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Repair-Cafés bieten Hilfe an "Wir haben stramm zu tun"

Weil die Menge an Elektroschrott rasant steigt, bieten immer mehr Repair-Cafés Hilfe an. An sieben Recyclingstationen bringen Ehrenamtliche neues Leben in die Technik.
14.05.2021, 17:43 Uhr
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Von hed

Eines morgens passiert es – was eben noch brummte und tönte, steht nun still. Wem plötzlich der Staubsauger oder der Radiowecker kaputt geht, steht vor der immer gleichen Frage: Reparieren oder neu kaufen? Eine Reparatur erscheint oft zeitraubend und teuer. Und wer repariert überhaupt kleinere Elektrogeräte? Um Abfall zu reduzieren, organisieren sowohl die Bremer Stadtreinigung (DBS) als auch verschiedene Projekte Repair-Cafés. Dort sollen defekte Geräte gemeinsam wieder flott gemacht werden.

Es werden immer mehr Alt- Geräte weggeworfen: 853.000 Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte im Jahr 2018 in Deutschland. Das sind durchschnittlich 10,3 Kilogramm pro Person. Damit stieg der durchschnittliche Elektroabfall pro Kopf im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Kilogramm, gegenüber 2015 um 1,5 Kilogramm, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. In Bremen sammelte die Bremer Stadtreinigung nach ihren Angaben in den letzten Jahren rund 3000 Tonnen pro Jahr an Elektroschrott. Das sind 5,3 Kilogramm pro Person. Diese im Vergleich niedrige Zahl täuscht allerdings: Hinzu kommen die Geräte, die über den Einzelhandel zurückgenommen werden.

Die Stadtreinigung veranstaltet in sieben ihrer Recycling-Stationen zu bestimmten Terminen Repair-Cafés. Ein Team von Ehrenamtlichen bringt neues Leben in die Technik. Rund 200 Bremer und Bremerinnen nutzten 2019 die Cafés und bringen meistens Haushaltskleingeräte wie Toaster, Mixer oder Staubsauger. Im Durchschnitt gelingt fast die Hälfte der Reparaturen, heißt es seitens der DBS. "Ich habe oft nicht mal die Gelegenheit gehabt hochzugucken. Wir haben stramm zu tun", erzählt der ehrenamtliche Reparateur Thomas Plate, Ingenieur für Elektrotechnik. Der 61-Jährige ist seit Jahren dabei und versucht selbst zu reparieren oder zumindest Hilfestellungen für passende Ersatzteile mit auf den Weg zu geben.

Warum nimmt einer wie Plate in seiner Freizeit den Schraubendreher in die Hand? Das liege auch in seiner Kindheit begründet, sagt er. "Ich bin so erzogen worden, nicht gleich alles wegzuwerfen. Ich habe eine Kindheit erlebt, wo Elektrogeräte teuer waren, wo Handwerkszeug teuer war. Wo ein Spaten nicht weggeworfen wurde, weil der Stiel kaputt war." Ihn beschäftigt Nachhaltigkeit und er will etwas dafür tun, die endlichen Ressourcen der Erde schonend zu behandeln. "Wir sägen an dem Ast, auf dem wir selber sitzen", meint er. Er spricht von Elektrogeräten, die zwar günstig seien, aber schnell kaputt gingen und kaum reparierbar seien. "Einen Föhn bekommen sie für um die zehn Euro. Die Geräte werden aber nicht mehr geschraubt, sondern nur noch zusammengedrückt, weil das schneller geht. Die bekommen sie nie wieder auf."

