Herr Mergard, wünschen Sie sich eigentlich Nazi-Deutschland zurück?
Marvin Mergard : Ich wünsche mir überhaupt kein totalitäres System zurück.
Warum schreiben Sie dann im Internet, dass Germania erweckt werden soll?
Weil Germania als Symbolifikation für Deutschland in meinen Augen erkrankt ist, nicht mehr wirklich lebt und deshalb erweckt werden muss.
Andere sehen in Germania etwas anderes: den Plan der Nazis, aus Berlin eine Welthauptstadt zu machen.
Das ist eine Interpretation der Linksjugend. Allerdings sehe ich den Zusammenhang nicht, weil ich geschrieben habe ,Germania, die holde Maid‘. Ich kann deshalb nicht verstehen, wie man auf die Welthauptstadt kommen kann. Zumal ich keinerlei nationalsozialistische Symbolik der Nazi-Architektur verwendet habe.
,Holde Maid‘ – warum sprechen Sie so altertümlich und nicht im Deutsch der Gegenwart offen aus, wofür Sie stehen?
Weil ich eine sehr starke Affinität zur Romantik habe und daher zum schwülstigen Sprechen. Ich mag diese umschmeichelnde und filigrane Sprache des 19. Jahrhunderts.
Sie mögen das Alte – und was ist mit dem Neuen?
Die Moderne kann man nicht abstellen. Man muss sehen, dass man Aspekte des Früheren, die gut waren, nicht aus den Augen verliert. Und wenn man meint, dass früher etwas besser war, dann sollte das wieder aufgegriffen werden. Ich nenne das typisch konservatives Bewusstsein.
Welche Aspekte meinen Sie?
Zum Beispiel die Ehe – eine Konstante über Jahrhunderte, die jetzt gerade faktisch aufgelöst wurde.
Was stört Sie an einer Ehe für alle?
Dass Familienstrukturen mit ihr immer weiter verfallen. Verändert man eine Konstante, verändert man im Grunde den Wesenszug des Menschen.
Ein Zug von Ihnen soll es sein, dass Sie auf Facebook auf den Gefällt-mir-Button klicken, wenn man Sie als Nazi bezeichnet. Was sagen Sie dazu?
Das war ein einziges Mal. Ein Jux meines Vorstandskollegen der Jungen Alternativen. Robert Teske bezeichnete mich im Internet als Nazi und ich ihn als Hetzer. Dass das Spaß war, ist damit offenkundig.
Spaß? Andere würden sich davon distanzieren, als Nazi bezeichnet zu werden.
Es kommt immer darauf an, wer es gerade ist, der etwas zu einem sagt oder – wie in diesem Fall – etwas über einen schreibt.
Wie weit rechts sehen Sie sich?
Ich bin rechts, aber kein Rechtsextremer. Ich bin ein rechtspatriotischer Politiker, habe aber nichts mit der NS-Ideologie zu tun.
Ist Ihnen die Alternative für Deutschland noch rechts genug?
Doch. Sie ist vielfältig, kennt keine Denkverbote und überschreitet trotzdem nicht die Grenzen der freiheitlich demokratischen Grundordnung.
Warum beteiligen Sie sich dann an einer Demo der Identitären Bewegung, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem und fremdenfeindlich eingestuft wird?
Ich lehne die Klassifikation der Identitären als rechtsextrem ab. Das mag auf viele andere Gruppierungen zutreffen, aber nicht auf die Identitären. Für mich gibt es keinen Beleg dafür, dass die Bewegung gegen die Grundordnung verstößt. Es wird sich weder gegen die Verfassung aufgelehnt noch wird gegen staatliche Organe vorgegangen.
Was verbindet Sie mit Pegida-Chef Lutz Bachmann und Ex-NPD-Funktionär Alf Börm, mit denen Sie demonstriert haben?
Börm kenne ich gar nicht. Grundsätzlich kann ich aber sagen, dass ich mit NPDlern keine ideologische Grundlage habe. Und Lutz Bachmann hat mit Pegida zwar etwas Vorbildliches für Dresden geschaffen, seine kriminelle Vergangenheit stört mich aber.
Und dennoch demonstrieren Sie mit beiden. Warum?
Es gibt bei Demonstrationen immer Leute, mit denen man nicht so gut zusammenarbeitet oder überhaupt zusammenarbeiten möchte. Ich habe bei einem Protest gegen das Handelsabkommen Acta auch schon mit Linksextremen gemeinsam demonstriert, obwohl ich eigentlich nichts mit ihnen zu tun haben will.
Der Bundesvorstand der Jungen Alternative hat Sie nach der Demo aufgefordert, sich zu erklären. Wie viel Ärger erwarten Sie?
Ich erwarte weder irgendeinen Ärger noch irgendwelche Konsequenzen. Ich habe gegen kein Gesetz und keinen Beschluss verstoßen.

Marvin Mergard (Alternative für Deutschland) hält die Resolution, die wegen seiner Demo-Teilnahme bei den Identitären jetzt von Vegesacker Fraktionen vorbereitet wird, für einen „künstlichen Konflikt“.
Sie haben aber mit einer Leitlinie des Vorstands gebrochen: Kein Funktionsträger soll sich an einer Aktion der Identitären beteiligen.
Die Frage ist doch, was eine Aktion überhaupt ist. Eine Aktion ist für mich zum Beispiel das Entrollen eines Banners, das Besetzen eines Hauses, eine Inszenierung auf der Straße. Und zwar von einer Organisation ausschließlich für die Mitglieder dieser Organisation.
Was ist denn für Sie eine Demo, wenn keine Aktion?
Eine Veranstaltung, die sich eben an alle wendet und damit etwas anderes ist als eine Aktion.
Auch der Beirat plant eine Aktion. Er will jetzt in einer Resolution deutlich machen, wofür er steht: Verfassungstreue, demokratisches Grundverständnis, Antirassismus, Weltoffenheit. Würden Sie unterschreiben, wenn man Sie ließe?
Diesen Antrag sehe ich als künstlichen Konflikt an, um sich zu profilieren. Gegen die Verfassung und demokratisches Grundverständnis kann man gar nicht sein, wenn man einer Partei beitritt. Das habe ich sozusagen längst unterschrieben. Antirassismus und Weltoffenheit sind für mich dagegen typisch linkes Kampfvokabular.
Also würden Sie nun unterschreiben?
Nein, würde ich nicht. Zum einen, weil ich nicht linke Kampfbegriffe benutzen möchte. Zum anderen, weil die Resolution gegen mich persönlich gerichtet ist.
Wie ernst ist es Ihnen mit der Beiratsarbeit? Politiker mehrerer Parteien sagen, dass Sie seit Monaten so gut wie gar nicht da sind.
Es stimmt, dass ich durch mein Studium zeitlich eingeschränkt bin. Es stimmt aber nicht, dass ich kaum im Beirat oder in Ausschüssen bin.
Fraktionsvertreter sagen auch, dass Sie sich selten zu Wort melden, wenn Sie mal da sind.
Es ist schwierig, sich in der Politik erst einmal zurechtzufinden und dann so einzuarbeiten, dass man zu allen Thema etwas sagen kann. So etwas dauert, besonders wenn man als Einzelabgeordneter auf sich allein gestellt ist.
Sie rechnen mit keinen Konsequenzen, aber wenn es dennoch welche gibt – etwa einen Ausschluss aus der Partei: Würden Sie dann Ihr Mandat im Beirat niederlegen?
So weit wird es nicht kommen.
Was macht Sie so sicher?
Dass bisher noch keine Beschlüsse gegen mich gefasst wurden.