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Wätjens Park: Wie der Förderverein die Grünanlage pflegt und warum die Mitglieder manchmal verzweifeln Idylle mit Problemen

Blumenthal. Ortsfremde, die im Auto auf der Landrat-Christians-Straße fahren, ahnen nicht unbedingt, dass auf der Südseite hinter dem schmiedeeisernen Zaun ein ­Kleinod liegt: Wätjens Park. Auf einer Fläche von 35 Hektar erstreckt sich das Naherholungsgebiet Richtung Weser.
15.05.2017, 00:00 Uhr
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Von Imke Molkewehrum

Blumenthal. Ortsfremde, die im Auto auf der Landrat-Christians-Straße fahren, ahnen nicht unbedingt, dass auf der Südseite hinter dem schmiedeeisernen Zaun ein ­Kleinod liegt: Wätjens Park. Auf einer Fläche von 35 Hektar erstreckt sich das Naherholungsgebiet Richtung Weser.

Auf dem Gelände, das die Größe von 49 Fußballfeldern hat, liegt noch heute das einst herrschaftliche Landgut der Reeder- und Kaufmannsfamilie Wätjen – umgeben von Wiesen und Grünflächen mit einheimischen und exotischen Bäumen. Außerdem laden Streuobstwiesen und Teiche, ein neoklassizistischer Gedächtnistempel, Bänke auf terrassenartigen Plattformen und ein romantischer Brunnen zum Verweilen ein.

Einst war der Sommersitz der Bremer Reeder- und Kaufmannsfamilie Wätjen organisiert wie ein herrschaftliches Gut. Es gab Pförtner und Gärtner sowie Stallungen für Pferde, Wagen und Remisen. Seinen Park ließ Unternehmensgründer Diedrich Heinrich Wätjen um 1830 im Stil englischer Landschaftsgärten nach Plänen von Isaak Altmann gestalten. Jahrzehnte später war die Firma „D. H. Wätjen“ weltweit die größte private Segelschiff-Reederei.

Der Landsitz der Familie wurde ausschließlich privat genutzt und war Schauplatz für Geburtstagsfeiern und repräsentative Festivitäten der Reederei – beispielsweise nach Stapelläufen von Schiffen. Das Volk hatte nur an bestimmten Wochentagen Zutritt zum Gelände.

Spuren des Verfalls

Heute ist Wätjens Park öffentlich zugänglich, aber das ehemals luxuriöse Ambiente zeigt bereits Spuren des Verfalls. Bei einem Rundgang mit Walter Brand und Rainer Frankenberg, den Vorsitzenden des 2005 gegründeten Fördervereins Wätjens Park, offenbaren sich besonders beim denkmalgeschützten Schloss viele Veränderungen.

Treffpunkt ist das Pförtnerhaus hinter dem Sandsteintor an der Landrat-Christians-­Straße. Hier warten die beiden Männer, die jeden Winkel und die Geschichte des Parks genau kennen. Gerade manövriert ein routinierter Fahrer seinen Müllwagen durch das schmale historische Tor des Parks. „Mir wird dabei immer ganz anders“, sagt Rainer Frankenberg und schüttelt sich. Verständlich, immerhin steht das etwa 150 Jahre alte geschmiedete Tor nebst den fünf Meter hohen neugotischen Pfeilern erst seit 2006 wieder an seinem angestammten Platz. Zwischenzeitlich zierte es auf dem Vulkangelände den Eingang zum Verwaltungsgebäude. „Als reine Deko“, erklärt Frankenberg.

1916 habe die Familie Wätjen ihren Park aufgegeben, sagt er. Sie habe das Grundstück an den Bremer Vulkan und die Bremer Wollkämmerei verkauft, „weil das Vermögen durch den Krieg zusammengeschmolzen war“. Daraufhin sei der Park in einen Dornröschenschlaf gefallen.

Nach der Vulkanpleite habe der Immobilienkaufmann Hanno Buhlmann Wätjens Park inklusive des Pförtnerhauses und des schlossartigen Landsitzes für zwei Millionen Mark aus der Konkursmasse gekauft. „Das war ein Schnäppchen“, konstatiert Frankenberg, zumal die Stadt Bremen dem Eigentümer im Jahr 2001 für den Park ohne die Gebäude 2,8 Millionen Euro zahlte. Das Land erwarb das Gelände als Ausgleichsfläche für Gewerbeansiedlungen auf dem Vulkangelände.

Für den Förderverein stand und steht der Erhalt des Parks an erster Stelle. „Wir wollten verhindern, dass dort gebaut wird“, sagt Walter Brand auf dem Weg zu Wätjens Schloss. Der einstige Sommersitz der betuchten Reeder- und Kaufmannsfamilie sei zwar einer der ältesten Parks Bremens, nachteilig sei aber, dass die Kommune dieses Land erst zur Jahrhundertwende übernommen habe. Daher werde Wätjens Park – im Vergleich zu Knoops Park oder zum Bürgerpark – manchmal etwas stiefmütterlich behandelt, finden die Vereinsvorsitzenden. Nur gelegentlich erhalte der Förderverein finanzielle Mittel, beispielsweise aus der Bürgerpark-Tombola oder vom Beirat Blumenthal.