Im Repair-Café wird meist versucht, defekte Geräte gemeinsam mit den Besitzern zu reparieren. Die Reparatur ist keine reine Dienstleitung, findet David Sehmsdorf, Projektleitung der Klimawerkstatt in der Neustadt. Die Klimawerkstatt veranstaltet in normalen Zeiten ein wöchentliches Repair-Café für die Bereiche Elektro, Fahrräder und Textil. Sehmsdorf sagt: "Es geht darum, Wissen zu teilen und einen bewussten Umgang mit Reparatur und Nachhaltigkeit zu erzeugen." Wer mitmacht, kann die eigenen Fähigkeiten erweitern, Ressourcen und den eigenen Geldbeutel schonen. Denn das Angebot in der Klimawerkstatt funktioniert gegen freiwillige Spende. Nach eigenen Angaben schaffen es die ehrenamtlichen Helfer, rund 60 Prozent der Elektrogeräte wieder flott zu machen. "Es wird erlebbar, dass man Dinge reparieren kann", meint Sehmsdorf. Die Klimawerkstatt plant momentan eine Vernetzung der verschiedenen Bremer Repair-Cafés.

Wenn ihm über die Schulter geschaut wird, freut sich auch Thomas Plate. "Ohne Publikum macht es nicht so viel Spaß", sagt er über die aktuelle Situation. Denn momentan finden die Repair-Cafés der Stadtreinigung zwar statt, die Besucher dürfen ihre Geräte aber nur abgeben und später wieder abholen. Unter normalen Bedingungen schaffen er und seine Kollegen zehn bis 15 Geräte pro Termin, sagt Plate. Seine Kollegen und er, sie seien Forscher und Bastler. Und freuen sich, wenn sie Menschen helfen können. Plate berichtet von einer älteren Dame, deren Kassettenrekorder er repariert habe. "Ihr verstorbener Mann hat Kassetten besprochen, die sie sich dann morgens oder zu besonderen Anlässen anhörte. Wir haben da mit mehreren Leuten drüber gehockt. Die Frau ging glücklich und zufrieden nach Hause, die hatte Tränen in den Augen."

Defekte Elektrogeräte können fachgerecht bei den Recycling-Stationen und auf vielen Containerplätzen dezentral im Stadtgebiet entsorgt werden. Der Handel ist unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls verpflichtet, Altgeräte zurückzunehmen. Das betrifft auch den Onlinehandel. Die Rücknahmeverpflichtung soll durch eine jüngst vom Bundestag beschlossene Gesetzesänderung ausgeweitet und nach Zustimmung des Bundesrates ab spätestens Mitte Juli nächsten Jahres in vielen Fällen ebenfalls für Supermärkte und Discounter gelten. Funktionierende Elektrogeräte können in einigen Recycling-Stationen (Blumenthal, Borgfeld, Burglesum, Findorff, Hohentor, Horn, Hulsberg und Oslebshausen) abgegeben werden. Die Geräte werden geprüft und an soziale Einrichtungen weitergegeben.

Zur Sache

Viele Reparatur-Angebote

Die Repair-Cafés der Bremer Stadtreinigung finden an ausgewählten Samstagen in der Zeit von 9.30 bis 12.30 Uhr in den Stationen Blumenthal, Findorff, Horn, Kirchhuchting, Oslebshausen, Oberneuland und Hulsberg statt. Nächster Termin ist der 5. Juni in Kirchhuchting. Momentan können die Geräte nur abgegeben und Termine unter 0421 361-3611 vereinbart werden.

Repair-Cafés werden von verschiedenen Initiativen an unterschiedlichen Orten in Bremen veranstaltet. Aktuell pausieren pandemiebedingt einige Angebote, andere finden unter geänderten Bedingungen statt. Normalerweise können Geräte unter anderem repariert werden im: Mehr-Generationen-Haus Stuhr-Brinkum, dem Repair-Café in der Leuchtturmfabrik in Findorff, der Begegnungsstätte St. Magni in Bremen-Nord, der Markthalle Acht in der Innenstadt, dem Repair-Café Neue Vahr in der Heilig-Geist-Kirche, dem Repair-Café im Nunatak in Blumenthal, dem Kulturzentrum Murkens Hof in Lilienthal und der Klimawerkstatt in der Neustadt.

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