitete abwechselnd in der Früh- und Spätschicht und musste wie auch die anderen Handwerker dafür sorgen, dass die Produktion wie am Schnürchen lief. „Stockte es mal wegen eines elektrischen Defekts, musste ganz schnell repariert werden“, betont Pirlich.
Den Werkleiter Karl Eigenbrodt hat er noch lebhaft in Erinnerung, denn der habe eine große Autorität ausgestrahlt, sei sich aber auch nicht zu schaden gewesen, mittags inmitten der Untergebenen in der Betriebskantine zu essen. „In seiner Position hätte er sich das Essen auch ins Büro bringen lassen können“, sagt Rüdiger Pirlich. Streng habe Eigenbrodt auf den Brandschutz geachtet, erzählt Rolf Luitjens: „Nach Schweißarbeiten musste jedes Mal recht lange eine Brandschutzwache zurückbleiben, um jedes Risiko auszuschalten.“ Das zahlte sich aus. Einen größeren Brand gab es im Werk an der Herrmann-Ritter-Straße nie.
1984 gehörte der Elektriker Pirlich zu den rund 1000 entlassenen Brinkmann-Beschäftigten. „Doch ich hatte noch Glück und konnte gleich bei Daimler anfangen“, erzählt Pirlich. Im Sebaldsbrücker Autowerk sei er als Fachkraft zwar auch gut bezahlt worden, „aber es waren netto rund 800 D-Mark im Monat weniger als bei Brinkmann“. Daran könne man erkennen, wie hoch die Bezahlung in der Tabakindustrie gewesen sei.
Wolfgang Bödekers Ehefrau Steffi freute sich über einen Gehaltssprung, als sie von einer Drogerie im Steintor als Produktionshelferin in die Zigarettenfabrik wechselte. „Bei Brinkmann bekam ich rund 1400 D-Mark netto im Monat, in der Drogerie waren es 900 D-Mark.“
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