Ein Halbkreis mit Häusern und Straßenzügen innerhalb der grünen Wallanlagen. So sieht der Innenstadtkern auf Luftbildern und Stadtplänen aus. Wer den Kreis vervollständigen will, wandert im Geiste auf die andere Weserseite in die Neustadt. Eine Arbeitsgruppe hat das getan und das Quartier links der Weser als Teil der Innenstadt weitergedacht.
Wenn Rainer Imholze vor den großen Plänen an der Wand in seinem Büro steht, konzentriert sich der Stadtplaner derzeit vor allem auf all das, was auf dem linken Weserufer innerhalb des Grünzugs der Neustadtswallanlagen liegt.
Für Stadtentwickler vervollständigt dieser Bereich den Kreis der Innenstadt. Um die Entwicklung stärker voranzutreiben, haben sie gemeinsam mit Akteuren aus dem Stadtteil – Vertreter der Hochschule Bremen, vom Ortsamt Neustadt und der Bremer Shakespeare Company – Ideen für den „Campus Neustadt“ zusammengetragen. Die Hochschule soll „Knotenpunkt im Quartiersnetzwerk“ werden.
Ein Baustein dabei: Das AB-Gebäude am Neustadtswall. Zweieinhalb Jahre ist es her, dass angehende Bauingenieure und Architekten sowie Verwaltungsangestellte aus dem Hochhaus der Hochschule auszogen, weil es zur Großbaustelle wurde. Die letzten Handwerker ziehen in den kommenden Wochen ab, Fakultät, Zentralverwaltung und Hochschulleitung bereiten sich auf die Rückkehr vor. Im Dezember, so Hochschulsprecher Ulrich Berlin, soll die „School of Architecture“ aus dem Übergangsdomizil im ehemaligen Postamt 5 am Bahnhof zurück in die energetisch sanierten Räume ziehen. Bauingenieure sowie Zentral- und Hochschulverwaltung können nach und nach bis Ende Januar ihren Betrieb dort wieder aufnehmen.
Eingangsbereich und die Fassade sollen nach den Entwürfen des Architekturbüros Haslob, Kruse und Partner nun dem modernen Wissenschaftsbetrieb im Inneren und der besonderen städtebaulichen Rolle gerecht werden. Wer ins Gebäude tritt, bemerkt die neue luftige Offenheit, die durch die Höhe über zwei Stockwerke entsteht. „Wir haben die Schwächen der bestehenden Architektur damit behoben“, sagt Berlin. Die offizielle Eröffnung werde am 16. April 2015 gefeiert. Erfreulich aus Sicht von Wissenschaftsbehörde und Hochschule: Die Sanierung sei im Zeit- und Kostenrahmen geblieben. Rund 14 000 Quadratmeter Fläche und Fassaden wurden für 14,6 Millionen Euro saniert. Damit ist ein Stück Neustadt modernisiert worden.
Ein Auge auf die Weserburg
Was für das Viertel noch wichtig ist? Das hatten sich die Teilnehmer des Workshops „Campus Neustadt“ gefragt, zu denen auch Senatsbaudirektorin Iris Reuther und Hochschulrektorin Karin Luckey gehörten. Nach Reuthers Ansicht ist die Hochschule einer der „wichtigen Denkorte der Wissensgesellschaft“. Er sei deshalb „von strategischer Bedeutung für die Bremer Zukunft“.

In den vergangenen zweieinhalb Jahren wurde das AB-Gebäude der Hochschule saniert. Im kommenden Jahr wird es wiedereröffnet.
Die Hochschule sieht sich deshalb nicht nur mit ihren Gebäuden, Wegen und Plätzen baulich als Teil der Neustadt. Kooperationen sollten ausgeweitet werden, so Berlin. Auch werde der Ausbau der Hochschule „als Einrichtung für lebenslanges Lernen“ vorangetrieben. Soll heißen: Mitarbeiter von Unternehmen können sich weiterqualifizieren und Studienabschlüsse machen, Studenten und andere Stadtteilbewohner bei Veranstaltungen zusammentreffen. „Campus Neustadt“ sieht ein Café im sogenannten E-Trakt der Hochschule vor. Zum Grünzug hin soll sie sich öffnen. Und das alte Ortsamt an der Langemarckstraße vis-à-vis der Hochschule könnte eine Kita der Hochschule und andere soziale Einrichtungen beherbergen. Ein Auge hat die Hochschule auch auf die Weserburg geworfen, wo noch das Museum für Moderne Kunst untergebracht ist. Wenn dieses einst in einen Neubau in die Wallanlagen im Umfeld der Kunsthalle zieht, möchte die Hochschule gern den Brückenkopf beziehen.
Vieles ist noch Zukunftsmusik, einiges aber bereits auf den Weg gebracht und finanziell abgesichert, sagt Imholze. Er hat verschiedene städtebauliche und inhaltliche Ansätze gedanklich schon umgesetzt: Am Hohentorsplatz direkt an den Neustadtswall ist in seiner Vorstellung Raum für studentisches Wohnen entstanden. Der Bahnhof Neustadt ist verkauft, Teil des Hochschulstandorts mit Ateliers und Büros und einem Café geworden. Die Arbeitsgruppe hat ihn als „multifunktionalen Ort“, als „Brückenkopf zwischen der Alten Neustadt, der Hochschule und Woltmershausen“ ausgeguckt.
Brücke über Kleine Weser?
Bedeutend für das Umfeld ist auch die Schule am Leibnizplatz mit dem Standort der Bremer Shakespeare Company und dem benachbarten Südbad. Die Gebäude grenzen an die Neustadtswallanlagen. Eine Öffnung ins Grüne hinein sei beabsichtigt, sagt Imholze. So könne man sich eine Außengastronomie des „Falstaff“ vorstellen. Auch die Sanierung und Umgestaltung der Osterstraße gehört aus Imholzes Sicht zur Aufwertung des Stadtteils und zur Öffnung des Quartiers über die Wilhelm-Kaisen-Brücke hinweg in die Innenstadt.
Eine weitere Verknüpfung könnte die bereits häufiger angedachte Brücke über die Kleine Weser werden. Sie würde vom Stadtwerder hinüber in die Neustadt – nach Vorstellungen auch aus dem Beirat auf Höhe der Schwankhalle – führen. Der frühere Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer hatte schon vor vier Jahren betont, dass eine solche Verbindung helfen könnte, die neuen Stadtwerder-Bewohner leichter in die Neustadt zu integrieren. Laut Imholze gibt es nun Machbarkeitsstudien, die eine Brücke für rund 1,4 Millionen Euro vorsehen.