Bedrohte Bausubstanz

So übersteige die Pflege des Geländes die Möglichkeiten des Fördervereins. „Wir fühlen uns allein gelassen“, sagt Frankenberg. Gepflegt werde der Park an sich durch den Umweltbetrieb Bremen, der jedoch zu wenig Personal habe. „Es wird zu selten gemäht und ausgelichtet – die Mitarbeiter haben nicht so oft Zeit.“ Einige aktive Mitglieder des Fördervereins kämen „allmählich in die Jahre und seien manchmal verzweifelt“.

Und dabei geht es nicht allein um die Grünflächen, sondern auch um den Erhalt der historischen Bauwerke. Ein Problemfall ist das Schloss, das Christian Heinrich Wätjen nach dem Tod seines Vaters Diedrich Heinrich Wätjen errichten ließ. Es entstand 1864 nach den Plänen des Architekten Heinrich Müller im neugotischen Tudorstil. ­Heute ist das Gebäude vermietet und zum Teil stark renovierungsbedürftig. Alte Fenster, desolate Dächer und Mauern, zerborstene Kacheln und marode Treppen zeugen von dem eher laxen Umgang mit der historischen Bausubstanz.

Das bedauert auch der Künstler Peter K. F. Krüger, der durch das Wandgemälde „Blick aus dem Fenster“ am Rembertikreisel bekannt wurde. Er bewohnt mit sieben anderen Mietparteien Wätjen-Schloss. Stufengiebel und eine Sandsteinverblendung, gotische Bögen und Kreuzgratgewölbe schmücken sein Heim. Unter dem Geviert des Eingangs stehen Stühle, ein Windlicht, ein Hundenapf und ein mächtiger Baumstumpf. Orangefarbene Mohnblumen zieren ein Beet neben dem knallgelben Auto des Künstlers. Über den Zinnen des Schlossturms weht eine bunte Fahne im Wind. Eine skurrile Kulisse.

„Der Turm müsste unbedingt restauriert werden“, sagt Peter K. F. Krüger. „Die Turmplattform und zwei Räume seien nicht mehr nutzbar. „Das Holz ist total verrottet, und die Fensterscheiben sind kaputt.“ Die Stufen seien übersät mit toten Fliegen, Vogelkot, Tapetenresten und feuchtem Mauerwerk. „Hier kommen oft Touristen vorbei und fragen, ob der Turm begehbar ist“, sagt Krüger, „aber das ist zu gefährlich. Ich bewohne auch nur noch die untere Etage“.

Etwa zwei bis drei Millionen Euro müsste der Besitzer, die Buhlmann-Hausverwaltung, in das Schloss und in Parkplätze investieren, schätzt Fördervereinschef Frankenberg, der vor seiner Pensionierung zuständiger Stadtplaner im Bauamt Bremen-Nord war. „Eigentum verpflichtet“, findet auch Krüger.

Beim Rundgang um das Schloss fällt der Blick auf einen gläsernen Sichtschutz und eine Satellitenschüssel am Gebäude. ­Einige Bewohner scheren sich offensichtlich wenig um die Außenwirkung. „Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, aber das Amt kümmert sich nicht genügend darum“, bedauert Frankenberg und zeigt auf einen riesigen, rostigen Wäscheständer neben dem Gebäude. Ein Stilbruch ist auch die Ansammlung von sechs vergilbten Klingelschildern an der Eingangstür unter dem Dach der Gründerzeit-Veranda.

Überwucherte Wege

Wenige Schritte weiter deutet Frankenberg auf die mit Kieselsteinen gefassten historischen Wege, die der Förderverein mit Hilfe von Fachfirmen freigelegt hat. Beim Anblick der überwucherten Wege und dem wilden Geäst zwingt sich aber doch der Vergleich mit dem sorgsam gepflegten Bürgerpark oder dem Stadtgarten auf. Zwischen den Grünanlagen liegen Welten.

Aber die beiden Männer wollen nicht nur klagen. „Es gibt auch schöne Momente“, sagt Frankenberg. „Die Narzissen im Frühjahr auf Schlosswiese zu sehen, ist wirklich schön. Die Zwiebeln haben wir mit 15 Leuten selbst gesteckt.“ Besonders stolz ist der Verein auf das mehrtägige Musikfestival „Folk im Park“ im August. Im vergangenen Jahr gab es bei kostenlosem Eintritt und schönstem Wetter enormen Zulauf. Diesmal dauert das Festival einen Tag länger. Es kommen Musiker unter anderem aus Australien, den USA und Kanada.

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